10ObS101/25p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch Dr. Stephan Rainer und Dr. Michael Rück, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. August 2025, GZ 23 Rs 20/25k 15, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der 1969 geborene Kläger ist seit 2009 im Landeskrankenhaus H* als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger auf der „Fachstation für Drogenerkrankungen“ beschäftigt.
[2] Der Kläger betreut Personen, die in der Regel schwer suchtkrank sind und häufig an psychiatrischen Begleiterkrankungen (zB Borderline Syndrom, Schizophrenie, Depression, Alkoholsucht etc) leiden. Die Station bemüht sich um ein günstiges Klima zur körperlichen und psychischen Erholung und Stabilisierung. Voraussetzungen für die Betreuung sind Freiwilligkeit zur Behandlung und die Bereitschaft zum Verzicht auf nicht verordnete Substanzen während des stationären Aufenthalts. Die durchschnittliche Therapiedauer beträgt drei bis fünf Wochen.
[3] Das Therapieangebot auf der Station umfasst „warmen“ Entzug (Voll und Teilentzüge); körperliche Entzugsbehandlung mit Medikamenten, Bädern, Massagen, Aromapflege, Lasertherapie ua; Diagnose und gegebenenfalls Therapie von körperlichen und psychischen Begleiterkrankungen; Beratung und Hilfestellung bei der Klärung sozialer Probleme; soziales Kompetenztraining; psychotherapeutische Einzel und Gruppengespräche; psychologische Beratung; physiotherapeutische Behandlungen; Entspannungstherapie; Einbeziehung von Angehörigen; Sport und Bewegungstherapie; aktive Freizeitgestaltung und Vorbereitung für und Vermittlung in eine weiterführende stationäre Behandlung oder ambulante Nachbetreuung.
[4] Die vom Kläger zu verrichtende Betreuungstätigkeit ist herausfordernd, weil sich manche der zu betreuenden Personen auch renitent, aggressiv und widerspenstig verhalten. Der Kläger wurde einmal mit einer Tasse beworfen, darüber hinaus aber noch nie tätlich angegriffen. Er war auch Beschimpfungen ausgesetzt. Es kommt auf der Station auch zu Tätlichkeiten und Spannungen unter den Patienten. Im Schnitt ist der Kläger einmal pro Woche mit einem aggressiven Patienten konfrontiert.
[5] Mit dem klagsgegenständlichen Bescheid anerkannte die Beklagte mit Blick auf geleistete Schicht und Wechseldienste iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV von den 481 nachgewiesenen Versicherungsmonaten 18 Versicherungsmonate als Schwerarbeitsmonate und lehnte die Anerkennung weiterer Schwerarbeitszeiten ab.
[6] Der Kläger richtet sich mit seiner Klage gegen den abweisenden Teil des Bescheids der Beklagten und begehrt, die gesamte Zeit seiner Tätigkeit als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV festzustellen.
[7] Das Berufungsgericht bestätigte die abweisende Entscheidung des Erstgerichts. Auch wenn der Kläger zum Teil mit schwierigen und aggressiven Patienten zu tun habe, reiche die psychische Belastung des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit auf seiner Station nicht an jene von Pflegetätigkeiten auf einer Palliativ oder Hospizstation heran. Es sei auszuschließen, dass der Kläger im relevanten Zeitraum „überwiegend“ mit solchen Patienten zu tun hatte, oder dass der zeitliche Umfang der Betreuung solcher renitenten und aggressiven Patienten überwogen habe.
Rechtliche Beurteilung
[8] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Klägerkeine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[9] 1.1. Es ist ständige Rechtsprechung, dass Schwerarbeit nur dann anerkannt werden kann, wenn der Versicherte einer besonders belastenden Schwerarbeit auch tatsächlich ausgesetzt war. Nicht jede Art von schwerer Arbeit schlechthin, mag sie auch psychisch belastend sein, sondern nur bestimmte Formen von besonders belastender Schwerarbeitsind zu berücksichtigen (10 ObS 47/25x Rz 11 mwN; vgl RS0131699).
[10] 1.2. § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV stellt auf die Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs oder Pflegebedarfab. Nach der Rechtsprechung wird dieser besondere Behandlungs- und Pflegebedarf dann verwirklicht, wenn die gepflegte Person die Voraussetzungen für den Anspruch zumindest auf Pflegegeld der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG erfüllt (RS0132681 [T2]) oder Pflegetätigkeiten an Schwerstkranken in der Hospiz- oder Palliativmedizin vorliegen bzw Tätigkeiten, die dem gleichzuhalten sind (10 ObS 47/25x, Rz 12 mwN).
[11] 2.1 Wenn die Vorinstanzen aufgrund der Feststellungen die gewiss herausfordernde Arbeit des Klägers noch nicht als Schwerarbeit für die klagsgegenständlichen Zeiträume anerkannten, hält sich das im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung. Es ist jedenfalls ua mangels ausreichender Pflegegeldeinstufung als wichtiges Indiz für die psychische Belastungen (vgl 10 ObS 36/19w, Pkt 2.5; 10 ObS 122/19t, Pkt 3.) im Anlassfall vertretbar, das Vorliegen von Schwerarbeitszeiten zu verneinen (idS zuletzt 10 ObS 47/25x, Rz 15), zumal die im Rechtsmittel hervorgehobene Aggressivität mancher Patienten nur eine Minderheit betrifft und der Kläger davon nur in einem Bruchteil seiner Arbeitszeit betroffen ist.
[12] 2.2. Zudem lässt sich die Frage, ob ein besonderer Behandlungs oder Pflegebedarf vorliegt nur aus den Umständen des Einzelfalls ableiten (10 ObS 47/25x, Rz 16), sodass die diesbezügliche Beurteilung der Vorinstanzen die Zulässigkeit der Revision grundsätzlich nur bei einer krassen Fehlbeurteilung stützen könnte. Derartiges wird im Rechtsmittel aber nicht aufgezeigt.