Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richterinnen in der Pflegschaftssache der minderjährigen *, geboren * 2017, wohnhaft beim Vater *, und vertreten durch Mag. Oliver Frohner, Rechtsanwalt in Wien, als Kollisionskurator, zu AZ 9 Pg 17/21g des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN, den
Beschluss
gefasst:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. April 2025, GZ 9 Pg 17/21g-119, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Vermögensverwaltungssache an das Bezirksgericht Dornbirn wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.
Begründung:
[1] Das Pflegschaftsverfahren (iS einer reinen Vermögensverwaltungssache) wurde im Jahr 2018 vor dem Bezirksgericht Dornbirn begonnen. Die dort wohnhafte Minderjährige erbte damals Anteile an einer Liegenschaft im Sprengel des Bezirksgerichts Dornbirn sowie weitere Vermögenswerte, die seitdem von ihrem Vater für sie verwaltet werden.
[2]Nachdem die Minderjährige 2021 mit ihrem Vater nach Wien übersiedelt war, wurde die Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN auf das Bezirksgericht Innere Stadt Wien übertragen. Im Jahr 2024 gab der Vater bekannt, mit der Minderjährigen dauerhaft zurück in den Sprengel des Bezirksgerichts Dornbirn übersiedeln zu wollen, was zwischenzeitlich auch umgesetzt wurde. Der Vater beantragte weiters die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines von einem Dornbirner Rechtsanwalt verfassten Kaufvertragsentwurfs, mit dem (vereinfacht gesagt) er und die Minderjährige je zur Hälfte Wohnungseigentum an der in Aussicht genommenen neuen Wohnung erwerben würden.
[3] Das BezirksgerichtInnere Stadt Wien bestellte daraufhin einen Wiener Rechtsanwalt zum Kollisionskurator und genehmigte in der Folge sowohl den Kaufvertrag, als auch den Entwurf einer Vereinbarung zwischen dem Vater und der Minderjährigen. Nach Rechtskraft dieses Beschlusses übertrug es die Zuständigkeit für die Vermögensverwaltungssache mit Beschluss gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Dornbirn.
[4] Das Bezirksgericht Dornbirn verweigerte die Übernahme der Zuständigkeit und retournierte den Akt. Da der abgeschlossene Vertrag ebenfalls pflegschaftsgerichtlich genehmigt werden müsse, und auch der Wiener Kollisionskurator noch nicht enthoben und entlohnt worden sei, liege die Übertragung nicht im Interesse der Minderjährigen. Vielmehr sei es zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, das bereits den Kaufvertrag und den Entwurf der Vereinbarung eingehend geprüft habe, auch für die restlichen Handlungen im Zusammenhang mit dem Wohnungs kauf zuständig bleibe .
[5] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien stellte daraufhin den Übertragungsbeschluss dem Vater und dem Kollisionskurator zu, die beide die Übertragung befürworteten. Der Kollisionskurator gab weiters bekannt, dass der Kaufvertrag zwischenzeitlich abgewickelt und verbüchert sei, und begehrte eine Entschädigung.
[6] Sodann legte das BezirksgerichtInnere Stadt Wien den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN zur Genehmigung der Übertragung vor.
Dazu war zu erwägen:
[7] 1.Das Pflegschaftsgericht kann gemäß § 111 Abs 1 JN die Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Ausschlaggebend ist auch insoweit das Kindeswohl (vgl RS0046908).
[8] In der Regel entspricht es den Interessen des pflegebefohlenen Kind es, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel sein gewöhnlicher Aufenthalt und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (vgl RS0047300). Ändert sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, ist daher typischerweise anzunehmen, dass die Übertragung der Zuständigkeit die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich fördern wird (vgl RS0046929 [T5]; 4 Nc 28/24s).
[9] Offene Anträge sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (oder es wäre zumindestin der Lage, sich diese Kenntnisse leichter zu verschaffen als das andere Gericht, vgl RS0047032 [T11]). Im Einzelfall kann eineEntscheidung durch das (schon) bisher zuständige Gericht insbesondere dann zweckmäßiger sein, wenn sich dieses bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst und dazu Vernehmungen durchgeführt hat, weil die unmittelbar gewonnenen Eindrücke verwertet werden sollen (vgl RS0047032 [T7]).
[10] 2. Im vorliegenden Fall stellt auch das BezirksgerichtDornbirn nicht in Frage, dass die Vermögensverwaltungssache wegen des erneuten (auf Dauer angelegten) Wohnsitzwechsels grundsätzlich gemäß § 111 Abs 1 JN zu übertragen ist. Dem stehen aber die noch offenen Verfahrenshandlungen nicht entgegen. Da ein reines Aktenverfahren abgeführt wurde, und insbesondere keine unmittelbar aufgenommenen Beweise gewürdigt werden sollen, ist nicht ersichtlich, warum eine Übertragung im derzeitigen Stadium nicht im Interesse der Minderjährigen gelegen sein soll. Auch wenn das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bereits durch die Genehmigung der Verträge Kenntnis vom Sachverhalt hat, kann und muss sich das Bezirksgericht Dornbirn für die weitere Vermögensverwaltung ebenso mit dem Liegenschaftseigentum der Minderjährigen und den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Vater auseinandersetzen. Da sich die Minderjährige, deren Vater, dessen Vertreter und Vertragserrichter sowie die Liegenschaften im Sprengel des Bezirksgerichts Dornbirn befinden, erscheint es daher zweckmäßig, dass dieses das Verfahren übernimmt und (allfällige) weitere Anordnungen trifft.
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