JudikaturOGH

8ObA39/25f – OGH Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
30. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Mag. Elke Wostri (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei „*“ *gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die Eversheds Sutherland Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.989,85 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 2.727,42 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 9. Juli 2025, GZ 8 Ra 34/25s 26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen .

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.Unter der – eine Verfallsfrist wahrenden – Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen kollektivvertraglicher Verfallsfristen ist zwar kein förmliches Einmahnen, wohl aber ein dem Erklärungsempfänger zumindest erkennbares ernstliches Fordern einer Leistung (RS0051576 [T9]) im Sinn einer wenigstens aus den Umständen zu erschließenden Willenserklärung zu verstehen, wobei es auf das Verständnis ankommt, das ein redlicher Erklärungsempfänger aus der Erklärung gewinnen durfte (RS0051576 [T2]). Es ist zwar kein ziffernmäßig genaues Begehren erforderlich, doch muss das Begehren in Ansehung von Art und Höhe der geltend gemachten Ansprüche wenigstens annähernd konkretisiert werden (RS0034446 [T2]).

[2]Die Frage, ob eine Präklusion von Ansprüchen durch Verfall eingetreten ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (8 ObA 8/15g mwN; 9 ObA 103/16m).

[3] 2.1. Das Berufungsgericht hat ein am 31. 1. 2023 an eine Büromitarbeiterin der Beklagten ohne Geschäftsführungs- oder Entscheidungsbefugnis gerichtetes Mail der Klägerin zu einem anderen Thema mit der weiteren „Bitte / Frage“, ob diese „nachschauen“ könnte, ob sie richtig eingestuft sei, weil sie nicht verstehe, warum sie nach mehr als sechs Jahren bei der Beklagten nicht um zwei Gehaltsstufen höher eingestuft sei, und an wen [bei der Beklagten] sie sich wenden solle, nicht als konkrete Geltendmachung eines Anspruchs an die Beklagte beurteilt, sondern erst ein späteres, formell an die Beklagte gerichtetes Einschreiben vom 2. 11. 2023 mit konkretisierten Forderungen. Das Berufungsgericht erachtete daher die Ansprüche nach § 30 Abs 1 des hier anzuwendenden Kollektivvertrags betreffend die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer/ innen der privaten Bildungseinrichtungen (KV BABE), wonach Einzelansprüche nach diesem Kollektivvertrag binnen sechs Monaten nach Fälligkeit bei sonstigem Verfall geltend gemacht werden müssen, insoweit als verfallen, als sie vor dem 2. 5. 2023 fällig geworden waren.

[4] 2.2. Diese Rechtsauffassung hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.

[5] 3. Die Revision der Klägerin zeigt dagegen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung auf. Sie widmet sich der Frage der ausreichenden Konkretisierung von Ansprüchen durch Geltendmachung einer höheren Entlohnung, etwa (vgl 9 ObA 37/99b) durch Hinweis auf anrechenbare Vordienstzeiten, welche dem Arbeitgeber früher bekanntgegeben worden waren.

[6] Auf die Frage, ob die Klägerin hier mit einem nur gelegentlich eines – einen anderen Gegenstand betreffenden – Mails an eine Arbeitskollegin geäußerten Ersuchen überhaupt gegenüber der beklagten Kapitalgesellschaft als Arbeitgeberin und Erklärungsempfängerin eine für diese zumindest erkennbare, ernstliche Geltendmachung von Ansprüchen vorgenommen hätte, geht die Revision nicht ein.

[7] Dies hier zu verneinen und das Mail nicht als gegenüber der Beklagten abgegebene Äußerung mit Rechtsfolgewillen, sondern als bloße kollegiale Bitte um Information anzusehen, welche nur die Überprüfung ermöglichen sollte, ob solche Ansprüche bestehen könnten, und um gegebenenfalls deren Geltendmachung vorzubereiten, ist jedenfalls vertretbar.

[8] Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Rechtsfragen stellen daher hier nicht.

[9] 4.Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).