JudikaturOGH

2Ob139/25t – OGH Entscheidung

Entscheidung
Erbrecht
18. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2022 verstorbenen J*, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. B*, vertreten durch die Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, und 2. M*, vertreten durch Mag. Christine Wernig, LL.M., Rechtsanwältin in St. Veit an der Glan, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Zweitantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 28. Mai 2025, GZ 1 R 65/25s 136, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Verstorbene errichtete im Jahr 2012 ein Testament, in dem er den Zweitantragsteller zum Alleinerben einsetzte. Im Jahr 2020 errichtete er bei einem Notar ein Testament, mit dem er alle früheren letztwilligen Verfügungen widerrief und die Erstantragstellerin zur Alleinerbin einsetzte. Obwohl der Verstorbene damals aufgrund einer hochgradigen Schwerhörigkeit beinahe taub war und kein Hörgerät verwendete, hatte er mit dem Notar seine Wünsche besprochen, woraufhin er den vom Notar verfassten Text mit dem handschriftlichen Beisatz „ Mei Testament “ unterzeichnete. Darüber hinaus unterfertigten drei Notariatsangestellte als Testamentszeugen.

[2] Das Erstgericht stellte das Erbrecht des Zweitantragstellers fest. Das im Jahr 2020 errichtete Testament sei unwirksam, weil aufgrund der gravierenden Einschränkung des Hörvermögens die in § 60 NO vorgesehenen Formvorschriften einzuhalten gewesen wären, der Notar aber nicht festgehalten habe, dass der Erblasser das Testament durchgelesen habe.

[3] Das Rekursgericht ändert diese Entscheidung dahin ab, dass das Erbrecht der Erstantragstellerin festgestellt wurde. Das Testament aus dem Jahr 2020 sei weder in der Form eines Notariatsakts noch in der Form eines notariellen Protokolls errichtet worden, sodass die Formvorschriften des § 60 NO nicht anzuwenden seien.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionrekurs des Zweitantragstellers ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig .

[5]1. Das ABGB kennt mehrere, grundsätzlich gleichwertig nebeneinander stehende Arten zulässiger letztwilliger Verfügungen. Für fremdhändige letztwillige Verfügungen stehen neben der privaten Form des fremdhändigen Testaments nach § 579 ABGB auch die öffentlichen Formen des gerichtlichen Testaments nach §§ 581 f ABGB und des notariellen Testaments nach § 583 ABGB zur Verfügung ( 2 Ob 63/22m ; 2 Ob 106/23m). Nach dem mit „notarielle Verfügung“ überschriebenen § 583 ABGB kann eine letztwillige Verfügung vor zwei Notaren oder vor einem Notar und zwei Zeugen schriftlich oder mündlich errichtet werden, wobei die §§ 67 und 70 bis 75 NO anzuwenden sind. Die Errichtung eines notariellen Testaments ist sowohl in Notariatsaktsform nach § 67 NO als auch in Protokollform nach § 70 NO möglich.

[6] 2. Bei der Aufnahme eines Notariatsakts mit einer gehörlosen Person müssen die Aktszeugen nach § 59 NO bei der Vorlesung des Akts seinem ganzen Inhalt nach sowie bei der Einwilligung und Unterzeichnung durch die Parteien anwesend sein. Darüber hinaus muss eine gehörlose Person, welche lesen kann, nach § 60 NO den Akt selbst lesen und ausdrücklich bestätigen, dass sie denselben gelesen und ihrem Willen entsprechend gefunden habe, wobei diese Bestätigung im Akt vor der Unterschrift angeführt werden muss. Nach § 72 NO sind diese Vorschriften auch bei der Aufnahme letztwilliger Anordnungen in Protokollform zu beachten.

[7]3. Bei der Errichtung des Testaments im Jahr 2020 wurde allerdings weder ein Notariatsakt errichtet noch ein Protokoll nach § 73 Abs 1 NO aufgenommen, sodass schon aus diesem Grund kein notarielles Testament vorliegt, das den Vorschriften der §§ 59 und 60 NO unterliegen würde. Der Oberste Gerichtshof hat vielmehr bereits zu 2 Ob 170/22xdarauf hingewiesen, dass in einem solchen Fall, bei dem eine bei einem Notar nach Vorgaben des Erblassers verfasste fremdhändige letztwillige Verfügung unter Beiziehung von Zeugen unterfertigt wird, ein Privattestament vorliegt, das (nur) den Formvorschriften des § 579 ABGB und gegebenenfalls des § 580 ABGB unterliegt.

[8]4. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach das Testament aus dem Jahr 2020 den Formerfordernissen des § 579 ABGB entspreche, wurde vom Revisionsrekurswerber nicht bekämpft. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.