2Ob119/25a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen L*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Eltern A* und I*, beide vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in Seiersberg, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 29. April 2025, GZ 23 R 142/25t-19, womit in Folge Rekurses des Kinder- und Jugendhilfeträgers der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 5. März 2025, GZ 1 Ps 24/24v-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
[1] Die Obsorge für die 12-jährige Minderjährige kommt beiden Eltern gemeinsam zu. Die Mutter ist Lehrerin, der Vater selbständig tätig. Die Minderjährige besuchte nie eine Regelschule, sie wird zu Hause unterrichtet. Sie absolvierte mit Erfolg die Externistenprüfungen für die erste und zweite Schulstufe, seit dem Schuljahr 2021/2022 hat sie aber keine weiteren Externistenprüfungen mehr absolviert, weil sich die Eltern von der Bildungsdirektion über eine erfolgte Gesetzesänderung nur unzureichend informiert fühlten, deswegen verunsichert waren und die Minderjährige „vor der dadurch bedingten Belastung“ schützen wollten. Erstmals im Sommer 2023 informierte die Schule den Kinder- und Jugendhilfeträger über eine Verletzung der Schulpflicht.
[2] Die Minderjährige erlebt zu Hause einen geregelten Tagesablauf, von Montag bis Freitag findet ab 8:00 Uhr morgens vier oder fünf Stunden lang Unterricht statt, wobei sich die Minderjährige im Rahmen der Vorgaben und des Plans der Mutter aussuchen kann, womit sie sich wie lange beschäftigen möchte. An Montagen und Dienstagen wird die Minderjährige von der Mutter, von Mittwoch bis Freitag vom Vater – fallweise auch von der Großmutter – unterrichtet. Es werden „im Wesentlichen“ alle Schulfächer durchgemacht. In einer vom Verein „B*“ durchgeführten „Reifegrad-Reflexion“ im Mai 2024 lag die damals 11-Jährige in der Bildungsstufe „1. Klasse Mittelschule“ in den Fächern „Soziale Kompetenzen“, Biologie, Englisch, digitale Grundbildung, Geographie, Musik und „Bildnerisches“ (teils sehr deutlich) über dem „Zielreifegrad“, erreichte diesen aber auch in Deutsch und Mathematik. Wenn es sich die Minderjährige frei aussuchen könnte, würde sie an der bestehenden Unterrichtsform nichts ändern. Nach den Angaben der für die Familie zuständigen Sozialarbeiterin müsste die Minderjährige zur „systemrelevanten“ Fortsetzung ihres Schulwegs in die dritte Klasse Volksschule gehen, was weder kognitiv noch emotional dem Kindeswohl förderlich wäre. Eine Reaktion der Bildungsdirektion zur Lösung dieser Problematik steht aus.
[3] Der Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) stellte im Februar 2024 den Antrag auf Entziehung der Obsorge im Teilbereich der Vertretung in schulischen Angelegenheiten. Da die Eltern die Entwicklungsmöglichkeiten der Minderjährigen nicht förderten, sei von einer Gefährdung des Kindeswohls auszugehen. Es werde aber primär angeregt, den Eltern Auflagen zur Sicherstellung der Erfüllung der Schuldpflicht zu erteilen, ihnen eine Kooperation mit der öffentlichen Schule aufzutragen und Beratungsstunden aufzuerlegen.
[4] Die Eltern sprachen sich gegen den Antrag auf Entziehung der Obsorge aus, weil das Wohl der Minderjährigen aufgrund des regelmäßig stattfindenden Hausunterrichts nicht gefährdet sei. Das berufliche Fortkommen der Minderjährigen sei nicht gefährdet, weil sie später alles für den Besuch höherer Schulen Notwendige nachholen könne. Sie seien nicht prinzipiell gegen die Schule, das aktuelle Bildungssystem habe aber sehr große Schwächen.
[5] Das Erstgericht wies den Antrag auf teilweise Übertragung der Obsorge auf den KJHT ab. Nach Einvernahme der Sozialarbeiterin und der Eltern sowie Befragung der Minderjährigen traf es – ohne Erhebungen zum Vorhandensein von Verwandten oder anderen zur Ausübung der Obsorge geeigneten Personen – zusammengefasst die oben wiedergegebenen Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht erwog es, dass sich die Eltern in ausreichendem Ausmaß um die Förderung und Bildung der Minderjährigen kümmerten. Dass die Minderjährige weder eine Regelschule besuche noch Externistenprüfungen ablege, verstoße gegen die Schulpflicht. Die mangelnde Rechtstreue der Eltern wirke sich zwar negativ auf ihre Erziehungsfähigkeit aus, allerdings müsste die Minderjährige nach den Feststellungen bei Eingliederung in das reguläre Schulsystem (als einzige Möglichkeit) die dritte Klasse Volksschule besuchen, was sich im Hinblick auf ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre soziale Entwicklung sehr negativ auf sie auswirken, „wohl auch“ eine Demütigung für sie bedeuten würde und daher nicht dem Kindeswohl entspreche.
[6] Das Rekursgericht gab einem Rekurs des KJHT Folge und sprach aus, dass die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung in schulischen Angelegenheiten und damit auch die Vertretung in diesem Bereich den Eltern entzogen und dem KJHT übertragen werde. Es trug den Eltern weiters auf, den KJHT bei der Erfüllung der damit verbundenen Verpflichtungen zu unterstützen und alles zu unterlassen, was dies behindern könnte.
[7] Die Minderjährige sei durch die Verweigerung des Schulbesuchs in ihrem Grundrecht auf Bildung verletzt. Jedes Bestehen im sozialen und beruflichen Umfeld setze den Nachweis gewisser anerkannter Prüfungen zwingend voraus. Die Möglichkeit zur Ablegung von Externistenprüfungen bestehe für die Minderjährige nicht (mehr). Es sei zwar theoretisch denkbar, dass die Minderjährige später einmal eine Lehre oder eine Studienberechtigungsprüfung absolvieren könnte, es sei aber fraglich, ob sie bei ausschließlich häuslichem Unterricht solchen Prüfungssituationen überhaupt gewachsen wäre. Dass der gemeinsame Klassenverband einer 12-Jährigen mit 8- oder 9 jährigen Kindern nicht dem Kindeswohl entspreche, stehe außer Zweifel, allerdings sei die jetzige Situation von den Eltern selbst herbeigeführt worden. Es könne nicht sein, dass das eigenmächtige Handeln der Eltern gewissermaßen zwangsläufig sanktionslos bleibe. Außerdem könne die Minderjährige (auch mehrfach) Schulstufen überspringen.
[8] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Eltern mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Der KJHT hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs ist wegen einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt .
[11] Die Eltern argumentieren, dass eine Kindeswohlgefährdung im schulischen Bereich nicht vorliege. Auch habe das Rekursgericht denkbare gelindere Mittel (Erteilung von Auflagen oder Weisungen) nicht geprüft und unzulässigerweise von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen. Die Annahme des Rekursgerichts, wonach die Minderjährige Prüfungs- und Stresssituationen generell nicht gewachsen sei, sei aktenwidrig.
[12]1. Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen (§ 181 Abs 1 ABGB). Durch eine Verfügung nach § 181 ABGB darf das Gericht die Obsorge nur so weit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist (§ 182 ABGB). Eine Übertragung der Obsorge auf den KJHT kommt nur in Betracht, wenn sich keine Verwandten oder anderen nahestehenden oder sonst geeigneten Personen finden lassen (§ 209 ABGB).
[13] 2. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist damit die Frage, ob eine Gefährdung des Kindeswohls in einem Teilbereich der Pflege und Erziehung – nämlich im Bereich der schulischen Angelegenheiten – vorliegt. Im vorliegenden Fall gefährden die Eltern aus folgenden Gründen das Kindeswohl:
[14]2.1. Die allgemeine Schulpflicht beginnt mit jenem 1. September, der auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres des Kindes folgt (§ 2 Abs 1 SchulpflichtG 1985) und dauert neun Schuljahre (Art 14 Abs 7a B-VG, § 3 SchulpflichtG 1985).
[15] Die allgemeine Schulpflicht ist gemäß § 5 Abs 1 SchulpflichtG 1985 durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.
[16] Nach § 11 Abs 2 SchulpflichtG 1985 kann die Schulpflicht auch durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 SchulpflichtG 1985 genannten Schule mindestens gleichwertig ist. Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem in § 11 Abs 2 SchulpflichtG 1985 genannten Unterricht der Bildungsdirektion am Beginn des Unterrichtsjahres anzuzeigen (§ 11 Abs 3 SchulpflichtG 1985).
[17]Der zureichende Erfolg eines häuslichen Unterrichts ist jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 SchulpflichtG 1985 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Bei Teilnahme am häuslichen Unterricht hat zusätzlich ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien stattzufinden (§ 11 Abs 4 leg cit). Nach dem (verfassungsrechtlich unbedenklichen [VfGH G 3494/2023 ua]) § 11 Abs 6 leg cit hat die Bildungsdirektion die Teilnahme an einem solchen Unterricht (unter anderem also am häuslichen Unterricht) zu untersagen und anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinn des § 5 leg cit zu erfüllen hat, wenn (unter anderem) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in Abs 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben ist (Z 1), das Reflexionsgespräch nicht durchgeführt wurde (Z 3) oder der Nachweis des zureichenden Erfolges vor dem Ende des Unterrichtsjahres nicht erbracht wurde (Z 6). Der in § 11 Abs 6 Z 4 SchulpflichtG 1985 angesprochene Fall, dass eine Prüfung nach § 42 Abs 6 SchUG nicht möglich ist, liegt hier nicht vor.
[18]Die Möglichkeit eines Nachholens von Externistenprüfungen nach § 11 Abs 4 SchulpflichtG 1985 ist in § 42 Abs 14 SchUG so geregelt, dass sie nach gemäß § 11 Abs 6 SchulpflichtG 1985 angeordnetem Schulbesuch innerhalb der ersten beiden Wochen des Schuljahres einmal möglich ist. Das korrespondiert mit § 16 Externistenprüfungsverordnung (BGBl 1980/220 idF BGBl II 2024/204), wonach Prüfungskandidaten für eine Externistenprüfung nach § 1 Abs 1 Z 2a leg cit – das ist (unter anderem) eine solche nach § 11 Abs 4 SchulpflichtG 1985 – um Zulassung der Wiederholung innerhalb der ersten beiden Wochen des folgenden Schuljahres ansuchen können (Abs 1a). Weitere Wiederholungen sind nicht vorgesehen (vgl § 16 Abs 2 letzter Satz Externistenprüfungsverordnung).
[19]2.2. Das Recht des Kindes auf Bildung nach Art 2 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK (vgl auch § 138 Z 11 ABGB) verlangt eine Abwägung zwischen den Interessen der Eltern, ihre Erziehungsmethoden und ihre Weltanschauung durchzusetzen, gegenüber dem Recht des Kindes auf eine ordentliche Ausbildung und dem Anspruch des Staates, seinen Bürgern die Teilhabe an gesellschaftlichen Institutionen zu ermöglichen. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass das Kind jenes Rüstzeug erhält, das es benötigt, um den später an ihn gestellten Anforderungen gerecht zu werden (2 Ob 136/18s [Punkt 3.1.]). Nach § 138 Z 4 ABGB gehört zum Kindeswohl auch die Förderung der Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes, die ohne Pflichtschulabschluss massiv eingeschränkt sind. Der Nachweis darüber ist elementar für ein ansonsten erheblich beeinträchtigtes und dem Kind erschwertes berufliches Fortkommen (6 Ob 45/23w [Rz 34]). Insgesamt geht die Rechtsprechung davon aus, dass Eltern das Kindeswohl (regelmäßig dann) gefährden, wenn sie sowohl den Schulbesuch als auch die bei einem Heimunterricht vorgesehenen Externistenprüfungen ihrer schulpflichtigen Kinder verweigern (RS0132340).
[20] 2.3. Ausgehend davon ist eine aktuelle Gefährdung des Kindeswohls durch das Verhalten der Eltern zu bejahen. Diese haben die Minderjährige über mehrere Jahre hinweg nicht zu Externistenprüfungen angemeldet, obwohl ihnen die Notwendigkeit des erfolgreichen Absolvierens von Externistenprüfungen bei gewünschter Fortführung häuslichen Unterrichts bekannt war. Auch die Feststellungen zum auf Schulfächer bezogenen Wissensstand der Minderjährigen ändern nichts daran, dass das spätere berufliche Fortkommen des Kindes ohne formalen Schulabschluss gefährdet wäre. Zwar ist im Pflichtschulabschluss-Prüfungs-G (BGBl I 2012/72 idgF) die Möglichkeit zum Erwerb der mit dem erfolgreichen Abschluss der 8. Schulstufe bzw der erfolgreichen Erfüllung der ersten acht Jahre der allgemeinen Schulpflicht verbundenen Berechtigungen durch Jugendliche und Erwachsene, welche den Pflichtschulabschluss nicht im Rahmen des Schulbesuches oder sonst durch Externistenprüfungen erlangt haben (§ 1 Abs 1 leg cit), vorgesehen. Das ändert ebenfalls nichts an der aktuellen Gefährdung des Kindeswohls. Eine solche Prüfung könnte nämlich erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres (§ 2 Abs 1 leg cit) – im Fall der Minderjährigen also erst in mehreren Jahren – abgelegt werden. Auch hat bereits das Rekursgericht auf die durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht und die fehlenden Externistenprüfungen bedingte mangelnde Prüfungsroutine der Minderjährigen hingewiesen, ohne dem Kind (aktenwidrig) zu unterstellen, generell keinen Prüfungssituationen gewachsen zu sein.
[21] 3. Allerdings weisen die Eltern im Revisionsrekurs zutreffend darauf hin, dass das Rekursgericht im Vergleich zum teilweisen Entzug der Obsorge weniger eingriffsintensive Alternativen nicht geprüft hat.
[22]3.1. Bei der Anordnung von Maßnahmen im Sinn des § 181 Abs 1 ABGB ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Familienautonomie zu berücksichtigen (7 Ob 144/24p [Rz 20 mwN]). Eine Verfügung, mit der die Obsorge entzogen wird, kommt nur als ultima ratio in Betracht. Zuvor hat das Gericht alle anderen Möglichkeiten zu prüfen, die dem Kindeswohl gerecht werden können. Nur dann, wenn bei einer im Interesse des Kindes gebotenen Beschränkung der Obsorge die jeweils gelindesten Mittel angewandt werden, wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt (3 Ob 67/21f [Rz 22]). Nach Maßgabe dieser Grundsätze erfordert eine Entscheidung über die Entziehung der Obsorge, die einen tiefgreifenden Einschnitt in die Eltern-Kind-Beziehung bedeutet und daher nach strengen Maßstäben zu prüfen ist, eine sorgfältig erhobene Tatsachengrundlage (vgl RS0048699 [insb auch T21]).
[23] 3.2. Im Anlassfall fehlen Erhebungen und Feststellungen zur Frage der Bereitschaft der Eltern zu Maßnahmen zur Einhaltung der Schulpflicht und zur insofern zweifellos erforderlichen Kooperation mit der Bildungsdirektion. Unklar ist nach der Aktenlage auch, ob sich die Eltern in der Vergangenheit rechtskräftigen Bescheiden über die Untersagung von häuslichem Unterricht (beharrlich) widersetzt haben, was der Annahme ihrer Kooperationsbereitschaft entgegenstünde. Schließlich ist aufgrund der unter Punkt 2.1. dargestellten Rechtslage die – nicht auf unmittelbar von der Bildungsdirektion eingeholten Auskünften beruhende – Annahme des Erstgerichts, der Besuch der dritten Schulstufe sei die einzig denkbare Möglichkeit für das Kind, zu einem Pflichtschulabschluss zu gelangen, nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Im fortgesetzten Verfahren wird es daher unter unmittelbarer Beiziehung der zuständigen Bildungsdirektion erforderlich sein, die tatsächlich bestehenden Handlungsoptionen verlässlich zu klären.
[24] Insgesamt ist damit derzeit nicht beurteilbar, ob allenfalls mit den vom KJHT in seinem Antrag primär angestrebten Aufträgen und Auflagen an die Eltern das Auslangen gefunden werden könnte. Bei entsprechender Kooperationsbereitschaft der Eltern käme insbesondere eine sofortige, im Einklang mit dem Kindeswohl stehende Eingliederung der Minderjährigen in den Regelschulbetrieb als gelinderes Mittel zur Abwendung des Obsorgeentzugs in Betracht.
[25]4. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht auch zu beachten haben, dass der KJHT nur subsidiär zu Verwandten, anderen nahestehenden Personen oder sonst besonders geeigneten Personen mit der (Teil-)Obsorge zu betrauen ist (RS0123509). Vor einer allfälligen Übertragung der (Teil-)Obsorge wäre daher zu klären, ob es Verwandte, andere nahestehende Personen oder sonst besonders geeignete Personen gibt, die betraut werden könnten.
[26] 5. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs war damit im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags Folge zu geben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die Sachverhaltsgrundlage im Sinn der Punkte 3. und 4. zu verbreitern und sodann neuerlich zu entscheiden haben. Angesichts der seit dem letzten erfolgreichen Ablegen einer Externistenprüfung bereits verstrichenen Zeit liegt die rasche Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unter Einbindung aller Beteiligten – insbesondere auch eines Vertreters der Bildungsdirektion Niederösterreich zur verlässlichen Klärung der Handlungsalternativen – nahe.