10ObS76/25m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Schrottmeyer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2025, GZ 7 Rs 31/25t 22, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung von Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV in der Zeit von 1. 3. 2016 bis 31. 10. 2023.
[2] Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass der Kläger im genannten Zeitraum unregelmäßige Nachtarbeit im Rahmen eines Schicht oder Wechseldienstes geleistet und dabei insgesamt 73 Schwerarbeitsmonate erworben hat. Zu klären ist nur, ob auch auf Werktage fallende gesetzliche Feiertage als Tage mit fiktiver Schwerarbeit zu berücksichtigen sind, wodurch sich die Zahl der Schwerarbeitsmonate noch erhöhen würde.
[3] Der Kläger steht dabei auf dem Standpunkt, auf gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, sei das sogenannte fiktive Ausfallsprinzip anzuwenden.
[4] Die Vorinstanzen gaben der auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten gerichteten Klage teilweise statt, wiesen sie aber in Ansehung jener Monate ab, in denen der Kläger an gesetzlichen Feiertagen bloß „fiktiv“ gearbeitet hat. Nach der Rechtsprechung könnten zwar auch Zeiten eines Urlaubsverbrauchs oder Krankenstands Schwerarbeitszeiten begründen, wenn der Betroffene ohne diese gearbeitet hätte. Dieses fiktive Ausfallsprinzip könne jedoch nicht auf gesetzliche Feiertage angewandt werden, weil es sich dabei um nach dem Gesetz arbeitsfreie Tage und nicht um (Arbeits )Zeiten handle, die bloß ausfielen.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig.
[6]Das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921; RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn diese durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RS0112769 [T12]; RS0112921 [T23]). Dieser Fall liegt hier vor:
[7]Die in der Revision als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage hat der Senat bereits davor in seiner Entscheidung zu 10 ObS 25/25m, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, mit ausführlicher Begründung geklärt.
[8]Nach der Entscheidung zu 10 ObS 25/25m lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung, die fiktive Schwerarbeitsmonate in Fällen der Arbeitsunterbrechung infolge des Konsums von Urlaub (RS0126110) und (obiter) aufgrund von Krankenstand während der Entgeltfortzahlung (10 ObS 98/20i Rz 32; 10 ObS 103/10k), nicht aber für Zeiten des Bezugs von Krankengeld (10 ObS 98/20i), der Ausübung des Mandats als freigestellte Betriebsrätin (10 ObS 117/16b) oder für Zeitausgleich (10 ObS 85/20b) anerkennt, keine zwingend gebotene Gleichbehandlung von Urlaubs- und gesetzlichen Feiertagen ableiten. Sie entspräche auch nicht dem Zweck des § 4 Satz 2 SchwerarbeitsV, Versicherten, die besonders belastende Tätigkeiten iSd § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV ausüben, vor dem Verlust eines Schwerarbeitsmonats zu bewahren, nur weil eine (kurzfristige) Arbeitsunterbrechung vorliegt. Aus dem grundsätzlichen Ziel der SchwerarbeitsV, den Erwerb von Schwerarbeitszeiten nur dann zu ermöglichen, wenn Schwerarbeit auch tatsächlich geleistet wird, folgt, dass davon nicht jede nach dem Wortlaut mögliche „Unterbrechung“ der Arbeit erfasst werden soll. Vielmehr sollen Versicherte generell nur dann geschützt werden, wenn für sie Arbeitszeit „ausfällt“. Damit scheiden von vornherein arbeitsfreie Tage, bei denen es wie bei der Feiertagsruhe zum „Entfall“ der Arbeitszeit kommt, aus. Nach der Teleologie des § 4 Satz 2 SchwerarbeitsV muss der „Ausfall“ überdies auf den jeweiligen Versicherten individuell treffende Unwägbarkeiten beruhen und nicht etwa auf freiwilligen Entscheidungen (zB Mandatsausübung als freigestellter Betriebsrat) oder gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Abgeltung geleisteter Dienste (zB Zeitausgleich). Gesetzliche Feiertage, die im jeweiligen Betrieb generell arbeitsfrei sind, erfüllen beide Kriterien nicht. Es wäre auch ein nicht erklärbarer Wertungswiderspruch, die Feiertagsruhe insofern anders zu behandeln als andere gesetzliche Ruhezeiten, die nach der Rechtsprechung keine Schwerarbeitszeiten begründen (vgl 10 ObS 81/22t Rz 27).
[9] Das Ergebnis zu 10 ObS 25/25m deckt sich mit der Rechtsansicht der Vorinstanzen. Die in der Revision angestellten rechtlichen Erwägungen, die der Argumentation des Revisionswerbers zu 10 ObS 25/25m entsprechen, geben keinen Anlass, von dieser Entscheidung abzugehen.
[10]Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).