6Ob118/25h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* GmbH Co KG, FN *, vertreten durch Starlinger Mayer Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wider die beklagte Partei S*, vertreten durch Lattenmayer, Luks Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 56.179,08 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Juni 2025, GZ 39 R 58/25f 43, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1]Gegenstand des Verfahrens ist die Rückforderung von – wegen des behaupteten Vorliegens von Mietzinsminderungsansprüchen nach § 1096 Abs 1 ABGB – zuviel bezahltem Mietzins für das Jahr 2023.
[2] Die Klägerin mietete die Bestandfläche „für gewerbliche Zwecke“ in den Jahren 1981/1982 an. Es wurde in den schriftlichen Mietverträgen weder von der Vermieterin eine Nichtverbauung der „Nachbargrundstücke“ zugesagt, noch wurden bestimmte Betriebszeiten, eine bestimmte Betriebsart oder eine bestimmte Strukturierung des Betriebs vereinbart. Mündliche Nebenabreden zur Nutzung der Bestandfläche oder des Betriebs stehen nicht fest.
[3] Seit der (Ende 2022 fertiggestellten) Verbauung der im Eigentum der Beklagten stehenden Nachbarliegenschaft mit einer Wohnhausanlage (durch eine Bauträgergesellschaft aufgrund eines Baurechts) wird der auf der Bestandfläche betriebene „Altmetallbetrieb“ unter Auflagen ausgeübt. Auch nach der Umstrukturierung des Betriebs können sämtliche metallischen Lärmarbeiten und sämtliche Tätigkeiten des Altmetallbetriebs weiterhin auf der Bestandfläche durchgeführt werden, dies aber mit geringerer Menge und geringerer Kapazität, weshalb „schneller umgeschlagen“ werden muss und ein vermehrter Logistikaufwand besteht. Eine Änderung der Öffnungszeiten wurde weder vorgeschrieben noch wurden die Öffnungszeiten verändert. Eine Einschränkung des Anlieferverkehrs steht nicht fest.
[4] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die außerordentliche Revision zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf:
[6]1. Gemäß § 1096 Abs 1 ABGB ist der Mieter – wenn das Bestandstück nicht zum bedungenen Gebrauch „taugt“ – „für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit“.
[7]Die für die Anwendung von § 1096 Abs 1 ABGB maßgebliche „Brauchbarkeit“ einer Bestandsache richtet sich nach dem Vertragszweck und muss nach ständiger Rechtsprechung eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt. Mangels anderer Vereinbarung ist eine mittlere (durchschnittliche) Brauchbarkeit anzunehmen (RS0020926; RS0021054).
[8]Die Beurteilung der Brauchbarkeit wirft, weil es dafür stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (vgl 4 Ob 143/23t [Rz 4]; 2 Ob 179/24y [Rz 9]).
[9]Für den vorliegenden Fall ist zudem auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach der Mieter zwar verlangen kann, dass er vom Vermieter und von Dritten im bedungenen Gebrauch des Bestandgegenstands nicht wesentlich beeinträchtigt (gestört) wird, nicht aber, dass alle im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestandenen Umstände erhalten bleiben (RS0020975).
[10] 2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, es sei hier mittlere Brauchbarkeit der Bestandfläche „zu gewerblichen Zwecken“ geschuldet und diese auch nach der Verbauung weiterhin gegeben, zumal keine wesentliche Einschränkung des Betriebsumfangs hinzunehmen sei, bedarf keiner Korrektur. Die Überlegung des Berufungsgerichts, es sei die nachträgliche Verbauung bisher unbebauter Nachbargrundstücke (hier nach 40 Jahren) ein Umstand, mit dem im städtischen Gebiet jederzeit gerechnet werden müsse, und es löse die (gewöhnliche) Bebauung eines Nachbargrundstücks daher per se keinen Mietzinsminderungsanspruch des Bestandnehmers aus, auch wenn der frühere Zustand für den Bestandnehmer vorteilhafter gewesen sein mag, lässt sich schon aufbisherige Judikatur zurückführen (vgl 7 Ob 253/09w).
[11]Ein Anspruch auf Mietzinsminderung wegen der Verbauung der Nachbarliegenschaft besteht hier auch nicht, weil der Vermieter selbst der Eigentümer der angrenzenden Grundstücke ist: Eine Vereinbarung über eine bestimmte Nutzung(sart) der Bestandfläche über die allgemeine Wendung „zu gewerblichen Zwecken“ hinaus steht nicht fest. Eine für den bedungenen Zweck mittlere Brauchbarkeit der Bestandsache nach § 1096 Abs 1 ABGB ist nach wie vor gegeben. Die Frage der Einhaltung von Schutz- und Sorgfaltspflichten durch die Vermieterin stellt sich im Rahmen der Überprüfung der Berechtigung eines Anspruchs auf Mietzinsminderung damit nicht.