8Ob6/25b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners B* S*, vertreten durch Dr. Wolfgang Auer, Rechtsanwalt in Salzburg, über den Rekurs des Masseverwalters Dr. Gerhard Haslbauer, Rechtsanwalt in Laakirchen, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 27. November 2024, GZ 2 R 158/24d 38, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 28. Oktober 2024, GZ 20 S 119/23k 28, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
[1] Mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom 7. 12. 2023 wurde über das Vermögen des Schuldners das Konkursverfahren eröffnet und Dr. Gerhard Haslbauer, Rechtsanwalt in Laakirchen, zum Masseverwalter bestellt. In der Berichtstagsatzung am 7. 3. 2024 wurde die Fortführung des Unternehmens beschlossen.
[2] Der Schuldner ist Eigentümer der privat genutzten Liegenschaft EZ * samt dem darauf errichteten Einfamilienhaus, die hypothekarisch belastet ist.
[3] Nachdem der Schuldner einen (verbesserten) Sanierungsplanvorschlag vorgelegt hatte, der eine Quote von 100 %, zahlbar in drei Raten binnen 2 Jahren, vorsah, trug das Erstgericht dem Masseverwalter mit Beschluss vom 14. 8. 2024, ON 16, auf, mit der Verwertung des schuldnerischen Vermögens bis zur gegenteiligen gerichtlichen Anordnung innezuhalten.
[4] Über Anregung des Masseverwalters ordnete diesem das Erstgericht mit Beschluss vom 19. 8. 2024 einen Gläubigerausschuss bei.
[5] Nach dem Protokoll der Sitzung des Gläubigerausschusses vom 29. 8. 2024, bei der der Schuldner und dessen Vertreter anwesend waren, wies der Masseverwalter darauf hin, dass sich „das derzeitige Bestbot“ für die genannte Liegenschaft auf 711.000 EUR belaufe und dieses „im Zuge des Freihandverkaufs möglicherweise noch überboten“ werde. Der Verkehrswert sei von der beigezogenen Sachverständigen auf 580.000 EUR geschätzt worden. Der Masseverwalter erörterte, dass die Gläubiger bei einer Veräußerung der Liegenschaft mit einer zeitnahen Deckung ihrer gesamten Forderung rechnen könnten. Nachdem die Hauptgläubigerin erklärt hatte, sie werde dem Sanierungsplanvorschlag nicht zustimmen, hielt der Masseverwalter fest, dass angesichts der vollen Deckung der Absonderungsgläubigerin der Sanierungsplanvorschlag nicht angenommen werde. Daraufhin fasste der Gläubigerausschuss einen Beschluss, mit dem er das Erstgericht aufforderte, seinen Beschluss vom 14. 8. 2024, ON 16, im Sinne der weiteren Betreibung der Veräußerung der Liegenschaft abzuändern, und festhielt, dass die Liegenschaft „nach Rechtskraft des Beschlusses ON 16“ ohne zeitliche Verzögerung freihändig verwertet werde. Zu diesem Zweck habe „der Insolvenzverwalter das bei ihm erliegende Bestbot innerhalb der Bindungsfrist anzunehmen und danach unverzüglich einen verbücherungsfähigen Kaufvertrag mit dem Bestbieter abzuschließen, jedoch nicht unter € 710.000,00“.
[6] Gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 30. 8. 2024, mit dem es aussprach, dass die Verwertung der Liegenschaft fortzusetzen sei, erhob der Schuldner Rekurs, dem mit Beschluss des Rekursgerichts vom 17. 9. 2024, den Parteien zugestellt am 10. 10. 2024, nicht Folge gegeben wurde.
[7] Bereits am 23. 9. 2024 teilte der Masseverwalter dem Erstgericht mit, dass er das Höchstbot, lautend auf Bezahlung eines Kaufpreises von 715.000 EUR, mittlerweile angenommen habe. Der Anbotsteller habe einen vom Masseverwalter erstellten Kaufvertrag in grundbuchsfähiger Form unterfertigt. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses hätten der Anbotsannahme ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt.
[8]Mit Schriftsatz vom 17. 10. 2024 beantragte der Masseverwalter die gerichtliche Genehmigung dieses am 20. 9. 2024 unterfertigten Kaufvertrags. Er wies auf die Veröffentlichung des Schätzgutachtens in der Ediktsdatei für einen längeren Zeitraum als 14 Tage und darauf hin, dass das Höchstbot von 715.000 EUR nicht mehr überboten worden sei. Die Absonderungsgläubigerin habe dem Kaufvertrag die Zustimmung erteilt. Der anwaltlich vertretene Schuldner stimme dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft nicht zu. Dieser Schriftsatz, dem der Kaufvertrag beigelegt war, enthielt den Hinweis iSd § 112 ZPO, dass eine Gleichschrift dem Vertreter des Schuldners und den Mitgliedern des Gläubigerausschusses direkt übermittelt wurde.
[9]Am 28. 10. 2024 legte der Masseverwalter Erklärungen sämtlicher Mitglieder des Gläubigerausschusses vor, mit dem diese jeweils dem abgeschlossenen Kaufvertrag ihre Genehmigung erteilten. Auch dieser mit „Vorlage des Genehmigungsbeschlusses des Gläubigerausschusses“ betitelte Schriftsatz enthielt einen gleichartigen Hinweis iSd § 112 ZPO.
[10] Das Erstgerichtbewilligte die freiwillige Veräußerung der Liegenschaft gemäß § 117 Abs 1 Z 3 IO. Der vereinbarte Kaufpreis liege über dem Schätzwert und es seien alle verfahrensrelevanten Bestimmungen (§ 117 Abs 2 und § 120 Abs 2 IO) eingehalten worden. Der Schuldner sei vom Masseverwalter angehört worden und stimme dem Verkauf nicht zu. Trotzdem sei der Verkauf zu genehmigen, weil er dem Zweck eines Insolvenzverfahrens entspreche, nämlich einer bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger.
[11] Über Rekurs des Schuldners hob das Rekursgerichtdiesen Beschluss zur Verfahrensergänzung auf. Es sei ein in § 118 Abs 2 IO gelegener Mangel aufzugreifen, der in Handlungen des Masseverwalters iSd § 118 Abs 1 IO wurzle. Gemäß § 89 Abs 3 erster Satz IO sei der Schuldner (nachweislich) und mit dem Hinweis, dass er an dieser teilnehmen könne, von der Gläubigerausschusssitzung zu verständigen gewesen. Nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers müsse dem Schuldner Gelegenheit zur Anhörung in einer Sitzung gegeben werden. Ein derartiger Vorgang sei vom Masseverwalter in seinem Antrag auf konkursgerichtliche Genehmigung nicht dargelegt worden. Aufgrund dieser Vorgänge im freiwilligen Veräußerungsverfahren sei es seitens des Insolvenzgerichts iSd § 118 Abs 2 IO geboten gewesen, dem Schuldner Gelegenheit zur Äußerung zum beabsichtigten Vorgehen zu geben. Dafür, dass dies nicht rechtzeitig möglich gewesen wäre, liege kein Anhaltspunkt vor. Die Beschlussfassung des Erstgerichts noch am selben Tag, an dem bei ihm die Vorlage des Genehmigungsbeschlusses des Gläubigerausschusses eingelangt sei, werde dem nicht gerecht.
[12] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die rekursgerichtliche Entscheidung nur auf Lehrmeinungen, nicht aber höchstgerichtliche Judikatur gestützt sei.
[13] Der Masseverwalter beantragt in seinem Rekurs, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
[14] Der Rekurs ist zulässig , weil zu den Anforderungen an die Anhörung des Schuldners nach § 89 Abs 3 erster Satz iVm § 117 Abs 1 Z 3 sowie § 118 Abs 1 und 2 IO keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt. Er ist aber nicht berechtigt .
[15]1.1. Gemäß § 117 Abs 1 Z 3 IO bedarf die freiwillige Veräußerung oder Verpachtung einer unbeweglichen Sache ohne Rücksicht auf den Wert des Gegenstands der Genehmigung des Gläubigerausschusses und des Insolvenzgerichts. Nach § 118 Abs 1 IO hat der Insolvenzverwalter dem Schuldner Gelegenheit zu geben, sich zu den in § 117 IO bezeichneten Angelegenheiten zu äußern und das Ergebnis oder die einer solchen Äußerung entgegenstehenden Hindernisse dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht mitzuteilen. § 89 Abs 3 erster Satz IO legt schließlich fest, dass der Gläubigerausschuss vom Insolvenzgericht oder vom Insolvenzverwalter schriftlich einzuberufen ist, wobei in den Fällen des § 117 IO auch der Schuldner mit dem Hinweis zu verständigen ist, dass ihm eine Teilnahme an der Sitzung freisteht.
[16] 1.2. Die Anhörung des Schuldners dient einerseits einer Informationsgewinnung im Gläubigerinteresse, andererseits der Wahrung der Interessen des Schuldners, dem zu einer Entscheidung von potentiell großen wirtschaftlicher Tragweite rechtliches Gehör (iwS) zu gewähren ist (vgl Jelinek in Koller/Lovrek/Spitzer IO 2 [2022] § 118 Rz 3 f; G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht 4 [2006] § 118 KO Rz 1, jeweils mwN).
[17]1.3. Bei genehmigungspflichtigen Geschäften iSd § 117 IO ist dem Schuldner die Möglichkeit zur Äußerung im Rahmen einer Sitzung des Gläubigerausschusses einzuräumen ( Jelinek aaO § 117 Rz 53 mwN). Dies ermöglicht es dem Schuldner, seine Stellungnahme auch erst in der Sitzung abzugeben. Selbst dann, wenn er sich schon vor der Sitzung geäußert hat, ist er zu verständigen und teilnahmeberechtigt ( Jelinek aaO § 117 Rz 52 mwN).
[18] 1.4. Wie genau die Information zu sein hat, die dem Schuldner mitzuteilen ist, wird im Schrifttum wie folgt beantwortet: Jelinek (aaO § 118 Rz 6 mwN) meint, dem Schuldner sei (ebenso wie sodann dem Gläubigerausschuss) das konkrete Vorhaben mitzuteilen; nur dies entspreche dem Zweck der Anhörung. G. Kodek (aaO § 118 KO Rz 12) vertritt die Auffassung, nur der wesentliche Inhalt des Geschäfts müsse dargelegt werden, wobei zudem der Erwerber nicht genannt werden müsse, wenn dadurch Nachteile zu befürchten seien. Nach Poltsch/Übertsroider ( Aktuelles zum Freihandverkauf und Überbot, ZIK 2018/63 [60] ) bedarf es der Information über die wesentlichen Eckpunkte des beabsichtigten Verkaufs.
[19] 1.5. Unabhängig von der Frage der genauen Ausformung der Mitteilung besteht in der Lehre jedenfalls dahin Übereinstimmung, dass Informationen über die wesentlichen Punkte des (konkret) beabsichtigten Geschäfts zu geben sind. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
[20] 1.6.1. Im Revisionsrekurs macht der Masseverwalter primär geltend, die Anhörung des Schuldners sei in der Sitzung des Gläubigerausschusses am 29. 8. 2024 ordnungsgemäß erfolgt.
[21] 1.6.2. Die dabei gegebene Information reicht jedoch im Sinn der obigen Ausführungen nicht aus. Die bloße Bekanntgabe der Höhe eines „derzeitigen Bestbots“, das „möglicherweise noch überboten“ werde, erfüllt die genannten Kriterien für eine gesetzeskonforme Anhörung des Schuldners jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – im Zeitpunkt dieser Information mit Gerichtsbeschluss eine Innehaltung des Veräußerungsvorgangs verfügt ist und der Gläubigerausschuss im Einvernehmen mit dem Masseverwalter eine Fortsetzung der Veräußerung erst mit Rechtskraft der diesen Beschluss abändernden Entscheidung in Aussicht nimmt.
[22] 1.7.1. Außerdem argumentiert der Masseverwalter, auch die Übermittlung einer Gleichschrift des Genehmigungsantrags vom 17. 10. 2024 habe dem Schuldner die Möglichkeit geboten, rechtzeitig zu replizieren.
[23]1.7.2. Für eine dem § 118 Abs 1 IO entsprechende Mitteilung ist es allerdings erforderlich, dass der Schuldner unter Setzung einer Frist zur Äußerung über das konkrete Vorhaben aufgefordert wird ( G. Kodek aaO § 118 KO Rz 9; Jelinek aaO § 118 Rz 7).
[24]1.7.3. Hier wurde der Schuldner durch den Genehmigungsantrag weder zu einer Stellungnahme aufgefordert, noch wurde ihm eine Frist gesetzt. Dies führte dazu, dass die ohnehin bloß 11 Tage später beim Insolvenzgericht eingebrachte Stellungnahme des Schuldners vom 28. 10. 2024 erst kurz nach Erlassung des Bewilligungsbeschlusses eingelangt ist. Die Übermittlung der Gleichschrift des Genehmigungsantrags genügt daher ebenfalls nicht den Anforderungen des § 118 Abs 1 IO.
[25] 1.8. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass eine gesetzeskonforme Anhörung des Schuldners durch den Masseverwalter nicht erfolgt ist.
[26]2.1. Gemäß § 118 Abs 2 IO hat das Insolvenzgericht dem Schuldner, soweit dies rechtzeitig möglich und im Hinblick auf Abs 1 leg cit noch geboten ist, Gelegenheit zur Äußerung (§ 259 Abs 3 IO) zu geben.
[27] 2.2. Eine solche Anhörung durch das Gericht hat daher insbesondere dann zu erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter den Schuldner nicht – oder nicht ausreichend – zur Äußerung aufgefordert hat ( G. Kodek aaO § 118 KO Rz 15; Jelinek aaO § 118 Rz 10).
[28]2.3. Da keine entsprechende Anhörung des Schuldners durch den Masseverwalter erfolgt war, war das Erstgericht verhalten, entweder selbst die Anhörung des Schuldners durchzuführen oder dem Masseverwalter eine Weisung (§ 84 Abs 3 IO) zur ordnungsgemäßen Vorgangsweise zu erteilen (vgl Jelinek aaO § 118 Rz 10).
[29] 2.4. Dass das Erstgericht keine dieser Maßnahmen gesetzt, sondern seinen Genehmigungsbeschluss unmittelbar nach Vorlage der Zustimmungserklärungen der Mitglieder des Gläubigerausschusses gefasst hat, hat das Rekursgericht zutreffend als Verfahrensmangel (vgl G. Kodek aaO § 118 KO Rz 18; Jelinek aaO § 118 Rz 13) erkannt und folgerichtig den erstgerichtlichen Beschluss zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgehoben.