7Ob124/25y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen 75.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Juni 2025, GZ 2 R 75/25z 32, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger hat mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag aus der Sparte der privaten Unfallversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag liegen die AUVB 2018 zugrunde, die unter anderem folgende Bestimmungen enthalten:
„ Abschnitt A
Versicherungsschutz
Artikel 1 – Was ist versichert?
Gegenstand der Versicherung
Wir bieten Versicherungsschutz, wenn der versicherten Person ein Unfall zustößt.
Die Leistungen, die versichert werden können, ergeben sich aus Abschnitt B.
[…]
Artikel 2 – Was gilt als Versicherungsfall?
Versicherungsfall
Versicherungsfall ist der Eintritt eines Unfalles (Art 6, Begriff des Unfalles)
[…]
Artikel 6 – Was ist ein Unfall?
Begriff des Unfalles
1. Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.
[…]
3. Krankheiten gelten nicht als Unfälle, übertragbare Krankheiten auch nicht als Unfallfolgen.Dies gilt nicht für Kinderlähmung und die durch Zeckenbiss übertragene Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) und Borreliose im Rahmen der Bestimmungen des Art. 14 Pkt. 1.1.
[…]
Abschnitt B:
Versicherungsleistungen
Artikel 7 – Welche Leistungen können bei dauernder Invalidität versichert werden?
1. Dauernde Invalidität mit Kapitalleistung
1.1 Welche Voraussetzungen bestehen für die Leistung und in welcher Art erfolgt die Leistung?
- Die versicherte Person ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Funktionsfähigkeit (dauernde Invalidität) durch den Unfall beeinträchtigt.
[...]
- Die Invaliditätsleistung zahlen wir – unabhängig vom Alter der versicherten Person – als Kapitalbetrag.
[...]
1.3 Wie wird die Invaliditätsleistung berechnet?
Die Höhe der Invaliditätsleistung errechnet sich aus der vereinbarten Versicherungssumme mal dem festgestellten Invaliditätsgrad (in %), ausgehend vom Gesamtkörperwert (100%).
1.4 Wie wird der Invaliditätsgrad bemessen?
1.4.1 Bei völligem Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich die folgenden Invaliditätsgrade:
eines Armes 70 %
eines Daumens 20 %
eines Zeigefingers 10 %
eines anderen Fingers 5 %
eines Beines 70 %
einer großen Zehe 5 %
einer anderen Zehe 2 %
der Sehkraft beider Augen 100 %
der Sehkraft eines Auges 50 %
des Gehörs beider Ohren 60 %
des Gehörs eines Ohres 30 %
des Geruchsinnes 10 %
des Geschmacksinnes 10 %
der Milz 10 %
einer Niere 20 %
beider Nieren 40 %
1.4.2 Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes.
1.4.3 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Funktionsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
[…]
Artikel 14 – Was zahlen wir zusätzlich?
Sonderleistungen, Zusatzleistungen
1. Welche Sonderleistungen werden zusätzlich zu den vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht?
Falls Dauernde Invalidität mit Kapitalleistung (gemäß Art. 7 Pkt. 1) versichert ist, gelten die Sonderleistungen gemäß Art. 14 Pkt. 1.1 bis 1.5 als vereinbart.
1.1 Welche Sonderleistung erfolgt bei Kinderlähmung, Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) und Borreliose?
Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf die Folgen der Kinderlähmung und der durch Zeckenbiss übertragenen Frühsommer-Meningoencephalitis und Borreliose, wenn die Erkrankung serologisch festgestellt und frühestens 15 Tage nach Beginn, jedoch spätestens 15 Tage nach Erlöschen der Versicherung, zum Ausbruch kommt.
Als Krankheitsbeginn (Zeitpunkt des Versicherungsfalles) gilt der Tag, an dem erstmals ein Arzt wegen Symptomen – wenn auch später – der als Kinderlähmung oder Frühsommer-Meningoencephalitis oder Borreliose diagnostizierten Krankheit konsultiert wurde.
Eine Leistung wird von uns nur für dauernde Invalidität (gemäß Art. 7 Pkt. 1) oder Tod (gemäß Art. 8) erbracht. Die Leistung bleibt im Rahmen der vereinbarten Versicherungssumme mit € 75.000,- begrenzt.
[...] “
[2] Die Vorinstanzen haben die Klage auf Leistung von 75.000 EUR aus dem Unfallversicherungsvertrag des Klägers bei der Beklagten als unschlüssig abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Kläger zeigt mit seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[4] 1. Eine private Unfallversicherung im Sinn der §§ 179 ff VersVG dient der Abdeckung bestimmter Folgen aus Unfällen, insbesondere auch der einer eingetretenen dauernden Invalidität. Für die Bemessung des Invaliditätsgrades werden in der „Gliedertaxe“ (Art 7.1.4.1 AUVB 2018) bestimmte Körperteile und Organe aufgezählt. Für den Fall einer dauernden Invalidität des Versicherten hat der Versicherer die sich aus der Versicherungssumme und dem Grad der Invalidität zu berechnende Versicherungsleistung zu erbringen. Die zwischen den Streitteilen in Art 7.1.4.1 AUVB 2018 vereinbarte Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei völligem Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit des mit ihr benannten Glieds, Organs oder Sinnesorgans. Die Funktions- oder Gebrauchsunfähigkeit wird in Bruchteilen der vollen Gebrauchsunfähigkeit ausgedrückt. Der in der Gliedertaxe vorgesehene Prozentsatz wird entsprechend dieses Bruchteils vermindert. Nach Art 7.1.4.2 AUVB 2018 wird bei teilweisem Verlust oder teilweiser Funktions- oder Gebrauchsunfähigkeit der entsprechende Teil des Prozentsatzes angenommen. In den AUVB wird aber auch für den Fall Vorsorge getroffen, dass sich der Invaliditätsgrad danach nicht bestimmen lässt. Dann ist nach Art 7.1.4.3 AUVB 2018 maßgebend, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt nach medizinischen Gesichtspunkten beeinträchtigt ist (vgl 7 Ob 190/21y zu den AUVB 2012, 7 Ob 204/20f zu den AUB 2013, Fassung 2015, je mwN).
[5] 2. Zur Klärung dieser Fragen ist vom Kläger Vorbringen dazu zu erstatten, welche Glieder oder (Sinnes )Organe in welcher Weise in ihrer Funktions- oder Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigt sind oder inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit beim Kläger beeinträchtigt ist. Erst aufgrund dieses Vorbringens ist – etwa mittels Sachverständigenbeweises – zu klären, ob die konkret behaupteten Beeinträchtigungen tatsächlich vorliegen.
[6] Hier hat der Kläger in erster Instanz nur in allgemeiner Form von „Folgeschäden“ gesprochen und auf kausale Hüfttransplantationen hingewiesen ohne darzulegen, inwiefern er davon konkret betroffen und dauerhaft beeinträchtigt im Sinne der Versicherungsbedingungen ist. Wenn die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund die Unschlüssigkeit des Begehrens bejaht haben, ist dies nicht korrekturbedürftig (vgl RS0116144; RS0037780).
[7] 3. Der Kläger geht im Übrigen auch in seiner Revision nach wie vor von der irrigen Annahme aus, bei der Betragsbegrenzung von 75.000 EUR in dieser Bestimmung handle es sich um einen – unabhängig vom jeweiligen Invaliditätsgrad – jedenfalls auszuzahlenden Fixbetrag, was sich mit dem Inhalt der Bedingungen der Beklagten nicht vereinbaren lässt.
[8] 4. Die Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen.