JudikaturOGH

5Ob186/24z – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. August 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* AG, *, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M* Limited, *, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 52.311,28 EUR sA, im Verfahren über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2024, GZ 16 R 74/24f 31, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. März 2024, GZ 57 Cg 47/23k 26, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Limited mit Sitz in Malta und bietet über eine von ihr betriebene Website Dienstleistungen auf dem Gebiet des Glücksspiels auch in Österreich an. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.

[2] Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Sie kaufte einem in Österreich wohnhaften Spieler sämtliche Erstattungs und Schadenersatzansprüche ab, die diesem im Zusammenhang mit der Nutzung des Glücksspielangebots der Beklagten zustehen. Im Gegenzug trat der Spieler diese Ansprüche an die Klägerin ab, welche die Zession annahm.

[3] Die Klägerin macht die ihr abgetretenen Schadenersatzansprüche des Spielers in der Höhe von 52.311,28 EUR sA geltend.

[4] Die Beklagte erhob die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. Darüber hinaus bestritt sie die Klage und beantragte deren Abweisung.

[5] Das Erstgericht sprach seine internationale Unzuständigkeit für die auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Ansprüche aus und verwarf die Einrede der internationalen Unzuständigkeit für die auf deliktischen Schadenersatz gestützten Ansprüche. In der Sache wies es die Klage ab.

[6] Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung Folge, hob das Urteil des Erstgerichts auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu.

[7] Gegen diese Entscheidung erhob die Beklagte Rekurs. Nach dessen Vorlage an den Obersten Gerichtshof wurde über das Vermögen der Klägerin am 5. 3. 2025 beim Konkursamt St. Gallen in der Schweiz ein Konkursverfahren (Konkursnummer 20250195) eröffnet, das seit 7. 3. 2025 beim Konkursamt St. Gallen öffentlich einsehbar ist (Meldungsnummer KK01 0000046995 im Schweizerischen Handelsamtsblatt SHAB).

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Nach Schweizer Konkursrecht verliert mit Konkurseröffnung die Schuldnerin – konkret die konkursite Gesellschaft und deren Organe – das Verfügungsrecht über ihr Vermögen; dieses geht auf die Konkursverwaltung bzw Gläubigergesamtheit über. Zivil- und Verwaltungsverfahren, in denen die Schuldnerin Partei ist und die den Bestand der Konkursmasse berühren, werden von Ausnahmen abgesehenmit der Konkurseröffnung eingestellt (Art 207 des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG]; vgl auch 8 Ob 21/22d mwN).

[9] 2.1.Gemäß § 221 Abs 1 IO gilt für Insolvenzverfahren, die Voraussetzungen für ihre Eröffnung und ihre Wirkungen – soweit in den §§ 222 bis 235 IO nichts anderes bestimmt ist – das Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus). Eine vergleichbare Regelung enthält auch Art 7 der Verordnung (EU) 2015/848 vom 20. 5. 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über eine Sache oder ein Recht der Masse ist nach § 231 IO das Recht des Staats maßgebend, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen Art 18 EuInsVO. Unter Art 18 EuInsVO bzw § 231 IO fällt jedenfalls eine allfällige Unterbrechungswirkung und -dauer einschließlich der Regelung der Fortsetzung (RS0119846; 8 Ob 21/22d mwN; 1 Ob 78/24p; Trenker in Koller/Lovrek/Spitzer, IO 2 [2022] § 18 EuInsVO Rz 9; Trenker in Laimer, IPR Praxiskommentar [2024] § 231 IO Rz 1 f).

[10] 2.2.Die Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens auf anhängige massebezogene Rechtsstreitigkeiten richten sich daher jedenfalls nach österreichischem Recht, weil sowohl das österreichische Internationale Insolvenzrecht als auch die EuInsVO zu diesem Ergebnis führen (1 Ob 78/24p mwN).

[11] 3.1.Nach § 7 Abs 1 IO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO genannten Streitigkeiten, unterbrochen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und ihre Wirkungen sind auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (RS0036752 [T12, T32]).

[12] 3.2.Voraussetzung für die Unterbrechung iSd § 7 IO ist, dass das Schweizer Konkursverfahren in Österreich anzuerkennen ist. Für die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren ist kein besonderes Verfahren vorgesehen; sie erfolgt ipso iure und ist daher in jedem Verfahren als Vorfrage zu beurteilen (VwGH 2013/15/0062; Oberhammer in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 240 KO Rz 4 [Stand 1. Juni 2007, rdb.at]).

[13]Gemäß § 240 Abs 1 IO werden die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens und die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen in Österreich anerkannt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im anderen Staat liegt (Z 1) und das Insolvenzverfahren in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar ist, insbesondere österreichische Gläubiger wie Gläubiger aus dem Staat der Verfahrenseröffnung behandelt werden (Z 2).

[14]Das Konkursverfahren in der Schweiz ist in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar und werden insbesondere österreichische Gläubiger wie Gläubiger aus der Schweiz behandelt, sodass das Schweizer Konkursverfahren im vorliegenden Fall in Österreich anzuerkennen ist (vgl 8 Ob 21/22d mwN).

[15] 4.Daraus folgt, dass das Verfahren gemäß § 7 Abs 1 IO unterbrochen wurde. Zwar ist das Konkursverfahren in der Schweiz mittlerweile beendet. Die Fortsetzung des Verfahrens bedarf aber auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eines Aufnahmeantrags und eines Aufnahmebeschlusses; das unterbrochene Verfahren wird nicht schon durch die Insolvenzaufhebung wieder aufgenommen(RS0037218; 9 Ob 321/98s ; 4 Ob 74/09z ; Gitschthaler in Rechberger/Klicka , ZPO 5[2019] § 159 ZPO Rz 11 ; §§ 164–166 Rz 5 ; Jelinek in Koller/Lovrek/Spitzer, IO 2 [2022] § 7 Rz 34 ). DerAkt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen (vgl RS0037039; RS0036752).