5Ob79/25s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. A* GmbH, *, 2. DI G*, 3. M*, 4. V* OG, *, 5. Al*, alle vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. E*, 2. Mag. C*, 3. Mag. S*, 4. H*, 5. D*, 6. Mag. Dr. M*, 7. Mag. K*, 8. Arch. DI C*, alle vertreten durch Mag. Birgit Noha, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 9 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. März 2025, GZ 39 R 257/24v 21, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Parteien sind Mit und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft.
[2] Beim Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags im Jahr 2000 war das Objekt „Wohnung top 8“ als Dienstwohnung der seit Jänner 1978 für das Haus tätigen Hausbesorgerin genutzt; im Wohnungseigentumsvertrag war sie (dennoch) als Wohnung top 8 mit 60/1369 Anteilen aufgenommen. Im Jahr 2009 setzte die Schlichtungsstelle die Nutzwerte der Liegenschaft über Antrag neu dahin fest, dass die Nutzwerte der top 8 „auf null gesetzt“ wurden. Dem lag zugrunde, dass sich alle damaligen Wohnungseigentümer damit einverstanden erklärt hatten, die (Hausbesorger )Wohnung top 8 als allgemeinen Teil der Liegenschaft zu widmen. Diese Entscheidung der Schlichtungsstelle wurde rechtskräftig.
[3] Im Jahr 2021 verstarb die Hausbesorgerin und die Wohnungseigentümer entschieden sich dafür, kein neues Hausbesorger Dienstverhältnis abzuschließen. Sie konnten sich allerdings nicht darüber einigen, ob die Wohnung top 8 weiterhin als allgemeiner Teil der Liegenschaft genutzt oder als Wohnungseigentumsobjekt in die alleinige Nutzung der Erstantragstellerin übergeben werden sollte.
[4] Die Antragsteller beantragten (bei der Schlichtungsstelle und anschließend beim Erstgericht) die Neufestsetzung der Nutzwerte für die Liegenschaft „und insbesondere die Festsetzung der Nutzwerte für die Wohnung top 8“. Eine Nutzung der top 8 als Hausbesorgerwohnung sei nicht mehr gegeben und auch nicht mehr geplant. Die Wohnung stehe nun „wieder im freien und unbeanstandeten Besitz der bücherlichen Eigentümerin“; damit liege „zumindest eine konkludente Zustimmung alle Mit und Wohnungseigentümer zur Widmungsänderung“ vor.
[5] Die Antragsgegner wendeten ein, die beantragte Neufestsetzung der Nutzwerte setze eine Widmungsänderung voraus, eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer dazu liege aber nicht vor.
[6] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerinnen nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der außerordentliche Revisionsrekurs dagegen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[9]1.1 Die Festsetzung der Nutzwerte hat in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen, jedoch auf Antrag einzuleitenden Verfahren für alle als Wohnungseigentumseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung zu geschehen (RS0082872). Die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objekts ist anlässlich der Nutzwertfestsetzung als Vorfrage zu prüfen (RS0082872 [T2]; RS0083252). Dies galt bereits nach dem WEG 1975 und gilt ebenso nach dem – hier anzuwendenden – WEG 2002 (vgl RS0083252 [T15]).
[10]1.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Begründung von Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, also an Teilen, die der allgemeinen Benützung dienen und deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Nutzung entgegensteht, unwirksam. Bereits mehrfach wurde die Begründung von Wohnungseigentum an einer Wohnung, die zur Unterbringung des für die Liegenschaft bestellten Hausbesorgers bestimmt ist, als rechtlich unmöglich und eine entgegenstehende Vereinbarung als rechtsunwirksam qualifiziert (RS0082983). Aufgrund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen sind unheilbar nichtig ( RS0082927 [T5]).
[11] 2.1 Das Objekt „Wohnung top 8“ wurde unstrittig bereits seit 1. Jänner 1978 als Hausbesorgerdienstwohnung genutzt und war daher beim Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags im Jahr 2000 einer Begründung von Wohnungseigentum nicht zugänglich. Mit der rechtskräftigen Entscheidung der Schlichtungsstelle aus dem Jahr 2009 wurde dies berichtigt und die Nutzwerte für top 8 „auf Null gesetzt“ (allgemeiner Teil der Liegenschaft). Dem – von den Antragstellern hervorgehobenen – Umstand, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses der Hausbesorgerin im Jahr 2000 in erster und zweiter Instanz zunächst für wirksam erachtet, aber dann in dritter Instanz ausgesprochen wurde, dass die Aufkündigung nicht rechtswirksam war, kommt für die Frage der Widmung der top 8 unmittelbar keine Bedeutung zu. Dass das Objekt tatsächlich durchgehend als Hausbesorgerwohnung genutzt wurde, haben die Antragsteller nie angezweifelt.
[12] 2.2 Auch aus dem im Jahr 2000 abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrag lässt sich für den Standpunkt der Antragsteller nichts gewinnen: Selbst wenn die damaligen Eigentümer zugestimmt haben sollten, dass die nunmehrige Erstantragstellerin die alleinigen Benützungsrechte am Objekt top 8 (mit den damals ausgewiesenen 60/1369 Anteilen) erhalten sollte, lag nach den Feststellungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schlichtungsstelle aus dem Jahr 2009 eine ausdrückliche Willenserklärung aller damaligen Wohnungseigentümer darüber vor, dass das als Hausbesorgerwohnung tatsächlich genutzte Objekt auch ausdrücklich als allgemeiner Teil der Liegenschaft gewidmet und ausgewiesen wird. Eine – wie die Antragsteller meinen – „Umsetzung der ursprünglichen Wohnungseigentumsvereinbarung“ bedürfte daher einer Einigung sämtlicher Mit und Wohnungseigentümer über eine (neuerliche) Widmungsänderung. Eine solche liegt nach dem Sachverhalt aber gerade nicht vor.
[13] 2.3 Eine Aktenwidrigkeit wäre nur dann gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen worden wären, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde ( RS0043347 ). Mit dem Hinweis darauf, dass das Rekursgericht unzutreffend behauptet habe, dass sich die Antragsteller im erstgerichtlichen Verfahren nicht auf ein einseitiges Umwidmungsrecht gestützt hätten, wird keine Aktenwidrigkeit aufgezeigt, sondern nur geltend gemacht, dass das Vorbringen nicht gegen das Neuerungsverbot verstoße. Aus dem Inhalt der Kaufverträge, aus dem die Erstantragstellerin das Recht ableitet, allgemeine Teile der Liegenschaft in ihr Wohnungseigentum zu übertragen, lässt sich – entgegen der Rechtsansicht der Antragsteller – aber nicht ausschließen, dass die Antragsgegner ganz allgemein nicht mehr „berechtigt“ wären, „der beantragten Nutzwertneufestsetzung zu widersprechen“. Eine – hier letztlich von den Antragstellern nicht konkret behauptete – vertragliche Vereinbarung oder (Vorab )Zustimmung zu einer Nutzwertfestneusetzung (oder zu einer bestimmten Widmungsänderung) wäre im Übrigen im streitigen Verfahren durchzusetzen (vgl RS0083252 [T26]).
[14] 3. Insgesamt vermag daher der außerordentliche Revisionsrekurs weder eine Fehlbeurteilung noch eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.