9Ob79/25w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei M* GmbH, *, vertreten durch die ANWALTGMBH Rinner Teuchtmann in Linz, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Mag. Eliane Hasenfuß, Rechtsanwältin in Linz, wegen 11.723,95 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2025, GZ 6 R 163/24s 59, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 6. September 2024, GZ 10 C 1011/22p 55, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.127,40 EUR (darin 187,90 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die klagende Werkunternehmerin und die beklagte Werkbestellerin schlossen einen Werkvertrag über die Umgestaltung einer zu einem Wohnungseigentumsobjekt der Beklagten gehörenden Terrasse (geringfügige Vergrößerung und Erhöhung, Verlegung von Bodenplatten).
[2] Die Klägerin begehrte 11.723,95 EUR sA Werklohn. Sie habe die vertraglich geschuldeten Leistungen ordnungsgemäß erbracht. Die Beklagte könne ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer keine Gewährleistungsrechte geltend machen.
[3] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie erklärte die Auflösung des Vertrags wegen nicht geringfügiger Mängel des Werks, deren Verbesserung die Klägerin verweigert habe. Sie könne die Vertragsauflösung ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer geltend machen.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es lägen Mängel vor (zu geringes Gefälle; Fehlen einer Rigole bei der Terrassentür), die jedenfalls in Summe nicht geringfügig seien. Die Klägerin habe die Verbesserung verweigert. Die Beklagte sei daher zur Vertragsauflösung berechtigt gewesen. Mängel am Bodenbelag einer Terrasse fielen nicht in die Gemeinschaftszuständigkeit. Zudem stehe das Recht auf Vertragsauflösung dem einzelnen Wohnungseigentümer stets ohne Abstimmungsbedarf mit den anderen Wohnungseigentümern zu.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Änderung der Terrasse der Beklagten sei nicht geeignet gewesen, schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer zu beeinträchtigen, und habe daher gemäß § 16 Abs 2 WEG nicht der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedurft. Daraus folge, dass die Klägerin auch ihre Gewährleistungsrechte aus der Änderung ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer geltend machen könne. Das Berufungsgericht erklärte die Revision nachträglich mit der Begründung für zulässig, dass diese rechtliche Beurteilung nicht irreversibel sei.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Sie zeigt keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf.
[7] 1. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens (von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO) wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[8] 2. Die Klägerin geht erkennbar davon aus, dass die Vorinstanzen die Frage, ob die Beklagte ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zur Auflösung des Vertrags gemäß § 932 Abs 4 ABGB berechtigt gewesen sei, unvertretbar bejaht hätten. Sie argumentiert ausführlich, dass die Änderung des Wohnungseigentumsobjekts der Beklagten im Sinn des § 16 Abs 2 WEG geeignet gewesen sei, schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer zu beeinträchtigen, und daher der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedurft hätte. Sie leitet daraus ab, dass auch die Auflösung des Werkvertrags die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer vorausgesetzt hätte.
[9] 3. Mit diesen Ausführungen macht die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage geltend:
[10] 3.1. Im vorliegenden Fall ist kein Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den anderen Wohnungseigentümern zu klären – insbesondere nicht die Frage, ob die Umgestaltung der Terrasse der Beklagten nach § 16 Abs 2 WEG der Zustimmung der (Mehrheit der) anderen Wohnungseigentümer bedurft hätte. Stattdessen geht es darum, ob die Beklagte die Werklohnforderung der Klägerin ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer durch die Ausübung des Gestaltungsrechts der Auflösung des Vertrags (§ 932 Abs 4 ABGB) abwehren kann.
[11] 3.2. Nach der Rechtsprechung sind Gewährleistungsrechte vom Vertragspartner jenes Vertrags, in dessen Abwicklung eine Störung eingetreten ist, geltend zu machen ( RS0013431 [T18]; RS0082907 [T11]; RS0108157 [T5]). Ein Wohnungseigentümer, der ein Gewährleistungsrecht aus einem von ihm geschlossenen Vertrag geltend machen will, hat nur dann die Zustimmung der (Mehrheit der) anderen Wohnungseigentümer einzuholen, wenn er das Gewährleistungsrecht aus Mängeln an allgemeinen Teilen der Liegenschaft ableitet und sein Vorgehen – etwa die Wahl des Gewährleistungsbehelfs – Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte (vgl RS0082907 [T7, T8, T13]; RS0108157 [T3, T4, T14]; RS0108158 [T6, T7, T17]).
[12] 3.3. Die Revision bezweifelt weder, dass die Beklagte die alleinige Vertragspartnerin der Klägerin ist, noch, dass die geltend gemachten Mängel ausschließlich das Wohnungseigentumsobjekt der Beklagten und keine allgemeinen Teile der Liegenschaft betrafen. Sie bietet auch keine Anhaltspunkte für konkrete Gemeinschaftsinteressen, die durch die einredeweise Geltendmachung der auf § 932 Abs 4 ABGB gestützten Auflösung des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags beeinträchtigt werden könnten. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Abwehr der Werklohnforderung der Klägerin durch die Geltendmachung der Vertragsauflösung nicht die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer voraussetze, bedarf schon deshalb keiner Korrektur durch eine gegenteilige Sachentscheidung.
[13] 4. Weitere erhebliche Rechtsfragen macht die Revision nicht geltend. Sie ist daher ohne weitere Begründung zurückzuweisen.
[14] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Die Erhöhung der Entlohnung im Elektronischen Rechtsverkehr war gemäß § 23a S 2 RATG nur mit 2,60 EUR (und nicht wie verzeichnet mit 5 EUR) zu bestimmen.