13Os59/25p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Artner in der Strafsache gegen B* H* und eine Angeklagte wegen Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 (iVm § 161 Abs 1) StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 3 Hv 104/24g des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 2. Dezember 2024 (ON 45) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Gepart und des Privatbeteiligtenvertreters Rechtsanwaltsanwärter Mokesch LL.M. zu Recht erkannt:
Spruch
Im Verfahren AZ 3 Hv 104/24g des Landesgerichts für Strafsachen Graz verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 2. Dezember 2024 (ON 45) § 153 Abs 1 StGB.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen der Angeklagten B* H* und S* H* je wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (III), demgemäß auch in den Strafaussprüchen beider Angeklagter, im Adhäsionserkenntnis und in den Aussprüchen über den Verfall, aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Dezember 2024 (ON 45) wurden – soweit hier von Bedeutung – B* H* (zu I) und S* H* (zu I A und „B/1“ sowie II) je des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 (iVm § 161 Abs 1) StGB sowie (zu III) je des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben in G* und andernorts
(I) Bestandteile des Vermögens nachangeführter Gesellschaften verheimlicht, beiseite geschafft oder deren Vermögen sonst verringert und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, und zwar
A) B* H* als faktischer Geschäftsführer und S* H* als unternehmensrechtliche Geschäftsführerin der S.* (im Folgenden: S.*), mithin als leitende Angestellte (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, vom 27. Jänner 2020 bis zum 14. Februar 2020 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken [§ 12 erster Fall StGB], und zwar S* H* als Beitragstäterin [§ 12 dritter Fall StGB] durch das Zur Verfügung Stellen des Kontos ihres Einzelunternehmens […] für Überweisungen und teils auch durch das Durchführen von Behebungen für […] B* H*“, indem sie Verantwortliche der L* am 27. Jänner 2020 anwiesen, einen der S.* zustehenden Rechnungsbetrag von 11.640 Euro auf das im Urteil bezeichnete Konto des Einzelunternehmens der S* H* einzuzahlen, wobei dieser Betrag in der Folge für unternehmensfremde Zwecke verwendet wurde, weiters
B) B* H* als faktischer Geschäftsführer der A* (im Folgenden: A*), mithin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, indem er
1) vom 29. Juni 2022 bis zum 26. Juli 2022 DI C* W* und M* W* anwies, der genannten Gesellschaft zustehende Rechnungsbeträge von (nach Abzug von Aufwendungen) 3.000 Euro auf das im Urteil bezeichnete Konto des Einzelunternehmens der S* H* einzuzahlen, wobei dieser Betrag in der Folge für unternehmensfremde Zwecke verwendet wurde, und
2) durch Auszahlung eines als „Darlehen“ bezeichneten Betrags von 15.000 Euro ungerechtfertigt Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen tätigte, denen keine Gegenleistung gegenüberstand, darüber hinaus
(II) S* H* zu der zu I A dargestellten strafbaren Handlung [des B* H*] beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB, zur Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen siehe RIS Justiz RS0090765), indem sie das im Urteil näher bezeichnete Konto ihres Einzelunternehmens für Überweisungen zur Verfügung stellte und teils auch Behebungen für B* H* durchführte, sowie
(III) B* H* durch die Vornahme der zu I A und B 1 sowie S* H* durch die Vornahme der zu I A und II angeführten Handlungen jeweils ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht „(bzw. S* H* [zumindest] dazu beigetragen)“ (§ 12 dritter Fall StGB) und dadurch die „unter Punkt I. genannten Unternehmen in den dort ersichtlichen bzw insgesamt EUR 5.000,- übersteigenden Beträgen von EUR 29.640,- am Vermögen geschädigt“.
[3] Hinsichtlich dieses Urteils erhoben B* H* Berufung gegen die Aussprüche über die privatrechtlichen Ansprüche und den Verfall (ON 41 und 47), S* H* Berufung gegen die Aussprüche über die Strafe und den Verfall (ON 42 und 48). Über die Berufungen hat das Oberlandesgericht noch nicht entschieden.
Rechtliche Beurteilung
[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Urteil in seinen Schuldsprüchen wegen Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (III) mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[5] Den Tatbestand der Untreue (§ 153 Abs 1 StGB) verwirklicht, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Es ist ein Charakteristikum der Untreue, dass Machtgeber und Geschädigter miteinander ident sind, mit anderen Worten der Vermögensschaden demjenigen erwächst, über dessen Vermögen der Täter verfügt. Das Vermögen Dritter, etwa jenes von Geschäftspartnern oder Gläubigern, wird davon nicht erfasst. Ist der Machtgeber eine GmbH, sind die vom Tatbestand der Untreue geschützten wirtschaftlich Berechtigten (§ 153 Abs 2 StGB) die Gesellschafter der GmbH als deren Anteilseigner (zum Ganzen Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 153 Rz 1 und 2/1 je mwN sowie Rz 36; Pfeifer SbgK § 153 Rz 3 f und 32 f mwN; Leukauf/Steininger/ Flora , StGB 4 § 153 Rz 10, 18 und 28; Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 15 § 153 Rz 14; RIS Justiz RS0106192, 14 Os 94/21m [Rz 7 f mwN]).
[6] In subjektiver Hinsicht erfordert die Tatbestandserfüllung deshalb – neben dem Vorsatz, die eingeräumte Befugnis wissentlich (§ 5 Abs 3 StGB) zu missbrauchen – den Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB), dem Geschäftsherrn (und nicht einem Dritten) einen Vermögensschaden zuzufügen ( Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 153 Rz 42).
[7] Nach den Konstatierungen des Erstgerichts zu den Schuldsprüchen III bezog sich der Vorsatz beider Angeklagter hinsichtlich der Handlungen zu den Schuldsprüchen I A darauf, „durch das […] wissentlich befugnismissbräuchliche Tathandeln […] zumindest einen der betreibenden Gläubiger der S.* in einem EUR 5.000,-- übersteigenden Beträgen von EUR 11.640,- am Vermögen zu schädigen “ (US 9), und hinsichtlich der Handlungen zum Schuldspruch I B 1 (siehe aber US 3, wonach sich der Schuldspruch III hinsichtlich S* H* auf dieses Faktum gar nicht bezieht) darauf, „durch die […] beschriebenen Untreuehandlungen einen von ihrem Vorsatz erfassten Vermögensschaden zum Nachteil der Insolvenzgläubiger “ zu verursachen (US 13).
[8] Der konstatierte Vorsatz der beiden Angeklagten, Dritte , nämlich die Gläubiger der vom Befugnismissbrauch betroffenen Gesellschaften, am Vermögen zu schädigen, trägt aber (wie dargelegt) die – idealkonkurrierend vorgenommene – Subsumtion der von den Schuldsprüchen III umfassten Taten nach (dem Grundtatbestand des) § 153 Abs 1 StGB nicht, weshalb das Urteil in den Schuldsprüchen wegen Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB das Gesetz verletzt.
[9] Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung mit Blick auf die aggravierende Wertung des (idealkonkurrierenden) Zusammentreffens je eines Verbrechens mit je einem Vergehen (US 18) zum Nachteil der Angeklagten B* H* und S* H* wirkt ( Ratz , WK StPO § 290 Rz 23), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO, zum Adhäsionserkenntnis siehe RIS Justiz RS0101311 [T3]).
[10] Die Berufungen sind aufgrund der Kassation gegenstandslos.