JudikaturOGH

3Ob89/25x – OGH Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A* OG, *, und 2. Dr. A*, beide vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 35.532,44 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. April 2025, GZ 1 R 20/25d 55, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger erwarb im Jahr 2006 über die Plattform ebay eine durch ein im Jahr 1995 erlassenes Versäumnisurteil eines deutschen Gerichts titulierte Darlehensforderung in Höhe von 20.000 DM sA um 1.000 EUR. Der in Deutschland ansässige Verkäufer hatte diese Forderung seinerseits wenige Monate zuvor vom Titelgläubiger erworben. Im Jahr 2010 hob das deutsche Titelgericht das Versäumnisurteil auf, die Forderung ist deshalb dauerhaft uneinbringlich.

[2] Der Kläger beauftragte daraufhin eine österreichische Anwaltskanzlei mit der „Klärung des Rechtsverhältnisses“ zwischen ihm und dem Verkäufer. Aufgrund einer bei einem österreichischen Gericht eingebrachten, auf Rückabwicklung des Vertrags gerichteten Klage erhielt der Kläger den von ihm geleisteten Kaufpreis vom Verkäufer zurück.

[3] Eine vom Kläger (vertreten durch einen anderen Rechtsanwalt) in der Folge in Deutschland eingebrachte Klage gegen den Verkäufer wurde mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger sein Wahlrecht nach § 311a BGB durch die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises verwirkt habe. Der Kläger brachte daraufhin, vertreten durch den Zweitbeklagten (nunmehr persönlich haftender Gesellschafter der erstbeklagten Rechtsanwälte OG), eine Schadenersatzklage gegen jene Rechtsanwältin ein, die ihn in dem in Österreich geführten ersten Prozess gegen den Verkäufer vertreten hatte; diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.

[4] Im nunmehrigen Verfahren begehrt der Kläger von den Beklagten wegen behaupteter Vertretungsfehler im ersten Anwaltshaftungsprozess den Betrag von 35.532,65 EUR sA, bei dem es sich um die durch das Versäumnisurteil titulierte Forderung inklusive Zinsen handle.

[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] In seiner außerordentlichen Revision gelingt es dem Kläger nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

[7] 1. Hängt der Erfolg der Schadenersatzklage gegen den Rechtsanwalt davon ab, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, so muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf der Geschehnisse unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte (vgl 7 Ob 164/18w mwN). Dazu ist der mutmaßliche Erfolg der pflichtwidrig unterlassenen Schritte (zB unterlassene Beratung, unterlassene Erhebung eines Rechtsmittels, unterlassene Stellung eines Antrags) zu ermitteln. Bei einem solchen sogenannten hypothetischen Inzidentprozess hat das mit dem Schadenersatzanspruch befasste Gericht das Vorverfahren hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie dieses mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte (RS0022706). Das Regressgericht hat seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde zu legen, der dem Gericht des Vorverfahrens bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts unterbreitet und von ihm aufgeklärt worden wäre (RS0127136). Nichts anderes gilt im hier vorliegenden „doppelten Inzidentprozess“, in dem der Erfolg der zweiten (hier zu behandelnden) Schadenersatzklage nicht nur vom Vorliegen eines Kunstfehlers des hier Zweitbeklagten, sondern darüber hinaus auch davon abhängt, ob der im ersten Haftungsprozess beklagten Rechtsanwältin ebenfalls ein anwaltlicher Kunstfehler anzulasten war, dessen (hypothetisches) Unterbleiben zum Erfolg der Klage (konkret: zum Zuspruch des Erfüllungsinteresses, das der Kläger vom Verkäufer wegen der behaupteten Fehlleistung der ersten Rechtsanwältin nicht erlangte) geführt hätte.

[8] 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Schadenersatzklage gegen die Beklagten müsse bereits daran scheitern, dass dem Kläger der Beweis nicht gelungen sei, dass ihn die im ersten Anwaltshaftungsprozess geklagte Rechtsanwältin pflichtwidrig nicht über die (nur alternativ zur Rückforderung des Kaufpreises) mögliche Geltendmachung des Erfüllungsinteresses gegenüber dem Verkäufer aufgeklärt habe, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[9] Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Geschädigte nach dem allgemeinen Grundsatz, wonach jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (RS0037797), insbesondere für das von ihm behauptete, für den eingetretenen Schaden kausale Fehlverhalten des Schädigers, hier also den – nach seinem Standpunkt in der Unterlassung der Aufklärung über eine (nur) alternativ zur Rückforderung des Kaufpreises mögliche Einklagung des Erfüllungsinteresses liegenden – anwaltlichen Kunstfehler behauptungs und beweispflichtig. Die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung geht folglich zu Lasten des Klägers.

[10] 3. Dem vom Kläger in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensmangel, der in einer Überraschungs-entscheidung des Berufungsgerichts in Bezug auf die Beweislast bestehen soll, fehlt es schon deshalb an der erforderlichen Relevanz, weil er gar nicht darlegt, welches ergänzende Tatsachenvorbringen er im Fall der Erörterung der Beweislastfrage erstattet hätte, sondern nur ausführt, dass er vorgebracht hätte, dass die Beweislast im vorliegenden Fall die im Vorprozess beklagte Anwältin getroffen habe.

[11] 4. Die übrigen vom Kläger relevierten Rechtsfragen betreffen lediglich die weiteren (alternativen) Gründe des Berufungsgerichts für die Verneinung der Berechtigung der Klageforderung und sind deshalb nicht entscheidungserheblich, weshalb sie von vornherein keine erhebliche Rechtsfrage begründen können. Aus diesem Grund kommt es auch auf die vom Kläger gerügten Feststellungen, die bereits das Berufungsgericht aus rechtlichen Erwägungen als unerheblich ansah, nicht an.

[12] 5. Zur Rüge im Kostenpunkt genügt der Hinweis auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.