1Ob73/25d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (richtig gemäß § 6 Abs 2 COFAG-NoAG: Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 52.087,96 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. März 2025, GZ 12 R 79/24m 27, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger erlitt mit seinem Gastronomiebetrieb aufgrund von behördlich angeordneten Betriebs-beschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie Umsatzausfälle. Er beantragte auf Grundlage der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Ausfallsbonus an Unternehmen mit einem hohen Umsatzausfall, BGBl II 2021/74 („VO Ausfallsbonus“), am 13. 4. 2021 und 11. 6. 2021 einen Ausfallsbonus für die Monate Februar und März 2021 von insgesamt 52.087,96 EUR. Über den Kläger wurde in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung wegen einer vorsätzlich begangenen Tat eine rechtskräftige Finanzstrafe von mehr als 10.000 EUR verhängt. Er wies darauf in seinen Anträgen auf Gewährung des Ausfallsbonus hin, ging aber davon aus, dass dies seinem Anspruch nicht entgegenstehe.
[2] Pkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus lautete: „Ein Ausfallsbonus darf nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen sämtliche nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind: […]
über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt.“
[3] Der Verfassungsgerichtshof hob diese Bestimmung mit Erkenntnis vom 5. 10. 2023 zu V 172/2022 ua auf und sprach gemäß Art 139 Abs 5 B VG aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 15. 4. 2024 in Kraft tritt. Der vorliegende Fall war (unstrittig) kein Anlassfall.
[4] Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von 52.087,96 EUR sA. Der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Pkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus sei auf den vorliegenden Fall nicht (mehr) anzuwenden. Da er alle sonst im Anhang zur VO Ausfallsbonus normierten Voraussetzungen für die Gewährung dieser Förderung erfülle, stehe ihm der Anspruch zu.
[5] Die Beklagte wandte – soweit in dritter Instanz relevant – ein, dass hier noch die Rechtslage vor Aufhebung von Pkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden sei, weil sich der maßgebliche Sachverhalt vor Aufhebung dieser Bestimmung verwirklicht habe. Da der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung eines Ausfallsbonus wegen der über ihn verhängten Finanzstrafe nicht erfüllt habe, habe er keinen Anspruch auf die Förderung.
[6] Das Berufungsgericht berichtigte die Bezeichnung der beklagten Partei auf „Republik Österreich (Bundesministerium für Finanzen)“ (exakt wäre: den Bund), bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.
[7] Gemäß Art 139 Abs 6 B VG sei eine als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung – mit Ausnahme des Anlassfalls – weiter auf die vor Aufhebung verwirklichten Tatbestände anzuwenden. Hier habe sich der im aufgehobenen Pkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus umschriebene Tatbestand vor Aufhebung dieser Bestimmung mit Ablauf des 15. 4. 2024 verwirklicht, weil der Kläger den Ausfallsbonus bereits zuvor beantragt habe und über ihn in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung rechtskräftig eine Finanzstrafe von mehr als 10.000 EUR aufgrund von Vorsatz verhängt worden sei. Damit sei dieser Ausschlussgrund für die erfolgreiche Geltendmachung von Ausfallsbonus erfüllt gewesen.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig :
[9] 1. Aufhebende Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs wirken, außer im – hier nicht vorliegenden – Anlassfall, vom Tag des Wirksamkeitsbeginns der Aufhebung an für die Zukunft. Auf die vor Aufhebung verwirklichten Tatbestände – mit Ausnahme des Anlassfalls – ist kraft ausdrücklicher Anordnung in Art 140 Abs 7 B-VG (Art 139 Abs 6 B-VG) das Gesetz (die Verordnung) weiterhin anzuwenden, sofern der Gerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausspricht (was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist). Die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Norm ist von Gerichten und Verwaltungsbehörden – mit Ausnahme des Anlassfalls – auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen (VfGH B 792/88 ua, VfSlg 11874 [Pkt II.a)] mwN).
[10] 2. Gemäß Pkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus ist die Gewährung eines Ausfallsbonus unter anderem (nur dies ist hier relevant) ausgeschlossen, wenn über den Antragsteller in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung eine rechtskräftige Finanzstrafe von mehr als 10.000 EUR aufgrund von Vorsatz verhängt wurde. Diesen Ausschlussgrund wurde hier zweifellos vor dem Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsbestimmung mit 15. 4. 2024 verwirklicht. Dass für die Verwirklichung dieses Ausschlussgrundes – wie der Kläger behauptet – auf den Zeitpunkt der Entscheidung der COFAG (oder der Beklagten als deren Gesamtrechtsnachfolgerin) über seinen Förderantrag abzustellen wäre, ergeben sich keine Anhaltspunkte, weshalb auch sein Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu B 1256/01 (VfSlg 16.750) fehl geht.
[11] 3. Die angefochtene Entscheidung entspricht auch der Entscheidung des Senats zu 1 Ob 141/24b. Dort war ein Begehren auf Lockdown-Umsatzersatz nach der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Lockdown-Umsatzersatzes durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG), BGBl II 2020/503, zu beurteilen. Diese Verordnung schloss – ebenso wie die VO Ausfallsbonus – eine Förderung aus, wenn über den Antragsteller innerhalb von fünf Jahren vor Antragstellung eine rechtskräftige Finanzstrafe von mehr als 10.000 EUR aufgrund von Vorsatz verhängt wurde. Der Verfassungsgerichtshof hob auch diese Bestimmung mit Erkenntnis vom 5. 10. 2023 (zu V 145/2022) mit Ablauf des 15. 4. 2024 auf. Mangels Anlassfalls wandte sie der Senat aber weiterhin auf den zu 1 Ob 141/24b zu beurteilenden Sachverhalt an, weil (auch) der dortige Kläger die Förderung vor diesem Zeitpunkt beantragt hatte und über ihn innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung eine solche Finanzstrafe verhängt worden war.