JudikaturOGH

1Ob24/25y – OGH Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D* S* und 2. Dr. A* S*, beide vertreten durch die Niedermayr Gutbrunner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die beklagten Parteien 1. Stadt *, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Land *, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 64.241,25 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2025, GZ 11 R 125/24v 20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Obsorgeberechtigt für den am * geborenen mj J* D* (Kind) ist seit Oktober 2012 die Erstbeklagte. Das Kind wurde im März 2013 bei den Klägern untergebracht und diesen die Pflegeelternschaft übertragen. Eine schriftliche Pflegschaftsvereinbarung wurde nicht abgeschlossen. Die Zweitbeklagte übte nach ihrem unbestrittenen Vorbringen aufgrund des Wohnsitzes der Pflegeeltern im Wege der Amtshilfe gemäß § 38 B-KJHG die Pflegeaufsicht aus. Über Anordnung der Zweitbeklagten wurde das Kind am 11. 6. 2021 zunächst in einem Landesklinikum untergebracht. Seit Juli 2021 lebt es in einer Wohngemeinschaft in Wien.

[2] Die Kläger begehren an Schmerzengeld 15.000 EUR für den Erstkläger und 20.000 EUR für die Zweitklägerin, den Ersatz von weiteren 29.241,25 EUR an detailliert aufgeschlüsselten Besuchs-, Reise-, Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten sowie Aufwendungen für Psychotherapie. Weiters begehren sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden aufgrund der unberechtigten Entziehung des Kindes aus ihrem Betreuungsbereich.

[3] Die Beklagten wandten die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens mangels Rechtsgrundlage ein. Die Kläger seien nicht die leiblichen Eltern des Minderjährigen und zu keiner Zeit obsorgeberechtigt gewesen.

[4] Die Zweitbeklagte wandte ergänzend ein, ein (bestrittener) Verstoß gegen die Pflegeaufsicht begründe keinen Schadenersatzanspruch.

[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ausgehend vom Vorbringen der Kläger ab. Da die Kläger nicht mit der Obsorge betraut gewesen seien, habe die auf § 211 Abs 1 ABGB gegründete Maßnahme der Zweitbeklagten nicht in die Rechte der Kläger eingreifen können. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang sei zu verneinen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von mit der Obsorge betrauten Personen und Pflegeeltern, die nicht mit der Obsorge betraut sind, sei nicht zu erkennen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Kläger zeigen in der außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[7] 1. Die Kläger wenden sich nicht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass § 211 Abs 1 ABGB Eingriffe des Kinder und Jugendhilfeträgers (KJHT) in die Obsorge regelt und Pflegeeltern, die nicht mit der Obsorge betraut sind, von dieser Bestimmung nicht erfasst sind.

[8] 2. Soweit die Kläger ihre Schadenersatzansprüche auf Art 8 EMRK stützen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 199/22d (Rz 88 ff) und 1 Ob 193/23y (Rz 56 ff) ausgesprochen hat, dass völkerrechtlich der Vertragsstaat der EMRK und innerstaatlich der Gesetzgeber Adressat der sich aus Art 8 EMRK ergebenden Schutzpflichten ist. Aus grundrechtlichen Schutzpflichten nach Art 8 EMRK lässt sich kein subjektiver, im Gerichtsweg direkt durchsetzbarer Anspruch des Einzelnen ableiten. Dieser ist auf eine „gesetzliche Vermittlung“ angewiesen. Die Kläger nennen aber keine einfachgesetzliche Grundlage für den von ihnen begehrten Schadenersatz.

[9] 3. Sie wiederholen in der Revision im Wesentlichen die Ausführungen in ihrer Berufung und setzen sich mit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, die die Pflegeelternschaft regelnden Bestimmungen des ABGB sähen keine mit jenen der obsorgeberechtigten Eltern vergleichbaren Rechte und Pflichten der Pflegeeltern vor, diesen kämen keine subjektiven Rechte auf Aufrechterhaltung der Pflege und Erziehung zu und eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Pflegeeltern sei nicht zu erkennen, nicht auseinander. Damit ist dem Obersten Gerichtshof eine Überprüfung dieser Fragen mangels gesetzmäßiger Rechtsrüge verwehrt (RS0043603 [T16]).