14Os22/25d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. SetzHummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Madari LL.M. (WU), BSc (WU) in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 27. September 2024, GZ 45 Hv 7/24v 41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er „nach dem 22. Dezember 2022“ (ersichtlich gemeint: vom 22. Dezember 2022 bis zum 13. September 2023 [US 14]) in S* als Bürgermeister dieser Gemeinde und Baubehörde erster Instanz, mithin als Beamter im strafrechtlichen Sinn, mit dem Vorsatz, dadurch die Antragstellerin c* GmbH an ihrem Recht „auf Einhaltung der Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er das Bauverfahren betreffend die Errichtung eines Gebäudes auf einem im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Grundstück durch Untätigkeit sowie unvertretbare Verfahrenshandlungen verschleppte, um den Bau einer Apotheke an diesem Standort zu verhindern oder zumindest erheblich zu verzögern, indem er entgegen seiner Verpflichtung
1/ die Genehmigungsfähigkeit dieses Bauansuchens nicht unverzüglich unter Zugrundelegung der im Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 20. Dezember 2022 dargelegten, bindenden Rechtsansicht zur Widmungskonformität (vgl § 28 Abs 5 VwGVG) prüfte, sondern den Bauwerbern zwei weitere Verbesserungsaufträge erteilte, die neuerlich auf die bereits rechtskräftig geklärte Frage der Widmungskonformität abzielten, keinen konkreten (und damit erfüllbaren) Auftrag enthielten oder bereits wiederholt von den Bauwerbern beantwortet worden waren oder keine Relevanz für dieses Bauverfahren aufwiesen;
2/ bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht binnen sechs Monaten eine Entscheidung über dieses Bauansuchen traf (§ 73 Abs 1 AVG; vgl auch § 8 VwGVG).
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Im Ergebnis zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf, dass ein – hier mit Hilfe der oben wiedergegebenen Formulierung allein festgestellter (US 13, 14, 15, 20 und 24) – Vorsatz auf Schädigung am Recht auf Einhaltung gerade jener (Verfahrens )Vorschriften, deren Verletzung den Vorwurf des Befugnismissbrauchs begründet, nach ständiger Rechtsprechung als (tauglicher) Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes ausscheidet (RISJustiz RS0096270 [insbesondere T10, T12, T14]; jüngst [zu einem darauf gerichteten subjektiven Anspruch] 14 Os 49/24y; Nordmeyer in WK 2StGB § 302 Rz 152, 159 und 161; Huber/Tipold , SbgK § 302 Rz 131, 134 und 138).
[5]Der aufgezeigte Rechtsfehler erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die sofortige Aufhebung des Urteils samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht bei der nichtöffentlichen Sitzung (§ 285e StPO).
[6] Eine Antwort auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich somit.
[7] Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung zu verweisen.
[8]Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, dass § 302 Abs 1 StGB tatsächliche Schädigung an Rechten gerade nicht voraussetzt. Entgegen der vom Erstgericht zum Ausdruck gebrachten Überlegung steht es der Annahme eines – in derartigen Konstellationen in Frage kommenden (vgl 17 Os 23/16k) – Vorsatzes auf Schädigung der Antragsteller an deren Recht auf Erteilung der Bewilligung eines den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Bauansuchens demnach nicht entgegen, wenn (im Strafverfahren) nicht feststeht, dass „unabhängig vom Vorliegen der Widmungskonformität sämtliche weitere Voraussetzungen für die Baubewilligung gegeben waren“ (US 24 f; vgl auch US 16 und 21). Vorsatz an der Schädigung eines solchen Rechts wäre vielmehr schon dann gegeben, wenn es der Beamte (zur Tatzeit, hier also vor Abschluss dahingehender Ermittlungen) zumindest ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet, dass die (abgesehen von der rechtskräftig geklärten Frage der Widmungskonformität sonstigen) gesetzlichen Voraussetzungen für einen positiven Bescheid vorliegen (vgl dazu US 9 iVm ON 2, 44). Anders wäre es nur, wenn das (wie hier) zur Prüfung der Voraussetzungen befugte Organ deren Erfüllung (zur Tatzeit) für ausgeschlossen hält (vgl [mit ausführlicher Begründung] 17 Os 53/14v, 54/14s; Nordmeyer in WK 2StGB § 302 Rz 154).
[9]In einem solchen Fall wäre das Vorliegen eines – ebenfalls in Betracht kommenden – Vorsatzes auf Schädigung der Bauwerber an deren (durchsetzbarem [vgl § 73 Abs 2 AVG, § 8 Abs 1 VwGVG) Recht auf Entscheidung über ihren Antrag ohne unnötigen Aufschub, längstens innerhalb von sechs Monaten (§ 73 Abs 1 AVG), zu prüfen (vgl 14 Os 86/22m).