JudikaturOGH

2Nc21/25y – OGH Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
07. Mai 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz und den Hofrat Mag. Böhm als weitere Richterinnen und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Eversheds Sutherland Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei D* als Masseverwalter im Konkursverfahren der A*, vertreten durch Riel Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung bestrittener Forderungen im Konkursverfahren über das Vermögen der A* zu AZ * aufgrund der Befangenheitsanzeige des * vom 24. April 2025 im Revisionsverfahren zu AZ *, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit des * in der zu AZ * anhängigen Rechtssache in Zweifel zu ziehen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist eine Prüfungsklage eines ausländischen Staatsschatzes gegen den Masseverwalter einer österreichischen GmbH im Zusammenhang mit der Beteiligung der Schuldnerin am Bau einer Autobahn im Land der Klägerin. Die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil, das den auf Vertragsstrafen gestützten Teil der Klage abwies, ist nach der Geschäftsverteilung vom * Senat des Obersten Gerichtshofs zu behandeln.

[2] * ist Mitglied dieses Senats. Er gibt bekannt, als Mitglied des Berufungssenats an einer Entscheidung im Rahmen dieses Großverfahrens mitgewirkt zu haben, bei der zwar nicht die Vertragsstrafen, aber generell die Schlüssigkeit der Forderungsanmeldung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten und die internationale Rechtshängigkeit zu prüfen waren. Das Berufungsgericht habe sich zwar einer abschließenden Stellungnahme zur Auslegung der relevanten Vertragsbestimmungen nach dem maßgeblichen ausländischen Recht enthalten, aber ungeachtet dessen zur vom Erstgericht vertretenen Berechtigung der Schadenersatzforderungen Stellung genommen und ausgeführt, dass zunächst jedenfalls die Berechtigung der Vertragsstrafen zu prüfen sei. Die vom Berufungsgericht unter seiner Beteiligung zentral behandelte Frage der Schlüssigkeit der Forderungsanmeldung sei nun auch Thema im vorliegenden Revisionsverfahren im Zusammenhang mit den Vertragsstrafen. Es könne daher der Anschein seiner Befangenheit bestehen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Befangenheitsanzeige ist begründet :

[4] 1. Gemäß § 20 Abs 1 Z 5 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen dann ausgeschlossen, wenn sie bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung des „angefochtenen“ Urteils oder Beschlusses teilgenommen haben.

[5] Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, weil * nicht an der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts mitgewirkt hat.

[6] 2. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949). Zu beachten ist jedoch, dass die Vermutung für die Unparteilichkeit des Richters spricht, solange nicht Sachverhalte dargetan werden, die das Gegenteil annehmen lassen (RS0046129 [T1, T2]).

[7] 3. Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer Prozesspartei oder ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (RS0045935).

[8] 4. Der Oberste Gerichtshof hat aber schon wiederholt eine Befangenheit auch dann bejaht, wenn eine besondere „Nahebeziehung zur Rechtssache“ insoweit besteht, als sich ein Richter aufgrund seiner vorigen Verfahrensbeteiligung schon eine konkrete Meinung zu jenem Verfahrensgegen sta nd gebildet hat, der später auch Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof war (vgl 8 Nc 22/17b; 2 Nc 7/25i [jeweils Unterlassungsbegehren im Provisorial- und Hauptverfahren]; 2 Nc 13/25x [Beteiligung am Zwischenurteil zur verneinten Verjährung nach § 393a ZPO]).

[9] 5. Eine besondere „Nahebeziehung zur Rechtssache“ liegt auch hier vor, weil Thema des Revisionsverfahrens auch die Schlüssigkeit der Forderungsanmeldung in Bezug auf die Vertragsstrafen ist. Damit liegt ein zureichender Grund vor, die Unbefangenheit von * in Zweifel zu ziehen.