4Ob114/24d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei * AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 6.962,13 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 2.000 EUR; Revisionsinteresse: 4.641,43 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. März 2024, GZ 14 R 170/23b 28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Urfahr vom 30. Juli 2023, GZ 17 C 210/22g 22, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 597,52 EUR (darin enthalten 95,40 EUR an 19%iger deutscher Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte am 23. 7. 2012 einen von der Beklagten hergestellten Pkw der Type VW Golf Rabbit TDI um 23.207,10 EUR. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, der nach der Abgasklasse Euro 5 zertifiziert war.
[2] Beim Fahrzeug war Software installiert, die den NEFZ Prüfungszyklus der Zulassungsbehörde erkannte und (nur) in diesem Fall einen Fahrmodus mit geringeren Abgaswerten aktivierte (sog Umschaltlogik). Aufgrund des 2015 bekannt gewordenen Abgasskandals wurde 2016 diese Abschalteinrichtung mittels Software Updates entfernt, jedoch eine weitere temperaturabhängige Abschalteinrichtung im Fahrzeug belassen, die das Abgasverhalten in Abhängigkeit von der Außentemperatur regelt (Thermofenster).
[3] Der Kläger begehrte 6.962,13 EUR (= 30 % des Kaufpreises) an Schadenersatz sowie Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Die Beklagte habe die Zulassung erschlichen.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab, weil die unzulässige Abschalteinrichtung durch das Software-Update beseitigt worden sei.
[5] Das Berufungsgericht sprach dem Kläger 2.320,70 EUR (= 10 % des Kaufpreises) samt 4% Zinsen seit 1. 10. 2022 zu und wies das restliche Zahlungs- und Zinsenmehrbegehren sowie das Feststellungsbegehren ab. Da auch nach dem Update eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege, hafte die Beklagte für eine Schutzgesetzverletzung. Für die Schadenshöhe sei auf den Kaufzeitpunkt abzustellen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hätten Fahrzeuge mit Abschalteinrichtung um 10 % billiger angeboten werden müssen, um Käufer zu finden, bevor ein Software-Update verfügbar sei. Dem Kläger seien daher 10 % des Kaufpreises zuzusprechen.
[6] Es ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob plötzlich auftretende Schäden aufgrund von Verschleiß und Verschmutzung die Ausnahme des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG auch beim Thermofenster begründen können.
Rechtliche Beurteilung
[7] Ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts ist die Revision des Klägers nicht zulässig .
[8] 1. Der Kläger schneidet die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage zu Recht nicht an, weil diese im Fall der (teilweisen) Klagsstattgebung nicht präjudiziell ist.
[9] 2.1. Thema im Revisionsverfahren ist damit nur noch die Höhe des Schadenersatzanspruchs.
[10] 2.2. Der Kläger begründet die Zulässigkeit der Revision damit, dass das Berufungsgericht von der gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Ermittlung der Schadenshöhe abgewichen sei. Wenn entsprechende Feststellungen zum Minderwert des manipulierten Fahrzeugs vorlägen, müsse der Käufer diesen sowohl bei Arglist als auch bei „bloßer“ Schutzgesetzverletzung ersetzt erhalten.
[11] 2.3. Das Berufungsgericht hat den Schaden entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht nicht deshalb mit 10 % des Kaufpreises bemessen, weil es als Anspruchsgrundlage eine Schutzgesetzverletzung heranzog. Vielmehr hat es aus den Feststellungen des Erstgerichts abgeleitet, dass der Minderwert im Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs durch den Kläger 10 % des von ihm bezahlten Kaufpreises betragen hat.
[12] Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891).
[13] Im konkreten Fall hat das Erstgericht – entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen – für verschiedene Szenarien Wertminderungen von 5 bis 50 % festgestellt. Dass das Berufungsgericht bei der Auslegung, welches dieser Szenarien dem konkret festgestellten Sachverhalt entspricht, seinen Beurteilungsspielraum in einer auch im Einzelfall korrekturbedürftigen Weise überschritten hätte, wird in der Revision nicht behauptet.
[14] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.