13R53/25x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Reden und den Richter Mag. Wessely in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 15.837,-- sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6.2.2025, **-10, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung selbst zu tragen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte hat ihren Sitz in Malta und betreibt unter anderem die Website ** , auf der Online-Glücksspiele angeboten werden. Sie ist Inhaberin einer aufrechten maltesischen Glücksspielkonzession, verfügt jedoch über keine österreichische Glücksspiellizenz.
Der Kläger, der von Beruf Angestellter ist, nahm im Zeitraum 06.02.2024 bis 05.06.2024 an von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen teil und erlitt dabei einen Spielverlust in Höhe von EUR 15.831,03.
Der Kläger begehrte die Zurückzahlung seiner Verluste und brachte vor, die Beklagte betreibe ein Online-Casino ohne Lizenz nach dem GSpG, weshalb die abgeschlossenen Glücksspielverträge nichtig und rückabzuwickeln seien.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, sie verfüge über eine aufrechte Glücksspiellinzenz der maltesischen Glücksspielbehörde (Malta Gaming Authority), auf deren Grundlage sie im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV zur Anbietung von Glücksspielen in Österreich berechtigt sei. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung des österreichischen Glücksspielgesetzes sei aus mehreren - umfangreich dargestellten - Gründen unionsrechtswidrig und somit unwirksam. Das von der Beklagten angebotene Glücksspiel sei daher nicht rechtswidrig und die geschlossenen Verträge wirksam.
Der Kläger begehrte die Rückzahlung dieses Spielverlustes und brachte dazu im Wesentlichen vor, die Beklagte betreibe ein Online-Casino ohne Lizenz nach dem GSpG, weshalb die abgeschlossenen Glücksspielverträge unerlaubt und daher unwirksam seien.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage statt. Es traf die eingangs wiedergegeben Feststellungen und folgerte in rechtlicher Hinsicht, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht gegen das Unionsrecht verstoße. Tatsächliche Umstände, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten, seien von der Beklagten nicht dargelegt worden.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einen auf Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beteiligte sich nicht am Berufungsverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Verfahrensrüge:
1.1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens releviert die Berufungswerberin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten „betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen“ nicht eingeholt hat. Aufgrund dieses Gutachtens hätte sich ergeben, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei.
1.2. Das Erstgericht hat zum Werbeverhalten der Konzessionsinhaber keine Feststellungen getroffen, weshalb die von der Berufung relevierten Umstände keinen (primären) Stoffsammlungsmangel, sondern nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO begründen könnten, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen und im Rahmen von deren Erledigung zu behandeln ist. Einen primären Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO bringt die Berufungswerberin damit nicht zur Darstellung (vgl RS0043304).
2. Rechtsrüge:
2.1. Die Berufungswerberin behauptet in der Rechtsrüge im Wesentlichen das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel. Ihrer Ansicht nach fehlten Feststellungen zum Wachstum des Glücksspielmarktes, zu der stetigen Ausweitung der Geschäftstätigkeit und des Angebots der Konzessionsinhaber, den exzessiven Werbemaßnahmen, welche von den Konzessionsinhabern betrieben und stetig ausgeweitet würden, der steigenden Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspiel und zur Unwirksamkeit des Spielerschutzes mangels ausreichender Kontrolle. Die österreichischen Höchstgerichte hätten sich mit der unterschiedlichen Behandlung von Glücksspiel und Sportwetten, dem Wachstum des Glücksspielmarktes, den Werbemaßnahmen, welche von der Berufungswerberin aufgezeigt worden seien, der unzureichenden Kontrolle der Werbung, der Unwirksamkeit des Spielerschutzes und dem unzureichenden Rahmen für die Vollziehung aufgrund der Kompetenzverteilung und nicht aufzulösender Interessenskonflikte und Mehrfachfunktionen des BMF in ihrer bisherigen Judikatur nicht ausreichend auseinandergesetzt.
2.2. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (siehe etwa 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i; 1 Ob 78/24p; 7 Ob 150/24w; 6 Ob 157/24t).
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach dem klagsgegenständlichen Spielzeitraum sind bereits etliche weitere Entscheidungen des Obersten Gerichtshof ergangen, welche an der bisherigen Judikatur festhalten (insbesondere jüngst 3 Ob 210/24i, 2 Ob 194/24d, 2 Ob 198/24t).
2.3. Der Oberste Gerichtshof hat dabei auch sämtliche Aspekte, die die Beklagte im Verfahren ins Treffen führte, ausdrücklich behandelt. So hat er auch die Argumente, wonach der Spielerschutz durch die bestehenden Regeln nicht gewährleistet wäre (1 Ob 229/20p; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) wie die Unterscheidung von Online-Glückspiel und Online-Sportwetten (1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 17]; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) bereits ausführlich behandelt. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes C-920/19, Fluctus/Fluentum , wurde auch das inkriminierte Werbeverhalten der Konzessionsinhaber mehrfach behandelt und vom Obersten Gerichtshof eine daraus resultierende Unionsrechtswidrigkeit ausdrücklich verneint (zB 1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 12]; 3 Ob 72/21s).
Aus den von der Beklagten aufgezeigten Zuständigkeiten des BMF zur Vergabe von Konzessionen und der Aufsicht über die Konzessionäre und Eigentümervertreter des Bundes betreffend eine Minderheitsbeteiligung an der C* AG ist kein sich auf den österreichischen Glücksspielmarkt in unionsrechtswidriger Weise im Sinn einer mangelnden Kontrolle auswirkender Interessenkonflikt abzuleiten. § 56 GSpG wurde vom VfGH bereits in seinem Erkenntnis E 945/2016 für unbedenklich erachtet. Das Berufungsgericht sieht sich daher nicht zu dem von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang angeregten Vorabentscheidungsersuchen veranlasst. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ändert auch die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) nichts an dieser Beurteilung. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweise Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f; 3 Ob 69/23b).
Dass nach der Rechtsprechung des EuGH die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen sind, erfordert keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall. Es darf bloß nicht statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden (C-464/15, Admiral ).
2.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die getroffenen Feststellungen für eine rechtliche Beurteilung daher ausreichend.
Neue Aspekte, die in den zitierten Entscheidungen nicht schon behandelt wurden, hat die Beklagte nicht vorgebracht; es kann daher auf diese Entscheidungen verwiesen werden, welchen sich das Berufungsgericht anschließt.
3. Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtslage durch die umfassende Judikatur des Obersten Gerichtshofes geklärt ist (§ 502 Abs 1 ZPO).