2Ob126/22a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des I*, geboren am *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Vertretungsnetz Erwachsenen-vertretung, *, dieser vertreten durch Mag Robert Bitsche, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Mai 2022, GZ 44 R 169/22m 203, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen versagten die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Klagsführung gegen einen Rechtsanwalt, der den Betroffenen bis Herbst 2018 als Sachwalter für alle Angelegenheiten vertreten und eine Antragstellung auf Gewährung von Waisenpension für den Betroffenen unterlassen hatte.
[2] Eine Zustellung der im Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung gefassten Beschlüsse an den Betroffenen erfolgte nicht.
[3] Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs strebt der (durch einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter und den von diesem bevollmächtigten Rechtsanwalt vertretene) Betroffene die Genehmigung der Klagsführung an.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Akt ist aus folgenden Erwägungen dem Erstgericht zurückzustellen :
[5] 1. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Genehmigung einer Klage finden sich in § 132 AußStrG (vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 132 Rz 39 ff), sohin im 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG unter der Überschrift „Vermögensrechte von Personen unter gesetzlicher Vertretung“. § 139 Abs 1 erster Satz AußStrG bestimmt, dass der vertretenen Person – so wie nach § 116a Abs 2 erster Satz AußStrG im 9. Abschnitt des II. Hauptstücks der betroffenen Person – sämtliche Beschlüsse zuzustellen sind. Nach § 139 Abs 1 AußStrG idF des 2. ErwSchG sind der vertretenen Person sämtliche Beschlüsse über die nach dem 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG, daher nach den §§ 132 bis 138 AußStrG getroffenen Maßnahmen zuzustellen. § 116a AußStrG findet sinngemäße Anwendung, weil auch Verfügungen nach diesem Hauptstück (Genehmigungen von Rechtshandlungen in der Vermögenssorge, Bestätigungen der Rechnungslegung, Entscheidungen über Anträge auf Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz) die vertretene Person – wie im Erwachsenenschutzrecht – unmittelbar in ihrer Rechtssphäre berühren. Sie soll daher stets als verfahrensfähig gelten und Adressat der gerichtlichen Zustellungen sein. Ferner soll ihr hier die Möglichkeit zustehen, sehr vereinfacht ein Rechtsmittel zu erheben. Die betroffene (= vertretene) Person ist damit Partei des Verfahrens nach § 132 AußStrG, ihr ist rechtliches Gehör zu gewähren (zu alldem: 8 Ob 120/20k vom 23. 2. 2021 Rz 14 f mwN).
[6] 2. Der betroffenen bzw vertretenen Person steht in einem Verfahren nach § 132 AußStrG damit nicht nur ein eigenes Rechtsmittelrecht, sondern auch ein Recht auf Einbringung einer Rechtsmittelbeantwortung zu (8 Ob 120/20k vom 23. 2. 2021 Rz 17 [zu § 133 AußStrG]).
[7] 3. Das Erstgericht wird daher die Rekursentscheidung an den Betroffenen zur allfälligen Einbringung eines Revisionsrekurses zuzustellen haben (vgl RS0123128), wobei der Betroffene darüber zu belehren sein wird, dass er sich im (seine Vermögensrechte betreffenden) Revisionsrekursverfahren gemäß § 6 Abs 2 iVm § 65 Abs 3 AußStrG durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen muss.
[8] 4. Wie sich der Senat bereits überzeugt hat, ist dem Betroffenen wegen Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage darüber hinaus unter einem die Beantwortung des bereits erhobenen Revisionsrekurses zu ermöglichen.
[9] 5. Erst nach Einlangen eines Rechtsmittels oder einer Rechtsmittelbeantwortung bzw nach fruchtlosem Ablauf der hierfür offenstehenden Fristen wird der Akt neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.