3Ob118/77 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Dienst und Dr. Stix als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ö*, *, vertreten durch Dr. Fritz Schönherr, DDr. Walter Barfuß, DDr. Hellwig Torggler, Dr. Christian Hauer und Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei K* S*, Kaufmann, *, vertreten durch Dr. Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Exekution gemäß § 355 EO), infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 19. September 1977, GZ 26 R 211/77 20, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 11. Juli 1977, GZ 18 Cg 89/76 15, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Laut rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil des Erstgerichtes vom 17. September 1976, 18 Cg 89/76 9, hat es der Verpflichtete zu unterlassen, beim Handel mit Kindersüßwaren unentgeltliche Zugaben, insbesondere Barometer, anzubieten, anzukündigen oder einem größeren Personenkreis zu gewähren, falls keiner der Ausnahmetatbestände nach §§ 2, 3 Zugabengesetz vorliegt.
Zur Erwirkung dieser Unterlassung beantragte die betreibende Partei Exekution gemäß § 355 EO. Sie brachte im wesentlichen vor, der Verpf1ichtete habe seine „Zugabenpolitik geändert“ und nach Rechtskraft des Teilanerkenntnisurteiles drei aus angeschlossenen Prospekten ersichtliche Aktionen durchgeführt, in welchen er zu einem Süßwarensortiment einen Non-food-Artikel zu einem bestimmten Preis anbiete und sodann auf beides einen Rabatt gewähre, der genau dem Preis des Non-food-Artikels entspreche; auch wenn bei den Aktionen laut den Prospekten Beilage B und C eine „Einzelabgabe der gekoppelten Ware noch vorgesehen“ gewesen sei, liege insoweit eine getarnte unzulässige Zugabe vor, bei der Aktion laut Prospekt Beilage D scheine auch dieser winzige Hinweis auf getrennte Kaufmöglichkeiten nicht mehr auf.
Das Erstgericht bewilligte den Exekutionsantrag, das Rekursgericht wies ihn mit dem angefochtenen Beschluß ab. Dieses führte im wesentlichen aus, falls die betreibende Partei im Antrag gemäß § 355 EO ein bestimmtes Verhalten des Verpflichteten behaupte, sei dieses samt den hiefür vorgelegten Urkunden bei Entscheidung über den Exekutionsantrag zu berücksichtigen, auch wenn sich daraus ergebe, daß in Wahrheit kein Verstoß gegen den Exekutionstitel vor1iege.
Von den drei seitens der betreibenden Partei als Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel bezeichneten Aktionen habe der Verpflichtete nach dem Inhalt der Prospekte Beilage B und C die Non-food-Artikel nicht unentgeltlich, sondern gegen ein gesondert angeführtes Entgelt angeboten und außerdem erklärt, daß diese Artikel auch getrennt mit Aktionsrabatt verkauft würden. Es liege daher in diesen Fällen einerseits keine „unentgeltliche“ Zugabe, andererseits eine unechte Kopplung vor, welche überhaupt keine verbotene Zugabe darstelle; selbst bei gegenteiliger Auslegung, also der Annahme einer getarnten (verschleierten) Zugabe, etwa wegen der geringen Schriftgröße des Hinweises auf die getrennte Kaufmöglichkeit, könne das Verhalten des Verpflichteten bei den Aktionen laut Beilage B und C nur als Umgehungshandlung angesehen werden, welche vom Wortlaut des gegenständlichen Exekutionstitels nicht erfaßt sei. Schließlich betreffe die Aktion laut Prospekt Beilage D („Spielend in den Sommer“) nicht den Handel mit Süßwaren, sondern Klebebilder und Spielkarten, die gemeinsam mit einem Feuerzeug angeboten werden.
Da somit im Verhalten des Verpflichteten laut Exekutionsantrag in Wahrheit kein Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel zu erblicken sei, sei der Exekutionsantrag abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß gerichtete Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht gerechtfertigt.
Zunächst ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß in jenen Fällen, in welchen die betreibende Partei im Exekutionsantrag ein bestimmtes Verhalten des Verpflichteten als Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel behauptet, das behauptete Verhalten mit dem Inhalt des Exekutionstitels zu vergleichen und der Exekutionsantrag abzuweisen ist, wenn das behauptete Verhalten nicht als Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel angesehen werden kann (ebenso Heller Berger Stix , 2586, ÖBl 1975, 65, 1966, 144, u.a.).
Hier ist schon dem Vorbringen der betreibenden Partei zu entnehmen, daß der Verpflichtete (auf Grund der Klage, die zum gegenständlichen Exekutionstitel führte) seine Anbote geändert hat. Konsequenterweise vertritt daher die betreibende Partei im Revisionsrekurs auch in erster Linie die Auffassung, ein Unterlassungsgebot erfasse auch gleichartige oder ähnliche Handlungsweisen, falls im Exekutionstitel nicht alle denkbaren Unterlassungen umschrieben werden könnten.
Gerade in der von der betreibenden Partei in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung ÖBl 1975, 65 (= EvBl 1975/94), wird jedoch betont, daß diese Auffassung zur Voraussetzung hat, daß eine genauere Umschreibung der in Betracht kommenden Unterlassungen im Exekutionstitel nicht möglich ist. Es wurde deshalb im Fall der zitierten Entscheidung der Exekutionsantrag abgewiesen, weil dem Verpflichteten laut Exekutionstitel nur das Ankündigen unzulässiger Rabatte (mit näherer Umschreibung) verboten worden war und deshalb das behauptete Gewähren derartiger Rabatte nicht als Zuwiderhandeln qualifiziert wurde, und zwar mit der Begründung, es wäre durchaus möglich gewesen, das Unterlassungsbegehren auch auf die Gewährung derartiger Rabatte zu richten.
Auch hier wäre es entgegen der Meinung der betreibenden Partei ohne weiteres möglich, gegen den Verpflichteten einen nicht bloß auf Unterlassung unzulässiger „offener“ unentgeltlicher Zugaben lautenden Exekutionstitel zu erwirken, sondern vom Verpflichten auch die Unterlassung jeder (allenfalls durch beispielsweise Anführung von Umgehungshandlungen umschriebene) „verschleierten“, also trotz Entgeltlichkeit bzw. bloß formal eingeräumter getrennter Kaufmöglichkeit ungesetzlicher Zugabenankündigung zu begehren (vgl. hiezu einerseits ÖBl 1976, 19, bei der auch die „verschleierte“ unzulässige Rabattgewährung durch Rücknahme eines Altgerätes zu überhöhtem Preis vom Exekutionstitel ausdrücklich erfaßt war, andererseits 3 Ob 10/77, in welchem Fall dem Verpflichteten laut Exekutionstitel lediglich die unverschleierte Gewährung eines 3 % übersteigenden Barzahlungsnachlasses verboten war, weshalb dieser Exekutionstitel als nicht ausreichend angesehen wurde, um auch die erwähnte Form verschleierter Rabattgewährung zu erfassen).
Da es bei Prüfung des Exekutionsbewilligungsantrages nicht darauf ankommt, ob der Verpflichtete das behauptete Verhalten nach den Bestimmungen des materiellen Rechtes unterlassen müßte, sondern ausschließlich darauf, ob ihm dieses Verhalten durch einen Exekutionstitel verboten wurde (vgl. Heller Berger Stix, 187, SZ 47/2 ÖBl 1975, 65 u.a.), ferner nur ein Verhalten des Verpflichteten, welches eindeutig gegen das im Exekutionstitel ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, Exekutionsschritte gemäß § 355 EO rechtfertigt (vgl. Holzhammer , Zwangsvollstreckung, 274, EvBl 1952/31, 1974/19 u.a., aus jüngster Zeit 3 Ob 10/77 und 3 Ob 80/77), hat das Rekursgericht die Aktionen des Verpflichteten laut den Prospekten Beilage B und C zutreffend nicht als (eindeutiges) Zuwiderhandeln gegen den gegenständlichen Exekutionstitel qualifiziert.
Schließlich ist dem Rekursgericht auch darin beizutreten, daß im Anbot des Verkaufes von Klebebildern und Plastikspielzeug kein „Handel mit Kindersüßwaren“ zu erblicken ist, auch wenn sich der Anbieter in diesem Prospekt als „S*, Süßwarenimporte“ (also nicht einmal „Kindersüßwaren“ ) bezeichnete.
Aus allen diesen Erwägungen hat das Rekursgericht den gegenständlichen Exekutionsantrag zutreffend abgewiesen.
Dem Revisionrekurs war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78 EO, 40, 50 ZPO.