JudikaturLG Innsbruck

54 R 40/25s – LG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2025

Kopf

Das Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch Mag. Mühlegger als Vorsitzenden sowie Mag. Linder und Dr. Dietrich als weitere Mitglieder des Senats in der Erwachsenenschutzsache für A*, über den Rekurs der (ehemaligen) gerichtlichen Erwachsenenvertreterin MMag. E*, Rechtsanwältin in ** F*, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 20.02.2025, **-109, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 13.12.2024 (ON 101) wurde die für den Betroffenen bestellt gewesene gerichtliche Erwachsenenvertreterin MMag. E*, Rechtsanwältin in F*, ihres Amtes enthoben und zur neuen Erwachsenenvertreter der Verein G* bestellt.

Am 13.01.2025 hat die vormalige Erwachsenenvertreterin ihren Abschlussbericht erstattet und für das Jahr 2024 eine Entschädigung in Höhe von (netto) EUR 23.083,61 begehrt. Die Liegenschaften des Verstorbenen EZ H* und EZ I* (1/6 Anteil), je KG J* D*, hat die Erwachsenenvertreterin mit EUR 1.064.716,77 als Vermögen in Ansatz gebracht und diesbezüglich auf den aktenkundigen Verkehrswert dieser Liegenschaften verwiesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Bericht und die Rechnungslegung der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2024 zur Kenntnis

genommen und pflegschaftsgerichtlich bestätigt,

2. der Erwachsenenvertreterin für ihre Tätigkeit in diesem Zeitraum eine Entschädigung in Höhe von EUR 1.983,82 (darin enthalten EUR 330,64 an USt.) sowie einen Barauslagenersatz in Höhe von EUR 200,00 zuerkannt und

3. das Mehrbegehren auf Zuerkennung einer weiteren Entschädigung in Höhe von EUR 25.716,51 abgewiesen.

Im angefochtenen Beschluss traf das Erstgericht nachstehende Feststellungen :

[Anmerkung: im Zuge der Pseudonymisierung entfernt]

- Liegenschaft 1/1 Anteil EZ H*, KG J* D* 3-facher EW EUR 7.500,00

- Liegenschaft 1/6 Anteil EZ I*, KG J* D* EUR 0,00

Gesamtvermögen EUR 55.570,06

Zum Stand der Verlassenschaft nach dem verstorbenen Vater M* C* gibt die ehemalige Erwachsenenvertreterin an, dass der Erfüllungsvertrag laut dem Vermächtnis des verstorbenen Vaters für die Schwestern N* und O* noch erstellt werden muss.“

In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht – soweit für das Rekursverfahren relevant – darauf, dass beim Liegenschaftsvermögen vom 3-fachen Einheitswert auszugehen sei, und zwar selbst dann, wenn der Verkehrswert der Liegenschaft aus dem Akt ersichtlich sei. Die Bemessungsgrundlage errechne sich daher mit EUR 55.570,06 (Geldvermögen EUR 48.070,06 plus 3-facher Einheitswert der beiden Liegenschaften), wovon der Freibetrag von EUR 15.000,00 abzuziehen sei. Die Bemessungsgrundlage betrage daher EUR 40.570,06; ausgehend davon errechne sich die Entschädigung aus dem Vermögen mit (netto) EUR 811,00. Die gesamte Entschädigung betrage EUR 1.983,82 (einschließlich USt.) zuzüglich Barauslagenersatz in Höhe von EUR 200,00.

Während die Spruchpunkte 1., 2. und 4. unbekämpft in Rechtskraft erwuchsen, richtet sich gegen Spruchpunkt 3. (Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 25.716,51) der fristgerechte Rekurs der vormaligen Erwachsenenvertreterin mit dem Antrag auf Abänderung in Richtung eines Zuspruchs einer weiteren Entschädigung von EUR 25.716,51.

In seiner rechtzeitigen Rekursbeantwortung beantragt der Betroffene, diesem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der ehemaligen Erwachsenenvertreterin ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin richtet sich in ihrer Rechtsrüge ausschließlich gegen die Berechnung der Entschädigung unter Zugrundelegung des 3-fachen Einheitswertes hinsichtlich der beiden Liegenschaften in D*. Sie argumentiert, dass diese Rechtsansicht unrichtig und bereits überholt sei. Nachdem der Verkehrswert der Liegenschaft bereits aktenkundig und die Einholung eines Gutachtens zur Abgabe der bedingten Erbantrittserklärung zwingend notwendig gewesen sei, sei es unrichtig, den Verkehrswert nicht als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Dies sei im vorliegenden Fall auch sachgerecht, weil sowohl die Personenfürsorge als auch die Verwaltung des Liegenschaftsbesitzes sehr umfangreich gewesen seien.

Dazu hat der Rekurssenat erwogen:

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass – mit Ausnahme der (bereits erfolgten) Veräußerung der Liegenschaft – vom 3-fachen Einheitswert der Liegenschaft auszugehen ist, und zwar selbst dann, wenn der Verkehrswert der Liegenschaft aus dem Akt ersichtlich wäre (zuletzt 54 R 23/25s, 54 R 3/24y, 54 R 31/23i). Begründend wurde bereits zu 54 R 18/13p hervorgehoben, dass eine Differenzierung danach, ob ein Schätzwertgutachten vorliegt oder nicht, nach Ansicht des erkennenden Senats unsachgemäß wäre, weil in diesem Fall die Entschädigung des Erwachsenenvertreters von der Einholung eines Schätzwertgutachtens und damit von einem durch die Betroffenen und dem Erwachsenenvertreter nicht beeinflussbaren Umstand abhängen würde. Diese Differenzierung erachten etwa auch Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 276 ABGB Rz 14 und Entleitner, NZ 2022/91, als unsachlich. Dabei ist auch zu bedenken, dass es durch die Verpachtung und Vermietung der Liegenschaft ohnedies zu entschädigungserhöhenden Einkünften kommt.

Auch die Argumente im Rekurs veranlassen den Rekurssenat aus folgenden Gründen nicht von seiner Rechtsprechungslinie abzugehen.

2. So hat der Verfassungsgerichtshof bereits zu G18/08 u. a. (VfSlg 18.838/2009) die Bestimmung des § 276 ABGB a. F. deshalb als verfassungskonform erachtet, weil es bei Bemessung der Entschädigung aufgrund des 4. Satzes des § 276 Abs 1 ABGB möglich war, eine dem Pflegebefohlenen aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenssituation an sich zumutbare, aber aufgrund der Umstände unangemessen hohe Entschädigungsleistung auf das nach den Grund des 4. Satzes Angemessene zu reduzieren. Es spreche nämlich nichts dagegen, einen besonderen Grund für eine Verminderung der Entschädigung im Sinne des § 276 Abs 1 letzter Satz ABGB jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Bestimmung des Entgelts des Sachwalters nach dem 2. und 3. Satz dieser Bestimmung zwar nicht zu einer Gefährdung der Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen, jedoch zu einer unangemessen hohen Entschädigung führen würde. Dabei sei gleichgültig, ob sich die Unangemessenheit der Entschädigung etwa daraus ergebe, dass das Vermögen und damit die nach dem Vermögen bemessene Entgeltkomponente nach dem 3. Satz dieser Gesetzesstelle besonders hoch sei oder daraus, dass der Aufwand des Sachwalters wegen der Umstände des Einzelfalles oder wegen eines eingeschränkten Wirkungsbereiches entsprechend geringer gewesen sei. Auch eröffnet der Begriff der besonderen Gründe dem Gericht die Möglichkeit der Bedachtnahme darauf, dass sein Vermögen nicht oder nur zum geringen Teil aus (leichter verwertbaren) Geldvermögen besteht und eine Verwertung zum Zwecke der Entschädigungsleistung an den Sachwalter den Pflegebefohlenen ganz oder teilweise nicht zumutbar sei. Daher sind bei der Entscheidung über eine derartige Minderung die gesamten sachlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen der Sachwalterschaft zu berücksichtigen und ist eine differenzierende Bandbreite an zu beurteilenden Kriterien gegeben.

Weiters hat der VfGH zu G27/2014 ua (VfSlg. 19.93) keine Gleichheitswidrigkeit des Anknüpfens an eine Regelung des Außerstreitgesetz über die Bewertung unbeweglicher Sachen mit dem 3-fachen Einheitswert bei der Ermittlung der Gerichtskommissionsgebühren erkannt und den – zulässigen – Gerichtsantrag auf Aufhebung dieser der Inventarerrichtung im Verlassenschaftsverfahren dienenden Bewertungsvorschrift abgewiesen. Begründend verwies der VfGH auf das Fehlen von Bedenken gegen das System der Einheitsbewertung von Liegenschaften an sich und die Rechtfertigung des Anknüpfens an Einheitswerte aus verwaltungsökonomischen Gründen.

Unter Hinweis auf obige Entscheidungen hat der VfGH noch im Jahr 2019 zu G138/2019 die Behandlung eines Antrags gestützt auf die Behauptung der Unsachlichkeit der Heranziehung des 3-fachen Einheitswertes gemäß § 167 Abs 2 AußStrG als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters wegen unzureichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt und begründend ausgeführt, dass die behaupteten Verfassungswidrigkeiten so wenig wahrscheinlich seien, dass keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gegeben sei. § 167 Abs 2 AußStrG verstoße auch hinsichtlich der Bemessung der Entschädigung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Aufgrund der notorisch hohen Verfahrenszahlen seien bei der Beurteilung insbesondere auch verfahrensökonomische Überlegungen mit in Betracht zu ziehen. Durch das Abstellen auf den 3-fachen Einheitswert werde die regelmäßig kostenintensive gerichtliche Schätzung unbeweglicher Güter vermieden. An der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass dem Gesetzgeber andere Möglichkeiten offenstünden, die Bewertung unbeweglichen Vermögens vorzunehmen (iFamZ2020/3).

Zwar hat der Verfassungsgerichtshof auch mehrere (unbeweglich) auf den 3-fachen Einheitswert abstellende Normen behoben, doch handelte es sich dabei stets um ein zwingendes Abstellen auf den 3-fachen Einheitswert und nicht – wie im vorliegenden Fall – um eine einzelfallbezogene Bemessung der Entschädigung unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen des Erwachsenenvertreters einerseits (Erhöhung bei besonderem Aufwand) und des Betroffenen andererseits (angemessene Minderung). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und die Beweglichkeit des Entlohnungssystems bestehen bei einer – wie hier – nach den Umständen des Einzelfalls gerechtfertigten Zugrundelegung des 3-fachen Einheitswerts bei Bemessung der Entschädigung des Erwachsenenvertreters nach Überzeugung des erkennenden Senats auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs keine Bedenken gegen dessen ständige Rechtsprechungslinie. Vielmehr entspricht diese Flexibilität des Abstellens auf die sachgerecht erscheinende Bezugsgröße gerade einer verfassungskonformen Interpretation.

3. Dabei übersieht der erkennende Senat keineswegs, dass zur Frage, welcher Wert bei einer Liegenschaft heranzuziehen ist, in der Literatur und Rechtsprechung verschiedene Auffassungen bestehen, doch ist der Rekurssenat trotz Kenntnis der von der Rechtsmittelwerberin aufgezeigten Entwicklungen in der Rechtsprechung immer noch der Auffassung, dass mit einer auf Basis des 3-fachen Einheitswertes des Liegenschaftsvermögens bemessenen Entschädigung den mit dem Amt verbundenen Mühen und Lasten des Erwachsenenvertreters in einer Vielzahl von Fällen durchaus angemessen Rechnung getragen werden kann.

Der Judikaturwechsel vieler Landesgerichte wird mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründet, die der erkennende Senat im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des VfGH, insbesondere im Hinblick auf die gerade vom VfGH betonte Flexibilität der Bestimmung des §§ 276 ABGB nicht als zwingend ansieht; vielmehr widerspräche gerade ein genereller Ausschluss eines Abstellens auf den 3-fachen Einheitswert der vom VfGH betonten Flexibilität. So verwendet der VfGH zu G18/08 auch das Argument, das Geldvermögen leichter verwertbar ist. Auch der Rekurssenat erachtet es als maßgeblich, dass es sich bei Liegenschaftsvermögen im Gegensatz zu einem Sparguthaben gerade nicht um liquides Vermögen handelt, welches einfach nach und nach zur Abdeckung der Entschädigung des Erwachsenenvertreters herangezogen werden kann. Vielmehr muss Liegenschaftsvermögen (das zudem nach der Intention des Gesetzgebers (§ 258 Abs 5 ABGB iVm § 223 ABGB) den Betroffenen zur Absicherung möglichst erhalten werden soll) häufig allein aufgrund der sich sonst anhäufenden Schulden beim Erwachsenenvertreter veräußert werden. So zeigt sich in vielen Fällen, dass im Fall einer länger dauernden Erwachsenenvertretung bei Zugrundelegung des Schätzwertes Kosten anfallen würden, die eine fortlaufende Verwertung eines erheblichen Teils des Liegenschaftsvermögens unumgänglich machen würden. Auch darf nicht ganz unberücksichtigt bleiben, dass keine Klarstellung durch den Gesetzgeber des 2. ErwSchG erfolgte, die aber einfach möglich gewesen wäre, was insbesondere auch im Hinblick auf die aus dem Gesetz sonst ersichtlichen Wertungen (besondere Schutzwürdigkeit der betroffenen Person, Erhaltung von Liegenschaftsvermögen) bedeutsam erscheint. Zudem wurde für besondere Aufwendungen und Risiken des Erwachsenenvertreters vom Gesetzgeber ohnedies durch die Bestimmungen des § 276 Abs 4 ABGB Vorsorge getragen und erfordern auch diese Argumente kein Abgehen von der Rechtsprechungslinie des erkennenden Senats. Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass es sich bei der Entschädigungsbemessung um jährlich in großer Zahl anfallende Verfahren handelt, die für die Gerichte auch mit zumutbarem Aufwand bewältigbar sein müssen. Dabei erachtet der Rekurssenat die neue Rechtsprechung des LG Wels, wonach die Wahl einer der in § 4 GrEStG bzw. der Grundstückswertverordnung angeführten Berechnungsarten für die Liegenschaftsbewertung des Steuerpflichtigen nach jener Methode zu erfolgen hat, die für ihn die geringste Belastung bedeutet, auch als höchst unökonomisch, müssten dann doch sämtliche Berechnungsvarianten vorgenommen und die geringste gewählt werden.

Aus all diesen Gründen, ganz maßgeblich aber aufgrund der vom VfGH zu G27/2014 und zu G138/2019 betonten verfahrensökonomischen Überlegungen (hohe Fallzahl von Vermögensentschädigungen bei Gericht) trotz anderer Möglichkeiten des Gesetzgebers, die Bewertung unbeweglichen Vermögens vorzunehmen, sieht es das Rekursgericht auch hier als sachgerecht an, an seiner ständigen Rechtsprechung festzuhalten. Auch die „Einzelfallgerechtigkeit“ erfordert kein anderes Ergebnis, würde doch die von der ehemaligen Erwachsenenvertreterin geforderte Entschädigung die Jahreseinkünfte des Betroffenen (deutlich) übersteigen und wohl die Auflösung seines Wertpapierdepots erforderlich machen. Damit ist es aber auch im Einzelfall angemessen, an der Bewertung des Liegenschaftsvermögens nach dem 3-fachen Einheitswert festzuhalten; der vom Betroffenen lukrierte Pachtzins ist ohnedies als Einkommen berücksichtigt worden.

Dem Rekurs war daher insgesamt der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses stützt sich auf § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG (zur Belohnung/Entschädigung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters vgl. 1 Ob 149/21z, 6 Ob 202/20d).