JudikaturLG für ZRS Wien

34R31/25y – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
22. Juli 2025

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht fasst durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag.a Romana Fritz und den Richter Dr. Erich Hueber in der Rechtssache des Klägers P**J** , geb am ****, Z** Straße **, **** Wien, vertreten durch Dr. Werner Schostal, Rechtsanwalt in Wien, wider die Beklagte H** GmbH Co KG , B**gasse **, ****, vertreten durch die Dr. Peter Lindinger Dr. Andreas Pramer GesbR, Rechtsanwälte in Linz, wegen Besitzstörung, über den Rekurs der Beklagten gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 03.03.2025, 6 C 763/24x-13, den

BESCHLUSS:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

BEGRÜNDUNG:

Text

Mit Besitzstörungsklage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte oder eine Person, der sie ihr Kraftfahrzeug überlassen hat, dieses Kraftfahrzeug eigenmächtig unmittelbar vor der Hauseinfahrt auf öffentlichem Grund abgestellt und geparkt, in den ruhigen Besitz des Klägers an seinem im Innenhof dieser Liegenschaft befindlichen Pkw-Stellplatz eingegriffen und diesen gestört hat und dass die Beklagte schuldig sei, jede weitere derartige Störung zu unterlassen.

Die Beklagte wendete ein , der Kläger sei nicht in seinem Besitz gestört worden. Dass das in der Klage genannte Fahrzeug vor der Zufahrt zum in der Klage genannten Grundstück abgestellt bzw. geparkt wurde, werde bestritten. Der Stillstand des Transporters habe drei Minuten gedauert, von denen möglicherweise zwei Minuten das Fahrerhaus nicht besetzt gewesen sei; auch während dieser zwei Minuten habe sich der Fahrer in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs aufgehalten.

Mit dem angefochtenen Endbeschluss gab das Erstgericht der Besitzstörungsklage statt und stellte – soweit für das Rechtsmittel relevant – fest: Der Kläger ist Wohnungseigentümer eines Hauses mit im Innenhof gelegenen PKW-Stellplatz. Die private Hauseinfahrt zu dieser Liegenschaft ist durch eine abgeschrägte Auffahrt zum Gehsteig und durch die von außen deutlich sichtbare Mechanik zum vollautomatischen Öffnen der Torflügel eindeutig als Einfahrt erkennbar. Die Hauseinfahrt zu den PKW-Stellplätzen im Innenhof ist erkennbar. Der Lenker des auf die Beklagte zugelassenen Sattelschleppers hielt vor der Hauseinfahrt an. Auf einer in unmittelbarer Nähe befindlichen Baustelle war ein Kran der Beklagten aufgestellt. Der Fahrer hielt mit seinem Sattelschlepper an, um sich über die Zufahrtsmöglichkeiten seines Fahrzeuges zu dem aufgestellten Kran Gasse zu vergewissern. Der Fahrer verließ das Fahrzeug, ging zur Baustelle und kehrte nach ungefähr fünf Minuten wieder zu seinem Fahrzeug zurück. Nachdem der Kläger das Anhalten dieses Fahrzeuges vor seiner Einfahrt bemerkte, fotografierte er dieses. Der Fahrer des LKWs nahm bei seinem Rückweg zu seinem Fahrzeug den Kläger wahr, welcher das Fahrzeug fotografierte. Eine Kontaktaufnahme erfolgte nicht. Rechtlich führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass für eine Besitzstörung eine bestimmte Dauer des Abstellens eines Fahrzeuges nicht erforderlich sei. Die Gründe für das Anhalten lägen in der Sphäre der Beklagten. Zwar liege keine Besitzstörung vor, sofern sich der Haltende im Rahmen der Bestimmung des § 23 Abs 3 StVO bewege. Im vorliegenden Fall habe sich der Lenker jedoch aus dem Fahrzeug entfernt und sei für den Kläger nicht wahrnehmbar gewesen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Endbeschluss in eine Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Sinne des im Abänderungsantrag innewohnenden Aufhebungsantrag berechtigt .

Die Beklagte führt in ihrer Rechtsrüge im Wesentlichen aus, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt keine Besitzstörungshandlung ableiten lasse. Es sei nicht festgestellt worden, dass dem Kläger während des Zeitraums des Abstellens eine Nutzung der Zufahrt überhaupt unmöglich gewesen sei und dass er während dieser Zeit einfahren oder ausfahren habe wollen. Weiters wendet die Beklagte ein, dass das Verhalten des Lenkers zwar eine Verwaltungsübertretung gem § 24 Abs 3 lit b StVO begründet haben möge, es jedoch keinen Rechtsgrundsatz gebe, wonach jede Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs 3 lit b StVO eine Besitzstörungshandlung des Fahrzeughalters gegenüber dem Eigentümer der Zufahrt darstelle. Es sei weder behauptet noch festgestellt worden, dass die Beklagte dem Fahrzeuglenker die Weisung zu diesem Verhalten erteilt habe oder auch nur in der Lage gewesen sei, dieses Verhalten in irgendeiner Form zu verhindern. Auch gebe es keine Feststellungen, wonach es dem Kläger im vorliegenden Fall nicht zumutbar gewesen sei, die Beklagte zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers aufzufordern oder dass sich die Beklagte im Falle einer entsprechenden Aufforderung geweigert habe, den Namen des Lenkers zum Zeitpunkt der angeblichen Besitzstörungshandlung bekanntzugeben.

Dazu erwog das Rekursgericht :

Entgegen den Rekursausführungen ist nicht maßgeblich, ob ein Fahrzeug während der Störung tatsächlich zu- oder abfahren wollte (LGZ Wien, 34 R 41/22i). Es kommt nicht darauf an, ob durch die Handlungsweise des Störers tatsächlich das Zufahren bestimmter Fahrzeuge erschwert oder unmöglich gemacht wurde oder nicht (MietSlg. 31.020, MietSlg. 45.009; zu alldem mwN LGZ Wien 34 R 14/17m).

Eine bestimmte Mindestdauer des Eingriffs ist grundsätzlich nicht erforderlich ( Kodekin Fenyves/Kerschner/Vonkilch, § 339 ABGB Rz 101; Binderlehner/Wachter, Zak 2024/142; MietSlg. 27.028 und MietSlg. 45.009). Lediglich bei extrem geringfügigen Eingriffen, die kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet, liegt keine Störung im Rechtssinne vor. Das Zuparken einer Ausfahrt in der Dauer von fünf Minuten ist kein derart geringer Eingriff, dass ihn kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet (RIS-Justiz RFE0000066; vgl auch LGZ Wien, 34 R 14/17m).

Bei Besitzstörungen durch Kraftfahrzeuge stellt das Rekursgericht in stRsp nicht auf das Vorliegen besonderer Zurechnungskriterien ab (42 R 16/71 = MietSlg 23.031; Kodek, Zak 2024/143, S 88; zuletzt: 34 R 168/24v = RWZ0000238; 35 R 101/24y; 34 R 6/23v; 34 R 94/21g). Der Fahrzeughalter wird als passivlegitimiert angesehen, wenn derjenige, dem er das Fahrzeug überlassen hat, fremden Besitz stört. Denn die Verwendung des Fahrzeugs durch einen (befugten) Dritten erfolgt regelmäßig (auch) im Interesse des Halters ( Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch 3 § 339 Rz 121); so auch im vorliegenden Fall, in dem der Fahrzeuglenker den Feststellungen nach zu einem ebenfalls im Eigentum der Beklagten stehenden Kran auf einer dem Störungsort nahegelegenen Baustelle fahren wollte.

Der Halter hat idR durch entsprechende Weisungen und Androhung des Entzugs des Fahrzeugs die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, die Störungshandlung zu steuern, gegebenenfalls zu verhindern und zu beseitigen; von ihm kann erwartet werden, dass er sein Fahrzeug nur solchen Personen überlässt, von denen er annehmen darf, dass sie sich an die Weisungen gebunden fühlen und beim Lenken des Fahrzeuges rechtmäßig verhalten (vgl LGZ Wien 34 R 94/21g; ZVR 1990/115; ZVR 1990/100; Kodek in Fasching/Konecny 3III/2 § 454 ZPO Rz 84 [Stand 1.11.2017, rdb.at]). Eine gesonderte Feststellung, wonach die Beklagte dem Fahrzeuglenker die Weisung zum besitzstörenden Verhalten erteilt habe oder in der Lage gewesen sei, dieses Verhalten in irgendeiner Form zu verhindern, war dementsprechend nicht nötig.

Weiters nicht relevant sind Feststellungen in Zusammenhang mit einer etwaigen Aufforderung des Klägers zur Bekanntgabe des Lenkers des Beklagtenfahrzeugs. Denn wegen der im Besitzstörungsverfahren normierten Klagefrist kann die in einzelnen Entscheidungen vertretene Auffassung, den Halter nur dann als passivlegitimiert zu erachten, wenn dieser die Bekanntgabe des Lenkers verweigert, obwohl ihm dies leicht möglich wäre, nicht auf den Besitzschutz übertragen werden ( Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch 3§ 339 Rz 122; LGZ Wien 63 R 2/20i). Von dem in seinem Besitz Gestörten die Behauptung spezieller – oft nur dem Halter bekannter – Zurechnungskriterien zu verlangen (etwa wer unmittelbarer Störer war, auf welche Art und Weise es dem mittelbaren Störer möglich ist, Störungen abzustellen), wie dies in der – allerdings im petitorischen Verfahren ergangenen – Entscheidung 8 Ob 105/15x gefordert wurde, würde eine vorprozessuale Ermittlungstätigkeit des Gestörten voraussetzen, welche mit dem Ziel, Besitzschutzansprüche in einem beschleunigten Verfahren geltend zu machen und zu klären, nicht in Einklang steht (siehe zu alldem mwN: LGZ Wien, 34 R 168/24v).

Zuletzt ist für die Ausübung des Besitzes an einem Autoabstellplatz eine ungehinderte Zu- und Abfahrt erforderlich; diese ist Bestandteil des Besitzes (MietSlg 21.026, MietSlg 23.030, MietSlg 24.023, MietSlg 25.022). Für das Vorliegen einer Besitzstörung genügt es, dass ein abgestelltes Fahrzeug im Bereich der Einfahrt eine Erschwerung der Ausübung des Besitzes darstellt, wenn also das Zu- und Abfahren eines Durchschnittsfahrers erheblich erschwert oder gefährlich wird (LGZ Wien, 34 R 41/22i).

Zutreffend bemängelt hier der Rekurswerber, dass eine solche Feststellung im Endbeschluss fehlt. Zwar hat das Erstgericht festgestellt, dass der auf die Beklagte zugelassene Sattelschleppers vor der Hauseinfahrt anhielt. Dass damit eine (erhebliche) Erschwerung der Zu- und Abfahrten einhergeht, wurde vor Erstgericht jedoch nicht festgestellt. Dies ergibt sich mit der hiefür erforderlichen Sicherheit auch nicht aus den Fotos (Beilage B).

Vor diesem Hintergrund erweist sich eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als unvermeidlich, in erster Linie weil die getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um eine abschließende rechtliche Beurteilung vornehmen zu können.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.