JudikaturJustizBsw28601/11

Bsw28601/11 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2015

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer III, Beschwerdesache G. S. B. gg. die Schweiz, Urteil vom 22.12.2015, Bsw. 28601/11.

Spruch

Art. 8 EMRK, Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK - Übermittlung von Bankdaten von US-Bürgern aufgrund eines völkerrechtlichen Abkommens.

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 8 EMRK (einstimmig).

Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 8 EMRK (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 8 EMRK (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Beim Bf. handelt es sich um einen saudischen und amerikanischen Staatsbürger, der in Miami lebt.

2008 entdeckten die US-Steuerbehörden, dass tausende amerikanische Steuerzahler Bankkonten bei der Schweizer Bank UBS SA (im Folgenden »UBS«) besaßen, die gegenüber den nationalen Behörden nicht deklariert worden waren. UBS drohte damit aufgrund ihrer eigenen Rolle ein Strafverfahren. Zudem brachten die US-Behörden ein Zivilverfahren gegen die Bank ein, um eine Offenlegung der Identitäten ihrer US-Kunden zu erreichen. Da die Schweiz befürchtete, dass der folgende Streit zwischen den US-Behörden und UBS einen Konflikt zwischen Schweizer und US-Recht auslösen könnte (insbesondere, wenn die US-Steuerbehörden die Informationen über die Identitäten der betroffenen US-Bürger erhalten sollten), schlossen die Schweizer Regierung und die Vereinigten Staaten am 19.8.2009 ein Abkommen (im Folgenden »Abkommen 09«), das die Voraussetzungen für die Identifizierung der betreffenden US-Bürger regelte.

Am 31.8.2009 ersuchten die amerikanischen Steuerbehörden die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESV) um Verwaltungszusammenarbeit, um Informationen über US-Steuerzahler zu erhalten, die Bankkonten bei der UBS hatten. Die ESV entschied sich am 1.9.2009 dazu, ein solches Kooperationsverfahren zu initieren und ersuchte UBS, detaillierte Dateien über die im Anhang zum Abkommen 09 bezeichneten Kunden zu liefern.

Um Probleme bei der Umsetzung des Abkommens zu vermeiden, verhandelte die Schweiz mit den USA am 31.3.2010 ein Protokoll dazu aus (im Folgenden: »Protokoll 10«).

Am 19.1.2010 übermittelte die UBS die Datei des Bf. an die ESV. Mit Entscheidung vom 7.6.2010 befand diese, dass alle Bedingungen erfüllt seien, um die Verwaltungskooperation mit den amerikanischen Steuerbehörden vorzunehmen und diesen die verlangten Dokumente zu übergeben. Nachdem der Bf. gegen diese Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) berufen hatte, hob dieses die Entscheidung der ESV auf, da das rechtliche Gehör des Bf. verletzt worden wäre, und verwies den Fall an die ESV zurück. Am 4.11.2010 bestätigte die ESV ihre erste Entscheidung, nachdem sie dem Bf. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte. Der Bf. erhob daraufhin erneut Beschwerde an das BVGer, das diese jedoch am 2.3.2011 abwies.

Am 24.3.2011 erhob der Bf. eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht, da die Erwägungen in dem angefochtenen Urteil lediglich für die strafrechtliche Zusammenarbeit relevant wären, nicht aber für die verwaltungsrechtliche. Das Bundesgericht erklärte diese Beschwerde für unzulässig und befand, dass die Entscheidungen der ESV in der Tat der Amtshilfe unterfallen würden.

Die Details über das Bankkonto des Bf. wurden am 14.12.2012 an die US-Steuerbehörden übermittelt.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. rügt eine Verletzung von Art. 8 EMRK (hier: Recht auf Achtung des Privatlebens) durch die Offenlegung seiner Bankdaten. Er sieht auch Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) iVm. Art. 8 EMRK verletzt, da Kunden von anderen Banken als UBS nicht von der steuerlichen Amtshilfe betroffen gewesen seien.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK

(47) Feststellend, dass die vorliegende Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet [...] und auch aus keinem anderen Grund unzulässig ist, erklärt sie der GH für zulässig (einstimmig).

(50) [...] Der Bf. wurde spätestens am 14.12.2012 Opfer eines Eingriffs in sein Recht auf Achtung des Privatlebens, als seine Bankdaten tatsächlich an die amerikanischen Steuerbehörden übermittelt wurden.

(51) Es ist auch nicht zweifelhaft, dass Informationen über Bankdaten als durch Art. 8 EMRK geschützte persönliche Daten anzusehen sind.

Gesetzlich vorgesehen

(71) Der Bf. rügt im Wesentlichen zwei Aspekte: einerseits das Fehlen einer formellen Anordnung, was die gesetzliche Grundlage der strittigen Maßnahme in Frage stelle, und andererseits die mangelnde Vorhersehbarkeit der Maßnahme, die sich laut ihm aus der rückwirkenden Anwendung der fraglichen Instrumente [(des Abkommens 09 und des Protokolls 10)] ableite.

Zum Fehlen eines »fakultativen Referendums« und der vorherigen parlamentarischen Genehmigung im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage der Maßnahme

(72) Was den ersten Aspekt angeht, stellt der GH fest, dass die Meinungen der Parteien im Hinblick auf die Frage, ob diese Instrumente aus verfassungsmäßiger Sicht der Möglichkeit eines »fakultativen Referendums« unterworfen werden hätten müssen, beträchtlich auseinandergehen.

Dem GH steht es jedoch insofern nicht zu, die Frage zu entscheiden, als er [...] weitgehend kein Interesse am Verfahren hat, das zur Annahme dieses oder jenes Gesetzes führen konnte, welches zur Stützung eines Eingriffs in ein von der Konvention geschütztes Recht geltend gemacht wird. Die einzige Grenze ist die Willkür.

(73) Diesbezüglich erinnert der GH daran, dass das Abkommen 09 und das Protokoll 10 vom Bundesrat verhandelt und abgeschlossen, von der Bundesversammlung genehmigt und dann von der Regierung ratifiziert wurden, so wie es im Verfahren zum Abschluss von Verträgen vom Verfassungsrecht vorgesehen ist. Selbst unter der Annahme, dass das Abkommen 09 und das Protokoll 10 der Möglichkeit eines »fakultativen Referendums« unterworfen werden hätten müssen – eine zwischen den Parteien strittig gebliebene Frage –, wäre die gesetzliche Grundlage für die strittige Maßnahme dadurch nicht inexistent geworden.

(74) Soweit der Bf. schließlich behauptet, dass es der Entscheidung der ESV vom 1.9.2009 wegen der fehlenden Genehmigung des Abkommens 09 durch das Parlament zu diesem Zeitpunkt ebenfalls an einer gesetzlichen Grundlage fehlte, teilt der GH die Ansicht der Regierung, wonach diese Entscheidung nicht die Gewährung der Amtshilfe betraf, sondern der ESV schlicht erlauben sollte zu untersuchen, ob die Bedingungen für die Gewährung dieser Unterstützung erfüllt waren. Jedenfalls wurde die sofortige provisorische Anwendung des Abkommens 09 von der Regierung anlässlich seiner Genehmigung und jene des Protokolls 10 von der Bundesversammlung am 17.6.2010 bestätigt.

Zur behaupteten fehlenden Vorhersehbarkeit wegen der rückwirkenden Anwendung der strittigen Verträge

(75) Der GH erinnert daran, dass seine Rolle darin besteht, sich der Qualität der gesetzlichen Grundlage des Eingriffs und insbesondere ihrer Zugänglichkeit und der ausreichenden Vorhersehbarkeit ihrer Anwendung zu vergewissern. Im vorliegenden Fall behauptet der Bf. nicht, dass die beiden betroffenen Instrumente für ihn nicht zugänglich gewesen wären. Er beschwert sich hingegen über die fehlende Vorhersehbarkeit ihrer Durchführung.

(76) Was die Vorhersehbarkeit der strittigen Maßnahme angeht, erinnert der GH daran, dass die Konvention nicht isoliert ausgelegt werden darf, sondern im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts interpretiert werden muss. Es muss in der Tat gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. c der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) von 1969 »jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbarer einschlägiger Völkerrechtssatz« berücksichtigt werden, insbesondere jene betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte [...]. Im vorliegenden Fall erachtet der GH das Argument des Bundesgerichts und der Regierung nicht als irrelevant, wonach schon Art. 28 WVK (Anm: Dieser lautet: » Sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, binden seine Bestimmungen eine Vertragspartei nicht in bezug auf eine Handlung oder Tatsache, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags hinsichtlich der betreffenden Vertragspartei vorgenommen wurde oder eingetreten ist, sowie in bezug auf eine Lage, die vor dem genannten Zeitpunkt zu bestehen aufgehört hat. «) für die Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages die Möglichkeit schafft, dem Prinzip der Nichtrückwirkung entgegenzutreten und vorzusehen, dass ein früher aufgetretener Umstand berücksichtigt wird.

Was allerdings jene Konvention anbelangt, die den GH in erster Linie interessiert – die EMRK, die ein Instrument ist, das unmittelbare rechtliche Wirkungen gegenüber Individuen entfaltet –, muss eine mögliche rückwirkende Anwendung eines anderen völkerrechtlichen Vertrages am Maßstab der Anforderungen ihrer eigenen Bestimmungen beurteilt werden, und im gegenständlichen Fall insbesondere des Art. 8.

(77) Der GH erinnert daran, dass er in seinem Urteil Brualla Gómez de la Torre/E [...] als einen »allgemein anerkannten Grundsatz« zugelassen hat, dass ohne ausdrückliche gegenteilige Bestimmung die Verfahrensgesetze sogleich auf die laufenden Verfahren Anwendung finden. Nun existierte im vorliegenden Fall aber, wie von der Regierung betont, keine derartige ausdrückliche Ausnahme. Der GH beobachtet, dass im Übrigen vom Bf. nicht bestritten wird, dass die Amtshilfe im Bereich der Steuern zum Verfahrensrecht gehört.

(78) Im vorliegenden Fall existierte eine ständige Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach die Bestimmungen über die Amtshilfe und die Rechtshilfe in Strafsachen, welche Dritte verpflichten, gewisse Auskünfte zu geben, verfahrensrechtlicher Natur sind und daher grundsätzlich auf alle laufenden oder kommenden Verfahren Anwendung finden, auch auf diejenigen, die Steuerjahre vor ihrer Annahme betreffen.

Der Bf., welcher vor den nationalen Instanzen gebührend durch einen Anwalt vertreten war, konnte diese gerichtliche Praxis nicht mit treffenden Gründen verkennen. Deshalb kann er vor dem GH nicht argumentieren, dass der Eingriff auf für ihn unvorhersehbare Weise erfolgte.

(79) Zudem kann man nicht behaupten, dass die zuvor restriktive Praxis der Schweizer Behörden im Bereich der steuerlichen Amtshilfe seitens des Bf. die Erwartung schaffen hätte können, sein Vermögen weiter in der Schweiz anlegen zu können und dabei frei von jeder Kontrolle durch die zuständigen amerikanischen Behörden oder auch nur von der Möglichkeit rückwirkender Kontrollen zu bleiben.

(80) Angesichts all des Vorgesagten muss festgestellt werden, dass die strittige Maßnahme »gesetzlich vorgesehen« iSd. Art. 8 Abs. 2 EMRK war.

Legitimes Ziel

(83) Da der Bankensektor für die Schweiz einen wichtigen wirtschaftlichen Zweig darstellt, befindet der GH, dass die gerügte Maßnahme, die Teil eines globalen Versuchs der Schweizer Regierung war, den Konflikt zwischen UBS und den amerikanischen Steuerbehörden zu regeln, mit gutem Grund als Beitrag zum Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes angesehen werden konnte. Diesbezüglich akzeptiert er das Vorbringen der Regierung, wonach die Ansprüche der amerikanischen Steuerbehörden gegen die Schweizer Banken sogar den Weiterbestand von UBS als bedeutendem Akteur in der Schweizer Wirtschaft und Arbeitgeber einer beträchtlichen Zahl von Personen gefährden konnten; daraus folgt das Interesse der Schweiz, mit den Vereinigten Staaten eine wirksame rechtliche Regelung zu treffen.

(84) Angesichts des Vorgesagten befindet der GH, dass die strittige Maßnahme ein legitimes Ziel iSd. Art. 8 Abs. 2 EMRK verfolgte.

»In einer demokratischen Gesellschaft notwendig«

(92) Der GH stellt zunächst fest, dass der Bf. keine sehr stichhaltigen Argumente vorbringt, um die Idee der Unverhältnismäßigkeit der strittigen Maßnahme zu stützen [...].

Er betont hingegen, dass das BVGer geurteilt hat, dass die Bedingungen, denen Art. 8 Abs. 2 EMRK jeden Eingriff in das Privat- oder Familienleben unterwirft, im vorliegenden Fall erfüllt waren, und zwar indem es befand, dass die bedeutenden für das Land auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen Interessen sowie das Interesse der Schweiz, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen achten zu können, dem individuellen Interesse der von der Amtshilfe betroffenen Personen vorging, ihre Vermögenslage geheim zu halten. Diese Argumentation wird von der Regierung in ihren Beobachtungen vor dem GH weitgehend übernommen.

(93) Was das private Interesse des Bf. anbelangt, geht aus der [...] Rechtsprechung [des GH] hervor, dass der persönlichen Daten zuerkannte Schutz von einer bestimmten Zahl an Faktoren abhängt, darunter die Natur des fraglichen, von der Konvention garantierten Rechts, seine Bedeutung für die betroffene Person, die Natur des Eingriffs und der Zweck desselben. Nach dem Urteil S. und Marper/GB ist der Ermessensspielraum des Staates umso mehr eingeengt, als das fragliche Recht eine Bedeutung hat, um dem Einzelnen den wirksamen Genuss der ihm zuerkannten Grundrechte oder »intimen« Rechte zu garantieren. Wenn ein für die Existenz oder die Identität eines Individuums besonders bedeutender Aspekt auf dem Spiel steht, ist der dem Staat eingeräumte Spielraum eng begrenzt.

Betreffend die Situation des Bf. muss beachtet werden, dass allein seine Bankdaten in Frage stehen, also rein finanzielle Informationen. Es handelt sich somit nicht um intime Daten oder solche, die eng mit seiner Identität verbunden sind, und die einen erhöhten Schutz verdient hätten. Daraus folgt, dass der Ermessensspielraum der Schweiz weit ist.

(94) Unter Bezugnahme auf die Beobachtungen zur Frage des Vorliegens eines legitimen verfolgten Ziels gesteht der GH zu, dass die Schweiz ein bedeutendes Interesse hatte, dem Amtshilfeersuchen der Vereinigten Staaten zu entsprechen, um es den amerikanischen Behörden zu erlauben, das Vermögen nachzuvollziehen, das in der Schweiz verborgen worden sein könnte. Mit dem Abschluss des Abkommens 09 und des Protokolls 10 konnte sie einen gröberen Konflikt mit den Vereinigten Staaten vermeiden.

(95) Was die Auswirkungen der strittigen Maßnahme auf den Bf. betrifft, beobachtet der GH hier noch, dass diese im Rahmen eines Amtshilfeverfahrens erfolgte und nicht eines in den Vereinigten Staaten geführten Strafverfahrens, das rein potenziell blieb und immer noch bleibt; Ersteres stellte höchstens eine Vorstufe für Zweiteres dar.

Mit anderen Worten wurden die betroffenen Bankdaten den zuständigen amerikanischen Behörden übermittelt, um diesen zu erlauben, im Rahmen der vorgesehenen Verfahren zu prüfen, ob der Bf. sich an seine steuerlichen Verpflichtungen gehalten hatte und – sollte dies nicht zutreffen – daraus die rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

(96) Der GH beobachtet auch, dass der Bf. von gewissen verfahrensrechtlichen Garantien gegen die Übermittlung seiner Daten an die amerikanischen Steuerbehörden profitiert hat. Zunächst konnte er gegen die Entscheidung der ESV vom 7.6.2010 ein Rechtsmittel beim BVGer einlegen. Dieses Gericht hob die genannte Entscheidung in der Folge wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Bf. auf. Die ESV forderte den Bf. daher auf, binnen der festgesetzten Frist seine etwaigen Beobachtungen zu übermitteln. Der Bf. machte von diesem Recht Gebrauch. Am 4.11.2010 erließ die ESV eine neue Entscheidung, die korrekt begründet war und in der sie zum Schluss kam, dass alle Bedingungen erfüllt waren, um die Amtshilfe zu gewähren. In der Folge rief der Bf. ein zweites Mal das BVGer an, das seine Beschwerde allerdings mit Urteil vom 2.3.2011 zurückwies. Daraus folgt, dass der Bf. über mehrere wirksame und tatsächliche verfahrensrechtliche Garantien verfügte, um die Übermittlung seiner Bankdaten anzufechten und ihn daher vor einer willkürlichen Durchführung der zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten geschlossenen Abkommen zu schützen.

(97) Angesichts der Gesamtheit der Umstände des vorliegenden Falles und insbesondere der wenig persönlichen Natur der enthüllten Daten war es für die Schweiz nicht unvernünftig, dem allgemeinen Interesse einer wirksamen und zufriedenstellenden Regelung mit den Vereinigten Staaten den Vorzug vor dem privaten Interesse des Bf. zu geben. Daher hat die Schweiz ihren Ermessensspielraum nicht überschritten.

(98) Daraus folgt, dass es zu keiner Verletzung von Art. 8 EMRK gekommen ist (einstimmig).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 14 iVm. Art. 8 EMRK

(102) Der GH befindet, dass die vorliegende Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet [...] und auch aus keinem anderen Grund unzulässig ist und erklärt sie daher für zulässig (einstimmig).

(103) Dennoch kommt der GH auch unter der Annahme, dass der Bf. sich in einer vergleichbaren Situation zu jener der Kunden anderer Banken befand, die nicht Gegenstand eines Informationsaustausches mit den amerikanischen Steuerbehörden waren, im Wesentlichen aus denselben Gründen wie den zur Stützung der Nichtverletzung von Art. 8 EMRK angeführten zum Schluss, dass der Bf. keine diskriminierende Behandlung iSd. Art. 14 iVm. Art. 8 EMRK erlitten hat. Es muss hinzugefügt werden, dass der Bf. keinen Beweis beigebracht hat, der es erlauben würde, das Vorliegen einer unterschiedlichen oder günstigeren Behandlung in einer anderen Schweizer Bank zu beurteilen.

Daher erfolgte keine Verletzung von Art. 14 iVm. Art. 8 EMRK (einstimmig).

Vom GH zitierte Judikatur:

Brualla Gómez de la Torre/E v. 19.12.1997

S. und Marper/GB v. 4.12.2008 (GK) = NL 2008, 356 = EuGRZ 2009, 299

Bigaeva/GR v. 28.5.2009 = NL 2009, 146

Neulinger und Shuruk/CH v. 6.7.2010 (GK) = NLMR 2010, 211

M. N. u.a./RSM v. 7.7.2015 = NLMR 2015, 332

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 22.12.2015, Bsw. 28601/11, entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NLMR 2015, 521) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im französischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/15_6/G.S.B.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Rechtssätze
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