JudikaturJustiz9Os60/79

9Os60/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 1979

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführerin über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Kreisgerichtes Korneuburg vom 28. November 1978, GZ Ns 268/78-3 und 4, mit denen der Untersuchungsrichter die Zuständigkeit zur Erteilung einer Sprecherlaubnis an den Vollzugsbediensteten Franz A in Anspruch nahm, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Dadurch, daß der Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Korneuburg mit den Beschlüssen vom 28.November 1978, GZ Ns 268/78-3 und 4, die Zuständigkeit zur Erteilung einer Sprecherlaubnis an den Vollzugsbediensteten Franz A in Anspruch nahm, wurde das Gesetz im § 188 Abs 3

StPO verletzt.

Text

Gründe:

Mit den im Spruch bezeichneten Beschlüssen erteilte der Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Korneuburg, einem Ersuchen des Anstaltsleiters der Außenstelle Göllersdorf des dortigen Gefangenenhauses entsprechend, in Form von an die Anstalt adressierten Noten dem dort tätigen Sozialarbeiter Franz A eine Sprecherlaubnis in bezug auf mehrere namentlich angeführte Untersuchungshäftlinge. Dem ersterwähnten Beschluß wurde die Maßgabe beigefügt, daß die Weitergabe von Mitteilungen im unmittelbaren Verkehr zwischen den Häftlingen zur Vermeidung von Verabredungen untersagt und zu diesem Zweck auch vor Besprechungen mit Angehörigen der Häftlinge im Einzelfall mit dem Untersuchungsrichter Kontakt zu pflegen sei.

Franz A ist kraft des vom Bundesministerium für Justiz mit ihm abgeschlossenen Dienstvertrages als Vertragsbediensteter I/b im Gehobenen Sozialen Dienst beschäftigt und wird im kreisgerichtlichen Gefangenenhaus Korneuburg auf einer Planstelle im Bereich der Justizanstalten für den Sozialen Betreuungsdienst verwendet (Pers 3- D-132 des Bundesministeriums für Justiz).

Rechtliche Beurteilung

Die Inanspruchnahme der Zuständigkeit zur Erteilung einer Sprecherlaubnis an den genannten Vollzugsbediensteten durch den Untersuchungsrichter stand mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 188 Abs 3 StPO stehen alle Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft außer denen, die im Abs 1 und im (hier nicht in Betracht kommenden, die Kompetenz der Ratskammer betreffenden) Abs 2 dieser Verfahrensbestimmung bezeichnet werden, dem Anstaltsleiter oder den von diesem dazu bestimmten Vollzugsbediensteten zu. Die Zuständigkeit des Untersuchungsrichters dagegen ist nach § 188 Abs 1 StPO auf die Entscheidung darüber beschränkt, mit welchen Personen die Untersuchungshäftlinge schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, ferner auf die Überwachung des Briefverkehrs und der Besuche sowie weiters auf alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der Untersuchungshäftlinge mit der Außenwelt beziehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen.

Als 'Besuch' im Sinn des § 188 Abs 1 StPO kann aber nur das Aufsuchen der Gefangenen durch andere als mit Agenden des betreffenden Haftvollzuges befaßte Personen verstanden werden, und auch als 'Verkehr mit der Außenwelt' sind die von den Häftlingen mit dem Vollzugspersonal im Rahmen dessen dienstlicher Obliegenheiten geführten Gespräche als solche noch nicht zu beurteilen. Die Regelung der Gesprächskontakte des mit Sozialaufgaben betrauten Vollzugsbediensteten Franz A zu Untersuchungshäftlingen fiel dementsprechend nicht in die Zuständigkeit des Untersuchungsrichters, sondern oblag ausschließlich dem Anstaltsleiter.

Nicht zu übersehen ist allerdings, daß derartige Kontakte des im Sozialen Dienst beschäftigten Vollzugspersonals - schon von der Zielsetzung des gemäß § 183 Abs 1 StPO sinngemäß anzuwendenden § 75 StVG. her, der die Aufrechterhaltung von Beziehungen der Häftlinge zur Außenwelt zum Gegenstand hat (vgl. die Erl. Bem. zur RV. des StVG., 511 d. Beil. zu den sten. Prot. des NR., XI. GP., S. 65) - häufig zu einem mittelbaren Verkehr der Gefangenen mit der Außenwelt führen werden, der unter Umständen die Zwecke der Untersuchungshaft zu beeinträchtigen vermag.

Dieser Verkehr unterliegt daher - der von der Generalprokuratur in der Wahrungsbeschwerde vertretenen Auffassung zuwider - gemäß § 188 Abs 1 StPO sehr wohl der Überwachung durch den Untersuchungsrichter, dem die mit der Sozialarbeit befaßten Vollzugsbediensteten deshalb vor jeder Herstellung eines Kontaktes zwischen einem Untersuchungshäftling und der Außenwelt darüber zu berichten haben. Die zur sozialen Betreuung der Häftlinge erforderlichen Gespräche selbst zwischen ihnen und dem Vollzugspersonal dagegen liegen wie gesagt noch außerhalb der Ingerenz des Untersuchungsrichters und fallen gemäß § 188 Abs 3 StPO ausschließlich in den Regelungsbereich des Anstaltsleiters. In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren daher die im Spruch bezeichneten Gesetzesverletzungen festzustellen.