JudikaturJustiz9Os149/86

9Os149/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kastner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Charlotte W*** wegen des Finanzvergehens der (fahrlässigen) Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 3 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 7.Oktober 1985, GZ 21 a Vr 1347/84-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 27.November 1926 geborene Pensionistin Charlotte W*** des Finanzvergehens der (fahrlässigen) Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 3 FinStrG schuldig erkannt, weil sie im Herbst 1982 in Salzburg fahrlässig einen Persianermantel und einen Demibuffnerzklauenmantel, hinsichtlich welcher Sachen von der - abgesondert verfolgten - Petra Wanda K***-L*** und anderen ein Schmuggel begangen worden war, gekauft und bis zum 26.September 1983 "behalten" habe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Angeklagten dagegen aus den Z 5, 9 lit. a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Ergebnis begründet.

Zwar versagt die Mängelrüge (Z 5), deren Ausführungen zuwider die Urteilsfeststellungen in bezug auf die (vollendete) Vortat des Schmuggels (ON 17 S 208 dA) durch die zollamtlichen Ermittlungen, die in der entsprechenden Sachverhaltsdarstellung ihren Niederschlag finden, sowie durch den Inhalt des Abgabenbescheides (ON 2 S 3 a, 5, 13 bis 19, ON 10 in Verbindung mit ON 16 S 199 dA) gedeckt und mittels Bezugnahme darauf (ON 17 S 204 dA) auch mängelfrei begründet worden sind.

Die Beschwerde ist jedoch insofern berechtigt, als materielle Nichtigkeit (Z 9 lit. a) in Ansehung der Bejahung der subjektiven Tatseite des Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenhehlerei geltend gemacht wird.

Sowohl die subjektive Sorgfaltswidrigkeit als auch die Zumutbarkeit, als Kernelemente der Fahrlässigkeitsschuld, setzen die Erfüllbarkeit der objektiven Sorgfaltspflicht voraus. Darnach vermögen individuelle Unzulänglichkeiten den Täter zu entlasten, soweit sie seine geistigen (= intellektuellen) und (oder) körperlichen Verhältnisse betreffen (§ 8 Abs. 2 FinStrG gleichlautend wie § 6 Abs. 1 StGB: "..... die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist ....").

Ob das intellektuelle Potential der Angeklagten in der konkreten Tatsituation für die Annahme einer ihr - die Vortat des Schmuggels erfassenden - anlastbaren Fahrlässigkeitsschuld ausreichte, ist angesichts der in der Urteilsbegründung wiedergegebenen und offenbar auch dem Schuldspruch zugrundegelegten (wenn auch nur zur Frage der Vernehmungsfähigkeit der Angeklagten veranlaßten) Expertise des psychiatrischen Sachverständigen, wonach bei der Angeklagten eine erhebliche Hirnleistungsschwäche besteht und sie als (geistig) extrem verlangsamt, unkonzentriert und schwerfällig anzusehen ist (vgl. ON 17 S 205 dA), zweifelhaft. Es wären daher - umsomehr, als die Pelzmäntel ja von einem auf einem Messestand ausstellenden Pelzhandelsunternehmen erworben wurden - Feststellungen darüber erforderlich gewesen, ob und inwieweit die intellektuellen Verhältnisse (Fähigkeiten) der Angeklagten im Tatzeitraum von Einfluß auf die persönliche Erfüllbarkeit der objektiven Sorgfaltspflicht gewesen waren. Dies betrifft nicht nur den Erwerb des Demibuffnerzklauenmantels, in Ansehung dessen das Ersturteil in tatsachenmäßiger Beziehung überhaupt jegliche Feststellung zur inneren Tatseite vermissen läßt (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a in Verbindung mit § 290 Abs. 1 StPO), sondern auch den Kauf des Persianermantels. In bezug auf letzteren geht das Erstgericht zwar davon aus, daß die Angeklagte einen Schmuggel "annahm" (S 208 dA), also zumindest ernstlich für möglich hielt; es erachtete aber ersichtlich nicht auch die Willensseite des (wenigstens bedingten) Vorsatzes (§§ 8 Abs. 1 FinStrG, 5 Abs. 1 StGB) für gegeben, weil es - ohne dies allerdings näher zu begründen - der Angeklagte insgesamt lediglich Fahrlässigkeit (§ 8 Abs. 2 FinStrG) zur Last legt (S 210 dA).

Zufolge der Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite (Fahrlässigkeit) erweist sich das Urteil als nichtig im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit Folge zu geben und mit einer Kassierung des Schuldspruchs vorzugehen war.

Die aufgezeigten Konstatierungsmängel in Ansehung des Verschuldens der Angeklagten lassen es derzeit noch nicht zu, in eine Prüfung der Frage der Anwendbarkeit des § 42 StGB einzutreten, weil in der Z 1 des ersten Absatzes dieser Gesetzesstelle ausdrücklich und in der Z 3 im Rahmen der Spezialprävention implicite auf die Schuld des Täters abgehoben wird. Nur am Rande und der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang beigefügt, daß im fortgesetzten Rechtsgang bei einem gleichbleibenden Verkürzungsbetrag von "unbedeutenden Folgen" im Sinne der Z 2 des § 42 Abs. 1 StGB wohl nicht gesprochen werden kann. Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Beseitigung des Schuldspruchs zu verweisen.