JudikaturJustiz9ObA6/05f

9ObA6/05f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Raphaela G*****, Diplomkrankenschwester, *****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 10.200,17 brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2004, GZ 12 Ra 101/04s 11, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Juni 2004, GZ 7 Cga 41/04s 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 686,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 114,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 21. Mai 1952 geborene Klägerin war ab 18. November 1974 beim beklagten Land als Vertragsbedienstete, nämlich als Diplomkrankenschwester, im Landeskrankenhaus Freistadt beschäftigt. Die teilzeitbeschäftigten Bediensteten im LKH Freistadt sind zum weit überwiegenden Teil Frauen.

Bis 31. Dezember 1999 war die Klägerin vollzeitbeschäftigt, zuletzt als leitende OP Schwester. Mit Schreiben an die Pflegefachdirektion des LKH Freistadt vom 13. September 1999 legte sie ihre Leitertätigkeit mit 1. Jänner 2000 zurück und ersuchte um Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 25 Stunden. Sie sei beim Aufbau der Unfallchirurgie des LKH Freistadt an die Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit gegangen, sehe nunmehr durch den Krankenhausskandal diese mit ihrem intensiven Einsatz verbunden gewesene Arbeit betroffen und sehe sich deshalb veranlasst, ihre Leitertätigkeit abzugeben. Die Herabsetzung des Beschäftigungsausmaßes wurde der Klägerin zunächst ab 1. Jänner 2000 für drei Jahre genehmigt, ab 1. Jänner 2003 auf ihr Ansuchen sodann unbefristet.

Die Klägerin wurde seit 1997 wegen Erschöpfungsdepression und Migräne ärztlich behandelt. Ab 8. September 2003 befand sie sich im Krankenstand. Mit 1. Oktober 2003 wurde ihr die Berufsunfähigkeitspension bewilligt.

Das Dienstverhältnis der Klägerin wurde mit 30. November 2003 einvernehmlich aufgelöst. Sie erhielt eine Abfertigung von EUR 17.000,28 (zwölf Monatsgehälter auf der Basis ihres Einkommens aus der Teilzeitbeschäftigung).

Die Klägerin begehrt vom beklagten Land EUR 10.200,17 brutto an zusätzlicher Abfertigung. Sie sei 25 Jahre lang vollzeitbeschäftigt gewesen. Die Abfertigung sei auf der Basis ihres Einkommens bei Vollzeitbeschäftigung zu berechnen. Arbeitsrechtliche Ansprüche von Arbeitnehmern, die versuchten, statt einer sofortigen Inanspruchnahme der Berufsunfähigkeitspension ihre Arbeit noch weiter auszuüben, dürften nicht gekürzt werden. Da im LKH Freistadt 97 % der Teilzeitbeschäftigten Frauen seien, stelle die gegenteilige Rechtslage eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar.

Das beklagte Land beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Abfertigung der Klägerin sei nach den gesetzlichen Bestimmungen berechnet worden. Eine abweichende Vereinbarung habe nicht bestanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und vertrat folgende Rechtsauffassung:

Nach dem klaren Wortlaut des § 56 Abs 9 des Oberösterreichischen Landes Vertragsbedienstetengesetzes (oö LVBG) sei der für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Monatsbezug Grundlage der Berechnung der Abfertigung. Das Dienstverhältnis sei auf Wunsch der Klägerin bereits vier Jahre vor der einvernehmlichen Auflösung auf 25 Wochenstunden reduziert worden. Das Gesetz sehe weder eine Berechnung auf Vollzeitbasis noch eine Durchrechnung vor. Es gebe auch keine abweichende Vereinbarung zwischen den Parteien. § 14 Abs 4 AVRAG sei auf Abfertigungen nach dem oö LVBG nicht anzuwenden. Darin sei weder eine planwidrige Lücke noch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu sehen. Auch eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des Art 141 EG sei nicht erkennbar, weil es im umgekehrten Fall des Wechsels von Teil- zu Vollzeitbeschäftigung zu einer Bevorzugung komme.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und vertrat im Übrigen folgende Rechtsauffassung:

Die von der Klägerin ins Treffen geführten Bestimmungen § 14 Abs 4 AVRAG, § 27 Abs 2 Z 4 AlVG, § 13 Abs 2 AVRAG ua - sähen für bestimmte Sonderfälle des Wechsels auf Teilzeitbeschäftigung die Berechnung der Abfertigung auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung oder eines Durchschnitts vor. Dies zeige, dass dem Gesetzgeber das Problem bewusst gewesen sei, er aber dennoch eine derartige Berechnungsmethode nicht generell vorgesehen habe. Damit könne eine planwidrige Regelungslücke nicht angenommen werden. Einer analogen Anwendung des § 14 Abs 4 AVRAG stehe die gänzlich verschiedene Sachlage entgegen. Auch eine mittelbare Diskriminierung sei nicht erkennbar. Die Klägerin sei jahrelang vollzeitbeschäftigt gewesen und habe sich dann vor allem aufgrund der problematischen Betriebssituation für die Teilzeitbeschäftigung entschlossen. Dass derartige Gründe überwiegend bei weiblichen Dienstnehmern vorlägen, sei eine unbewiesene Unterstellung der Klägerin. Auch verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin.

Die beklagte Partei beantragte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit den von der Klägerin vorgetragenen Argumenten noch nicht auseinandergesetzt hat. Sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 56 Abs 9 des oö LVBG ist Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Abfertigung der dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Monatsbezug bzw das Monatsentgelt. Dies entspricht - soweit hier von Interesse der durch § 23 Abs 1 AngG bzw vergleichbare bundesgesetzliche Vorschriften geschaffenen Rechtslage.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei einer dauerhaften Entgeltveränderung - etwa beim Wechsel von Voll- zu Teilzeitbeschäftigung oder umgekehrt - zur Berechnung der Abfertigung grundsätzlich auf das zuletzt bezogene Entgelt abzustellen (Arb 9321, Arb 9899, Arb 11.554). In der Lehre wird diesem Ansatz größtenteils zugestimmt bzw nicht entgegengetreten (vgl etwa Martinek/Schwarz , Abfertigung Auflösung des Arbeitsverhältnisses [1980] 330 ff; Schrank , Rechtsprobleme der Berechnung der Abfertigung, ZAS 1990, 1 [9]; Höfle , ASoK 2002, 343; zuletzt Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG, § 23 Rz 27, der zu Recht darauf verweist, dass dieser Grundsatz allerdings nur dann gilt, wenn die Reduzierung auf Dauer beabsichtigt ist und keine Umgehungsstrategie vorliegt, was etwa dann der Fall wäre, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer der Wechsel in die Teilzeitbeschäftigung durch Kündigungsdrohung aufnötigt und bald darauf die Kündigung ausspricht).

Mehrere Autoren wenden sich aber mit unterschiedlichen Begründungen gegen diese Auffassung:

So hält etwa Migsch (Abfertigung für Arbeiter und Angestellte [1982] Rz 255) eine Durchschnittsberechnung auch beim Wechsel von Voll- auf Teilzeit für „richtiger". Tomandl (Gedanken zur Berechnung der Abfertigung, ZAS 1995, 43) plädiert dafür, die Bemessungsregel des § 23 Abs 1 AngG teleologisch auf jene Fälle zu reduzieren, in denen der Arbeitsvertrag keine für den Entgeltanspruch wesentlichen Änderungen erfahren hat. Dies werde vor allem durch die jüngere Gesetzgebung untermauert (Abfertigungsregelungen bei Elternteilzeitbeschäftigung und Gleitpension). Zeiten der Voll- bzw der Teilzeitbeschäftigung seien anteilig zu berücksichtigen. Nach Mayr (Berechnung der „Abfertigung alt" bei Wechsel von Voll- auf Teilzeitbeschäftigung, ecolex 2002, 599; ebenso: Ausgewählte Rechtsprobleme bei der Berechnung der Abfertigung mit unterschiedlichem Beschäftigungsausmaß, in Mayr/Resch, Abfertigung [1999] 51 ff) steht § 23 Abs 1 AngG bei genereller Anwendung überdies im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 141 EG. § 14 Abs 4 AVRAG, der nach einer Herabsetzung des Beschäftigungsausmaßes nach § 14 Abs 2 AVRAG eine Berechnung der Abfertigung nach der vorangegangenen Vollzeitarbeit bzw nach einem Durchschnitt vorsehe, sei generell analogiefähig.

Nach der Auffassung des erkennenden Senates besteht jedoch kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, spricht gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber (nur) für bestimmte Fällen vorgesehen hat, dass trotz Herabsenkung des Umfanges der Arbeitsleistung die frühere Vollarbeitsverpflichtung zu berücksichtigen oder ein Durchschnitt zu bilden ist (8 ObA 211/02s), gegen die von der Revisionswerberin behauptete planwidrige Gesetzeslücke. Diese Vorgangsweise des Gesetzgebers zeigt nämlich deutlich, dass ihm die Problemstellung bewusst war, er aber eine generelle Lösung im von der Revisionswerberin gewünschten Sinn nicht normieren wollte. Eine Generalisierung der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Sonderregelungen widerspräche daher dem Willen des Gesetzgebers.

Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Revisionswerberin gegen die dargestellte Rechtslage werden vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt.

Zweck der Abfertigung ist es, dem Arbeitnehmer für den durch die Abfertigung abgedeckten Zeitraum den zuletzt bezogenen Durchschnittsverdienst zu sichern und damit eine gewisse Kontinuität des zuletzt bezogenen Verdienstes für diesen fiktiven Zeitraum zu gewährleisten (9 ObA 97/87, 9 ObA 257/89 mwN, so auch Schrank , ZAS 1990, 1 f). § 23 Abs 1 zweiter Satz AngG, § 56 oö LVGB und andere vergleichbare Bestimmungen spiegeln diese Versorgungsfunktion der Abfertigung wider und sind daher weder unsachlich noch unverhältnismäßig. Den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Sonderbestimmungen, die von der allgemeinen Grundregel abweichen, liegen ganz bestimmte Sonderkonstellationen zu Grunde, die aber hier - was letztlich nicht strittig ist sämtlich nicht vorliegen. Darin, dass auf den hier zu prüfenden - anders gelagerten - Fall keine Sonderbestimmung, sondern die allgemeine Grundregel der Abfertigungsberechnung anzuwenden ist, kann keine unsachliche Differenzierung erblickt werden.

Auch dem Einwand, die bekämpfte Regelung stelle eine mittelbare Diskriminierung dar, ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt.

Eine mittelbare Diskriminierung liegt dann vor, wenn eine Regelung zwar unterschiedslos auf Männer und Frauen anzuwenden ist, aber für Personen eines Geschlechts wesentlich nachteiligere Wirkungen entfaltet als für Personen des anderen Geschlechts und diese nachteiligen Wirkungen auf dem Geschlecht oder der Geschlechterrolle beruhen ( Smutny/Mayr , Gleichbehandlungsgesetz [2001] 712).

Nun trifft es zwar zu, dass zum weit überwiegenden Teil Frauen in Teilzeitbeschäftigung tätig sind. Schon das Erstgericht hat aber zu Recht darauf verwiesen, dass eine Änderung des Beschäftigungsausmaßes vor der abfertigungspflichtigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten generell benachteiligt, sondern vielmehr nur jene Teilzeitbeschäftigten, die von Vollzeitbeschäftigung in Teilzeitbeschäftigung gewechselt sind. Dem steht aber der Vorteil für jene Teilzeitbeschäftigten gegenüber, die umgekehrt - nach Wegfall des Grundes für die Teilzeitbeschäftigung (zB Kinderbetreuung) wieder in eine Vollzeitbeschäftigung gewechselt sind. In der zuletzt genannten Konstellation kommt die von der Revisionswerberin kritisierte Regelung daher in besonderem Maße Frauen zugute. Dass die in Rede stehende Rechtslage generell - mittelbar - Frauen benachteilige, kann daher nicht gesagt werden.

Legt man aber die dargestellte Rechtslage der Entscheidung zu Grunde, erweist sich die Entscheidung der zweiten Instanz als zutreffend. Dass der Klägerin - wie sie in ihrer Revision geltend macht - die Teilzeitbeschäftigung zunächst befristet und erst ab 1. Jänner 2003 unbefristet bewilligt wurde, ändert nichts daran, dass nach den Feststellungen die Reduzierung des Beschäftigungsausmaßes auf Dauer beabsichtigt war und keine Umgehungsstrategie des Arbeitgebers vorlag.

Darauf, dass die Ausnahmevorschrift des § 14 Abs 4 AVRAG angesichts der anders gelagerten Ausgangssituation nicht auf den hier zu beurteilenden Fall analog angewendet werden kann, hat bereits das Berufungsgericht hingewiesen.

Damit wurde aber die von der Klägerin geltend gemachte Forderung vom Berufungsgericht zu Recht verneint.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
3