JudikaturJustiz9ObA5/18b

9ObA5/18b – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon. Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl und Karl Schmid als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1010 Wien, gegen die beklagte Partei Dr. F*****, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 54.665,79 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 13. Oktober 2017, GZ 10 Ra 35/17s 13, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 27. Jänner 2017, GZ 24 Cgs 85/16v 9, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die ursprünglich klagende Partei, die s*****, war der teilrechtsfähige Bereich des Österreichischen Patentamts nach den §§ 58a und 58b PatentG, der Service- und Informationsleistungen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes anbot. Die Teilrechtsfähigkeit wurde mit der Patentgesetz-Novelle 1992, BGBl 1992/771, geschaffen. Mit der Patentgesetznovelle 2016, BGBl I 2016/71, wurde die Teilrechtsfähigkeit ersatzlos aufgehoben. Mit Außerkrafttreten der §§ 58a und 58b PatentG übernahm die Republik Österreich gemäß § 176c Abs 4 PatentG das Vermögen sowie sonstige Rechte und Verbindlichkeiten, die das Patentamt „im Rahmen seiner Teilrechtsfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen erworben oder begründet hat“.

Mit Beschluss des Berufungsgerichts vom 13. 10. 2017 wurde daher die Bezeichnung der klagenden Partei von s***** auf Republik Österreich berichtigt.

Der Beklagte übte im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Beamter zur Republik Österreich vom 4. 4. 2005 bis 3. 4. 2015 die Funktion des Präsidenten des Patentamts aus. Am 24. 11. 2004 wurde zwischen ihm und dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ein Anstellungsvertrag bezüglich der Geschäftsführung des teilrechtsfähigen Bereichs mit dem Zeitpunkt und auf die Dauer seiner Bestellung als Präsident des Patentamts abgeschlossen. Darin wurde mit ihm unbeschadet seiner Entlohnung als Bundesbediensteter für seine Tätigkeit als Geschäftsführer ein zusätzliches Entgelt, ein Abfertigungsanspruch nach dem AngG und eine Pensionsvorsorge vereinbart.

Am 10. 6. 2013 erteilte das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie dem Kläger die Weisung, sämtliche auf der Vereinbarung vom 24. 11. 2004 gründenden Leistungen mit sofortiger Wirkung einzustellen. Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. 12. 2014, Ro 2014/12/0023, wurde der entsprechende Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

In der Folge begehrte der Beklagte von der s***** unter Berufung auf seinen Anstellungsvertrag die Zahlung von 138.698,03 EUR brutto an Entgelt aus dem Anstellungsvertrag sowie die Feststellung, dass die s***** schuldig sei, an die Pensionskasse die vereinbarten Vorsorgeleistung zu zahlen. Das Verfahren endete mit einer Klagsabweisung. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in dieser Rechtssache, 8 ObA 40/16i, wurde darauf verwiesen, dass die Leitung des teilrechtsfähigen Bereichs kraft Gesetzes zu den Aufgaben des Präsidenten des Patentamts gehöre. Der Abschluss eines (Anstellungs )Vertrags sei für diese zusätzliche Funktion des Präsidenten des Patentamts im Gesetz nicht vorgesehen. Die Teilrechtsfähigkeit bestehe nur zur Begründung von Dienstverhältnissen mit anderen Personen, nicht aber für den Anstellungsvertrag mit dem Präsidenten des Patentamts. Für die geltend gemachten vertraglichen Ansprüche fehle es daher an der Rechtsfähigkeit der s***** .

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der s***** die Rückzahlung der aufgrund des Anstellungsvertrags vom 24. 11. 2004 für den Zeitraum Juli 2013 bis November 2013 geleisteten Beträge von 54.665,79 EUR. Die Leistungen seien rechtsgrundlos erfolgt. Das nichtige Rechtsgeschäft sei gemäß § 877 ABGB rückabzuwickeln.

Der Beklagte bestreitet und bringt vor, für die an die Pensionskasse geleisteten Beiträge sei er nicht passiv legitimiert. Die erhaltenen Entgelte habe er gutgläubig verbraucht. Außerdem stünden ihm Gegenforderungen in Höhe von 307.499,93 EUR zu, mit denen er außergerichtlich aufgerechnet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, dass die Teilrechtsfähigkeit der s***** sich nur auf die Erbringung der im § 58a Abs 1 PatentG (in der Fassung vor der Novelle BGBl I 2016/71) genannten Leistungen beziehe, auf das durch diese Leistungserbringung erworbene Vermögen bzw die dadurch erworbenen Rechte und auf die zum Zweck dieser Leistungserbringung durchzuführenden Geschäfte bzw Maßnahmen. Die Vermögensfähigkeit umfasse damit nur jenes Vermögen, das durch die Erbringung dieser Leistungen erworben werde. Gleiches gelte für sonstige Rechte bzw Rechtspositionen. Der klagsgegenständliche bereicherungsrechtliche Anspruch und dessen Geltendmachung lägen außerhalb der so gezogenen Grenze der Teilrechtsfähigkeit. Allenfalls könnte vertreten werden, dass ein Bereicherungsanspruch bestehe, wenn und soweit die zuvor an den Beklagten geflossenen Leistungen aus jenen Mitteln stammten, die durch die Leistungserbringung nach § 58a Abs 1 PatentG erworben worden seien. Diesbezüglich habe die Klägerin jedoch keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht – nach Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei wie bereits oben dargelegt – Folge, hob die erstgerichtliche Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurück an das Erstgericht. Ein Bereicherungsanspruch nach § 877 ABGB stehe dann zu, wenn eine Leistung auf Grundlage eines infolge Aufhebung oder Nichtigkeit unwirksamen Vertrags erfolgt sei. Die Rückforderung erfolge gerade wegen einer mit Vertragsabschluss erfolgten Überschreitung der Grenzen der Teilrechtsfähigkeit. Die Möglichkeit einer teilrechtsfähigen Einrichtung, derartige Leistungen zurückzufordern, sei zur Effektivität der Begrenzung der Teilrechtsfähigkeit geradezu notwendig. Die rückgeforderten Leistungen erfolgten unstrittig von der ursprünglich klagenden Partei s***** an den Beklagten, sodass es auch keiner weiteren Feststellungen bedürfe, woher bzw aus welcher Art von Geschäften diese Mittel erworben worden seien. Die Rechtsansicht des Erstgerichts zur mangelnden Aktivlegitimation erweise sich somit als nicht berechtigt, weshalb das Urteil aufzuheben sei.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil Rechtsprechung zum Umfang einer gesetzlich statuierten Teilrechtsfähigkeit im Bezug auf eine Leistungskondiktion nach § 877 ABGB fehle und die Rechtsfrage in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs des Beklagten erkennbar mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass sich keine Partei gegen die von den Vorinstanzen entsprechend der Entscheidung 8 ObA 40/16i angenommene Nichtigkeit des Anstellungsvertrags vom 24. 11. 2014 wendet. Diese muss daher nicht geprüft werden.

Richtig hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, dass die s***** Ansprüche im Rahmen ihrer Teilrechtsfähigkeit geltend gemacht hat. Die Ansprüche der Klägerin als Rechtsnachfolger der s***** sind daher nur im Rahmen dieses Vorbringens zu prüfen.

2. Thema des Rekursverfahrens ist ausschließlich, ob die Teilrechtsfähigkeit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der s*****, diese zur Geltendmachung von einem Kondiktionsanspruch nach § 877 ABGB berechtigt.

Die Argumentation im Rekurs, dass die Vermögensfähigkeit der s***** nur im Rahmen ihrer Teilrechtsfähigkeit nach § 58a PatentG bestanden habe, weshalb die Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen außerhalb des teilrechtsfähigen Bereichs nicht möglich sei, überzeugt nicht.

Die im Gesetz vorgegebene Teilrechtsfähigkeit bewirkt, dass Rechtsgeschäfte außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Zwecke oder solche, die den aus den Geschäften erworbenen Deckungsfonds überschreiten, materiell unwirksam sind (vgl 6 Ob 585/95, 1 Ob 245/00m).

Diese sich aus der fehlenden Teilrechtsfähigkeit ergebende Nichtigkeit des Vertrags führt dazu, dass die Rechtsgrundlage für die Vermögensverschiebung wegfällt, was grundsätzlich zur Rückabwicklung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß § 877 ABGB führt – zumindest sofern sich nicht ausnahmsweise aus dem Verbotszweck die Unzulässigkeit der Kondiktion ergibt (2 Ob 3/12y).

Nach § 58a PatentG idF vor der Novelle BGBl I 2016/71 war die s***** als teilrechtsfähige Rechtspersönlichkeit des Patentamtes berechtigt, Vermögen und Rechte zu erwerben. D ieses Recht umfasst aber auch die Befugnis, erworbenes Vermögen gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen oder rechtsgrundlose Verschiebungen zu schützen. Das ist eine notwendige Konsequenz des Rechts auf Vermögen und muss auch für teilrechtsfähige Rechtspersönlichkeit nicht gesondert normiert werden.

Richtig hat bereits das Berufungsgericht darauf verwiesen, das gerade der Schutz der Grenzen der Teilrechtsfähigkeit es erforderlich macht, die in vermeintlicher Erfüllung eines rechtsunwirksamen Vertrags erbrachten Leistungen rückfordern zu können.

Dies wurde in der Judikatur auch bereits in anderem Zusammenhang dargelegt. So hat der Oberste Gerichtshof in der schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 245/00m (zu Kunsthochschulen) die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus der behaupteten Verletzung von Vertragspflichten als von der Teilrechtsfähigkeit umfasst angesehen. Andernfalls wäre die Handlungsfähigkeit bei der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit wieder von Genehmigungen sowie allenfalls ergänzenden Rechtsgeschäften des Bundes abhängig zu machen und damit weitgehend zu entwerten.

Auch im Zusammenhang mit der Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft wurde bestätigt, dass Bereicherungs oder Verwendungsansprüche, die ihre Wurzel in der Verwaltung der Liegenschaft haben, zu dem in § 18 Abs 1 WEG 2002 definierten Rechtsbereich gehören (5 Ob 95/04p; vgl auch 5 Ob 96/10v).

Auch in der Literatur wurde etwa von Rummel (Zur Privatrechtsfähigkeit von Universitäten 29 f) ausgeführt, dass bei Ungültigkeit von Rechtsgeschäften wegen Überschreitens der Teilrechtsfähigkeit bereits erbrachte, aber rechtsgrundlose Leistungen beider Seiten nach allgemeinen Regeln zurückgefordert werden können.

Richtig ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Geltendmachung von Kondiktionsansprüchen nach § 877 ABGB, deren Ziel die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nichtiger Rechtsgeschäfte ist, von der Teilrechtsfähigkeit der s***** im Rahmen des § 58a PatentG umfasst war. Soweit der s***** solche Ansprüche gegen den Beklagten zukamen, sind sie nach § 176c Abs 4 PatentG auf die Republik Österreich übergegangen.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die inhaltliche Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche zu prüfen haben.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.