JudikaturJustiz9ObA37/88

9ObA37/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. März 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm.Mag. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bono M***, Kraftfahrer, Wien 10., Hasengasse 25/3, vertreten durch Dr. Franz Kocevar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "H***" Holzhandel, B*** Co, Holzgroßhandel, Alleininhaber Alois H***, Wien 10., Laaerbergstraße 110, vertreten durch Dr. Selma Tichy, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 97.559,-- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. November 1987, GZ 31 Ra 100/87-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. Jänner 1987, GZ 7 Cga 698/86-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit März 1975 bei der beklagten Gesellschaft (deren Alleininhaber im folgenden als "der Beklagte" bezeichnet wird) beschäftigt. Der Kläger fuhr am 12. April 1986 nach Ende der Dienstzeit des Platzmeisters um 12 Uhr auf den Lagerplatz seines Arbeitgebers und lud dort Abfallholz und Profilbretter in seinen PKW. Hiebei wurde er knapp nach 15 Uhr vom Beklagten betreten, worauf er das Holz wieder auslud. Der verbilligte Bezug von Holz ist den Arbeitnehmern des Beklagten nur gegen vorherige Genehmigung des zuständigen Platzmeisters gestattet. Dieser hat vor der Entnahme einen Lieferschein zu schreiben und im Büro abzugeben. Dies wurde den Arbeitnehmern des Beklagten durch einen Aushang im Aufenthaltsraum bekannt gemacht. Der Kläger wurde wegen dieses Diebstahls am 14. April 1986 entlassen.

Beide Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Zahlung von Abfertigung, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und anteiliger Weihnachtsremuneration im Gesamtbetrag von S 97.559,-- brutto sA mit der Begründung ab, daß der Kläger gemäß § 82 lit d GewO 1859 gerechtfertigt entlassen worden sei. Der Wert des Holzes - das Erstgericht nahm diesen "zugunsten des Klägers" nur mit dem von ihm angegebenen Mindestbetrag von S 100,-- an - sei nicht geringfügig. Die strafbare Handlung lasse den Kläger des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig erscheinen. Das Berufungsgericht fügte hinzu, daß der Entlassungsgrund des § 82 lit d GewO 1859 nicht dadurch verlorengehe, daß eine Strafverfolgung wegen Schadensgutmachung ausgeschlossen sei. Ob der Kläger in Bereicherungsabsicht gehandelt habe, könne auf sich beruhen, weil auch dann, wenn diese gefehlt hätte, eine dauernde Sachentziehung im Sinne des § 135 StGB vorläge.

Der Kläger erhebt Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, eine mündliche Berufungsverhandlung vor dem Revisionsgericht anzuordnen, seiner Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 82 lit d GewO 1859 kann ein "Hilfsarbeiter" vor Ablauf der ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Dauer des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung entlassen werden, wenn er sich eines Diebstahls oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig erscheinen läßt. Die Vorinstanzen haben aus der Vorgangsweise des Klägers zutreffend auf das Vorliegen der objektiven und der subjektiven Voraussetzung eines Diebstahls im Sinne des § 127 Abs 1 StGB geschlossen. Der Kläger hat sich den ausdrücklichen Anordnungen des Arbeitgebers zuwider nach Ende der Dienstzeit des Platzmeisters auf den Holzplatz begeben und dort Holz in seinem PKW eingeladen, so daß die Tatsacheninstanzen davon ausgehen konnten, er hätte das Diebsgut ohne Bezahlung weggebracht, wenn er nicht vom Arbeitgeber betreten worden wäre. Tätige Reue kommt dem Kläger nicht zustatten. Sie würde gem § 167 Abs 2 Z 1 StGB voraussetzen, daß der Kläger, bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, wenngleich auf Andringen des Verletzten, so doch ohne hiezu gezwungen zu sein, den ganzen aus seiner Tat entstehenden Schaden gutgemacht hätte. Tätige Reue erfordert sohin Rechtzeitigkeit, Freiwilligkeit und Vollständigkeit der Schadensgutmachung. Von diesen Voraussetzungen fehlt hier die Freiwilligkeit. Sie liegt nämlich nicht vor, wenn der Täter die Sache infolge Betretung bei der Straftat an den Geschädigten, wenngleich ohne Zögern zurückstellt (Leukauf-Steininger, Komm z StGB2 1102 mwN; auch JBl 1981, 441). Damit kann die in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage, ob die im Zeitpunkt der Entlassung wegen tätiger Reue bereits aufgehobene Strafbarkeit des Diebstahls den Entlassungsgrund des § 82 lit d GewO 1859 beseitigt, diesmal auf sich beruhen (Kuderna, Entlassungsrecht 61 nimmt an, daß das für die Entlassung bedeutsame Tatbestandsmerkmal der Strafbarkeit des Diebstahls fehlt, wenn im Zeitpunkte der Entlassung bereits tätige Reue eingetreten ist, während sich Heller, Komm z GewO (alt) 1041 der in der Entscheidung ArbSlg 191 vertretenen Auffassung anschließt, daß eine wegen Diebstahls ausgesprochene Entlassung auch bei tätiger Reue gerechtfertigt sei; ebenso LGZ Wien Arb. 9301). Der Wert des Diebsgutes ist nicht geringfügig. Die Handlungsweise des Klägers war ein schwerer Vertrauensbruch, so daß seine Entlassung gerechtfertigt ausgesprochen wurde.

Die Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung war zur Entscheidung über die Revision nicht erforderlich

(§ 509 Abs 2 Satz 1 ZPO).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.