JudikaturJustiz9ObA305/93

9ObA305/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. November 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Hofrat ADir.Robert List als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut H*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei I*****, reg.Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 193.305,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Juli 1993, GZ 8 Ra 29/93-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17.Dezember 1992, GZ 34 Cga 198/91-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 8.836,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.472,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.12.1988 bis 30.11.1991 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der beklagten Einkaufsgenossenschaft. Das andere Vorstandsmitglied - der Vorstand der beklagten Genossenschaft bestand aus zwei Personen - war Dkfm.Jürgen F*****. Die Beklagte schloß mit dem Kläger einen Dienstvertrag ab, der vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates unterfertigt wurde und in § 8 Abs 1 und 2 folgende Bestimmungen enthielt.

"(1) Dieser Dienstvertrag tritt mit Wirkung vom 1.12.1988 in Kraft und gilt für die Zeit von drei Jahren, also bis zum 30.November 1991. Nach diesem Termin gilt er auf unbestimmte Zeit.

(2) Die Lösung dieses Dienstvertrages kann nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten schriftlich erfolgen."

Die Bestellung des Klägers zum Vorstand wurde von der Generalversammlung im Juni 1989 (nachträglich) genehmigt.

In einer Aufsichtsratssitzung am 16.9.1990, an der auch der Kläger und das andere Vorstandsmitglied teilnahmen, stimmten alle anwesenden Aufsichtsratsmitglieder für eine Verlängerung des Dienstvertrages des Klägers.

Auf Wunsch des österreichischen Genossenschaftsverbandes wurde der Dienstvertrag des Klägers neu gefaßt und diese Neufassung am 30.11.1990 wiederum vom Kläger und vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterfertigt. § 8 Abs 1 und 2 des Vertrages lautete nunmehr wie folgt:

"(1) Dieser Dienstvertrag ersetzt den Dienstvertrag vom 9.11.1988 mit Wirkung ab 1.12.1990 und gilt bis 30.11.1991. Nach Ablauf dieses Termins gilt er auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

(2) Nach dem 30.11.1991 kann dieser Dienstvertrag nur unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten schriftlich zum Ende des Kalenderjahres gekündigt werden, also erstmals zum 31.12.1992.

In der Folge verschlechterte sich das Verhältnis zwischen dem Kläger und den Aufsichtsratsmitgliedern. Mit Schreiben vom 20.9.1991, das vom Aufsichtsratsvorsitzenden und vom Vorstandsmitglied Dkfm.F***** unterfertigt wurde, teilte die Beklagte dem Kläger die Auflösung seines Dienstverhältnisses zum 30.11.1991 mit.

Der Kläger behauptet, daß sein Dienstverhältnis in der Aufsichtsratssitzung vom 16.9.1990 mit sofortiger Wirkung auf unbestimmte Zeit verlängert worden sei. Die Neufassung des Dienstvertrages auf Wunsch des Genossenschaftsverbandes habe daran nichts geändert. Mit Schreiben vom 20.9.1991 sei daher sein Dienstverhältnis fristwidrig gelöst worden, so daß ihm eine Kündigungsentschädigung in der Höhe von drei Monatsgehältern gebühre. Er begehrt daher Zahlung von S 193.305,- brutto.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Am 16.9.1990 sei es nicht zu einer Vereinbarung über eine Verlängerung des Dienstverhältnisses des Klägers gekommen. Es liege lediglich eine Absichtserklärung des Aufsichtsrates vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende weitere Feststellungen:

Das Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 16.9.1990 enthält unter anderem folgenden Text:

"Das neue Auto wird geleast. Mit November ist die Verlängerung des Dienstvertrages von Herrn H***** (= Kläger) fällig. Herr H***** kündigt den Vertrag nicht. Laut Genossenschaftsverband müssen einige Änderungen im Vertrag erfolgen. Der Aufsichtsrat ist einstimmig für eine Vertragslängerung von Herrn H*****. Über die finanzielle Angelegenheit des Vertrages ist der Vorstand zuständig und verantwortlich."

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Befristung des Dienstvertrages des Klägers mit 30.11.1991 aufrecht geblieben sei. Das Dienstverhältnis sei daher von der Beklagten rechtsgültig zum 30.11.1991 aufgelöst worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Die Erklärungen des Aufsichtsrats vom 16.9.1990 seien bloße Absichtserklärungen gewesen. Für das Zustandekommen eines Vertrages genüge die Einigung über den Vertragsinhalt nicht. Es sei außerdem noch die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlußwillens erforderlich. Der Kläger habe aus einer Reihe von Umständen erkennen müssen, daß die Erklärungen der Aufsichtsratsmitglieder vom 16.9.1990 noch nicht vom Bewußtsein begleitet gewesen seien, ihm gegenüber Rechtsfolgen auszulösen. Die Wendung im Protokoll, daß der Aufsichtsrat "für eine Verlängerung" sei, weise deutlich in Richtung einer bloßen Absichtserklärung. Hätte man diese Erklärung bereits als Erklärung des Abschlußwillens verstanden, wäre § 8 des Vertrages vom 30.11.1990 zweifellos anders gefaßt worden. Die Befristung des Dienstverhältnisses im geänderten Dienstvertrag mit 30.11.1990 wäre völlig sinnlos gewesen, wenn die Beklagte dem Kläger ohnehin bereits ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit zugesagt hätte. Daß auch der Kläger die Erklärungen vom 16.9.1990 als bloße Absichtserklärungen verstanden habe, zeige das widerspruchslose Fertigen des geänderten Dienstvertrages.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger bezweifelt nicht, daß der Aufsichtsrat zum Abschluß und zur Änderung seines Dienstvertrages berufen war. Es genügt daher, zu dieser Frage, auf die im Schrifttum vertretene Ansicht hinzuweisen, wonach bei Genossenschaften Verträge mit Vorstandsmitgliedern von der Generalversammlung abzuschließen sind, wenn diese das Vorstandsmitglied bestellt hat, daß aber die Generalversammlung den Abschluß dem Aufsichtsrat übertragen kann, zumal sich solche Verträge wenig zur Behandlung in der Generalversammlung eignen (Kastner in Paterna, Österreichisches Genossenschaftsrecht 150; derselb, Zur Erneuerung der Genossenschaftsverträge, GesRZ 1976, 3;

Kastner-Doralt-Nowotny, Gesellschaftsrecht5, 463 f, FN 6;

Geppert-Moritz Gesellschaftsrecht für Aufsichtsräte 607; Keinert, Österreichisches Genossenschaftsrecht 156, RZ 335).

Der Revisionswerber vertritt aber weiterhin die Meinung, daß sein Dienstverhältnis mit dem Beschluß des Aufsichtsrates vom 16.11.1990 in ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit geändert worden sei. Dem ist nicht zu folgen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, war der Beschluß des Aufsichtsrates, in dem er sich einstimmig für eine Verlängerung des Vertrages des Klägers ausgesprochen hat, nur eine Absichtserklärung mit Wirkungen im Innenverhältnis. Beschlüsse von Kollegialorganen einer Gesellschaft sind ein körperschaftsrechtlicher Akt eigener Art; sie haben rechtsgeschäftliche Natur und regeln vorwiegend das Innenverhältnis. Um Wirkungen gegenüber Dritten hervorrufen zu können, bedürfen sie der Erklärung diesen gegenüber (Koziol-Welser9 I 97). Es ist daher zwischen dem Rechtsgeschäft der einzelnen Stimmabgabe, dem Beschluß selbst und allenfalls in Durchführung des Beschlusses notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen (Kundmachungen), die zu einem Vertragsabschluß mit Dritten führen, zu unterscheiden (Kastner-Doralt-Nowotny aaO 274 FN 64).

Für eine solche Durchführung des Beschlusses im Innenverhältnis wäre nach der bisherigen Praxis bei der Beklagten der Vorsitzende des Aufsichtsrates berufen gewesen. Zu einer Vertragsänderung mit dem Kläger im Sinne des Beschlusses des Aufsichtsrates vom 16.11.1990 kam es jedoch nicht. Vielmehr wurde auch in den auf Wunsch des Genossenschaftsverbandes geänderten Dienstvertrag vom 30.11.1990, der den Dienstvertrag vom 9.11.1988 mit Wirkung vom 1.12.1990 ersetzte, wiederum die Bestimmung aufgenommen, daß der Vertrag bis 30.11.1991 gilt. Der Kläger hat diesen Vertrag widerspruchslos unterschrieben.

Zu einer Verlängerung des Vertrages des Klägers auf unbestimmte Zeit ist es nicht gekommen, da dem Kläger noch vor dem 30.11.1991 eine der Rechtssicherheit dienende "Ablaufmitteilung" (vgl Egger, Die Beendigung von befristeten Arbeitsverhältnissen im Lichte der Rechtsprechung, WBl 1993, 34) zukam. Sein Vertrag endete daher durch Zeitablauf (§ 19 Abs 1 AngG), so daß ihm keine Kündigungsentschädigung gebührt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.