JudikaturJustiz9ObA2142/96g

9ObA2142/96g – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Slobodan J*****, Glasergehilfe, ***** vertreten durch Dr.Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Bernt, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 111.535,-- brutto sA (im Revisionsverfahren S 20.926,-- sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.März 1996, GZ 8 Ra 14/96d-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.September 1995, GZ 12 Cga 258/94m-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden im Umfang des noch streitverfangenen Anspruches von S 20.926,-- samt 4 % Zinsen seit 14.7.1994 aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird in diesem Rahmen an das Prozeßgericht erster Instanz zur allenfalls ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger restliches Entgelt, Abfertigung und Urlaubsentschädigung von insgesamt S 111.535,-- brutto sA, weil ihn die beklagte Partei ungerechtfertigt entlassen habe.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe trotz Abmahnung die aufgetragene Arbeitsleistung verweigert. Er sei daher zu Recht entlassen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe sich mehrmals unbegründet geweigert, seine Arbeit zu verrichten und seinen Arbeitsplatz unbefugt verlassen. Da die Entlassung im Sinne des § 82 lit f GewO gerechtfertigt erfolgt sei, stünden dem Kläger die in der Klage angeführten entlassungsabhängigen Ansprüche nicht zu.

In der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung bekämpfte der Kläger lediglich die Abweisung seines Begehrens auf Urlaubsabfindung in Höhe von S 20.926,-- sA. Dieser Anspruch stehe ihm auch im Fall der berechtigten Entlassung zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung keine Folge. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Urlaubsabfindung stelle gegenüber der Urlaubsentschädigung ein aliud dar. Die erstmalige Geltendmachung einer Urlaubsabfindung in der Berufung sei daher eine unzulässige Neuerung, auf die nicht weiter einzugehen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die begehrte Urlaubsabfindung zugesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 14 ObA 84/87 ausgesprochen hat, ist der Anspruch auf Urlaubsabfindung subsidiärer Natur. Er gebührt in jedem Fall, in dem das Arbeitsverhältnis - ausgenommen einen vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund - vor Verbrauch des Urlaubs endet und kein Anspruch auf (volle) Urlaubsentschädigung gemäß § 9 UrlG besteht (vgl Cerny, Urlaubsrecht6 § 10 UrlG Erl 1). Die Urlaubsentschädigung ist ebenso wie die Urlaubsabfindung ein Erfüllungsanspruch (Kuderna, UrlG § 9 Rz 3 und § 10 Rz 2 mwH). Beide Ansprüche sind darauf gerichtet, daß die in natura nicht mehr erfüllbaren Urlaubsansprüche in Ansehung des Urlaubsentgelts zur Gänze bzw in Abgeltung der im laufenden Urlaubsjahr zurückgelegten Dienstzeit zumindest aliquot gewahrt bleiben. Gegenüber dem Anspruch auf Urlaubsentschädigung ist der Anspruch auf Urlaubsabfindung sohin kein aliud, sondern ein minus (vgl 9 ObA 2051/96z; 9 ObA 2073/96k ua). Der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 9 ObA 36/91 (RdW 1991, 300 = RZ 1992/15) ist dazu nichts Gegenteiliges zu entnehmen. In diesem Fall wurde formell die Auffassung vertreten, daß auch der allfällige Zuspruch eines aliud (wie etwa der Urlaubsabfindung) nur einen Verfahrensmangel bilden könnte, der nicht mehr aufgegriffen werden dürfe, wenn ihn das Berufungsgericht für nicht gegeben erachtet habe. Eine inhaltliche Stellungnahme dazu fand nicht statt.

Soweit der Kläger auch den Zuspruch der Urlaubsentschädigung begehrte, hätten die Vorinstanzen daher subsidiär auch über die darin enthaltene Urlaubsabfindung abzusprechen gehabt. Insoweit ist das Verfahren noch nicht spruchreif.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist im § 52 Abs 1 ZPO begründet.