JudikaturJustiz9ObA108/12s

9ObA108/12s – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Robert Brunner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. W***** R*****, vertreten durch Korn Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17 19, wegen eingeschränkt 7.364 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 6.095,34 EUR brutto sA), infolge der außerordentlichen Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 17. Juli 2012, GZ 12 Ra 55/12p 29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin wurde vom 1. Februar 2010 befristet bis 30. September 2010 als Vertragsbedienstete im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie als Karenzersatzkraft für eine Tätigkeit als juristische Referentin eingestellt und in einer Abteilung des Bundesministeriums beschäftigt.

Anfang August 2010 wurde zwischen ihrem Abteilungsleiter und der Leiterin der Personalabteilung die Verlängerung des Vertrags der Klägerin besprochen.

Da die Arbeitsleistung der Klägerin gegen eine unbefristete Verlängerung des Vertragsverhältnisses sprach, thematisierte der Abteilungsleiter der Klägerin Anfang August 2010 in einem Gespräch mit der Leiterin der Personalabteilung eine weitere Befristung, die der Klägerin die Chance zur Bewährung geben sollte. Dies wurde in der Folge auch vom zuständigen Sektionschef befürwortet. Der Klägerin wurde vom Abteilungsleiter Anfang August mitgeteilt, dass eine unbefristete Übernahme „derzeit“ nicht in Frage komme, jedoch eine nochmalige Befristung anstehe. Über ihre Nachfrage konnte er ihr aber zur Dauer der Befristung keine Informationen geben. Am 12. August 2010 suchte die Klägerin um Verlängerung ihres Dienstverhältnisses an. Die Dienstvorgesetzten entschieden die Verlängerung des Vertragsverhältnisses um drei Monate. Der entsprechende „Nachtrag zum Dienstvertrag“ wurde am 29. September 2010 von der Leiterin der Personalabteilung für den Dienstgeber unterfertigt, der Klägerin aber wegen einer Erkrankung der zuständigen Sachbearbeiterin vor Ablauf des 30. September nicht ausgefolgt. Sie wurde bis 30. September 2010 auch nicht detailliert über die Dauer der vorgesehenen Befristung informiert.

Nach ihrem noch im September 2010 von ihrem Abteilungsleiter genehmigten Urlaubstag am 1. Oktober verrichtete die Klägerin wieder ihren Dienst. Am 6. Oktober wurde ihr der „Nachtrag zum Dienstverhältnis“ mit einer dreimonatigen Befristung des Dienstverhältnisses vorgelegt. Da sie mit der weiteren Befristung nicht einverstanden war, unterzeichnete sie den Nachtrag nicht. Am 12. Oktober wurde sie zur Räumung ihres Arbeitsplatzes aufgefordert, weil ein vertragsloser Zustand vorliege. Für den Fall, dass die Klägerin das Vorliegen eines unbefristeten Vertragsverhältnisses behaupte, wurde in der Folge ihre Kündigung zum 28. November 2010 ausgesprochen. Der Klägerin wurden 509,07 EUR brutto überwiesen.

Anders als das Erstgericht ging das Berufungsgericht für die Zeit ab 1. Oktober 2010 nicht von einem vertragslosen Zustand, sondern von einem unbefristeten Dienstvertrag aus, aufgrund dessen der Klägerin die revisionsgegenständlichen Entgeltansprüche bis 28. November 2010 zustünden.

Rechtliche Beurteilung

Zu dieser Beurteilung zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten, die weiterhin von einem vertragslosen Zustand ab 1. Oktober 2010 ausgehen will, keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Schon die Ansicht der Beklagten, dass die Klägerin das Verhalten der Beklagten nach dem 30. September 2010 nicht als Bereitschaft zum Abschluss eines unbefristeten Dienstverhältnisses verstehen durfte, ist nach den Regeln der Vertragsauslegung keineswegs zwingend. Gegen sie spricht nämlich, dass der Klägerin lediglich Anfang August 2010 von ihrem für Personalfragen nicht zuständigen Abteilungsleiter mitgeteilt wurde, dass eine Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis nicht in Frage komme. Er konnte ihr aber keine Informationen über die mögliche Dauer der zweiten Befristung geben, weil diesbezüglich noch keine Entscheidung der Personalabteilung und des Sektionschefs vorlag. Eine solche wurde der Klägerin bis zum Zeitpunkt des Fristablaufs auch nicht bekannt gegeben. Dennoch wurde in der Folge ihre Arbeitsleistung entgegengenommen. Auf welche Befristung die Klägerin hier schließen hätte können, ist nicht ersichtlich.

Selbst wenn man der Beklagten aber darin folgen wollte, dass die Klägerin trotz dieser Umstände nicht auf eine unbefristete Verlängerung ihres Dienstverhältnisses vertrauen hätte dürfen, wäre für sie nichts gewonnen:

Zu dem VBG unterliegenden befristeten Dienstverhältnissen wurde allgemein bereits mehrfach ausgesprochen, dass sie nur in den im Gesetz umschriebenen Fällen zulässig sein sollen. Absicht des Gesetzgebers ist es, die Umgehung der Bestimmungen, die den sozialen Schutz des Vertragsbediensteten bei Dienstverhältnissen auf unbestimmte Zeit gewährleisten, zu verhindern. Die enge Umschreibung der Zulässigkeit von wiederholten befristeten Dienstverhältnissen soll sicherstellen, dass grundsätzlich Dienstverhältnisse unbefristet begründet werden und wiederholte Befristungen nur dann wirksam erfolgen können, wenn es sich um einen tatsächlichen Vertretungsfall handelt. Nur dann tritt das Interesse des Dienstnehmers an der Begründung eines den vollen sozialen Schutz des Gesetzes genießenden unbefristeten Dienstverhältnisses gegenüber den Interessen des Dienstgebers an einer Vorsorge für einen bloß vorübergehenden Einsatz des Dienstnehmers zurück (RIS Justiz RS0113896).

Der Regelung des § 4 VBG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das gemäß § 32 VBG mit einem erhöhten Bestandschutz zugunsten des Dienstnehmers verbundene Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit als Regelfall ansieht und eine Befristung oder gar eine jederzeitige Lösbarkeit nur ausnahmsweise und unter den in § 4 Abs 3 und 4 VBG genannten Voraussetzungen zulässt (vgl RIS Justiz RS0081601). Dafür ist Folgendes vorgesehen:

Gemäß § 4 Abs 2 Z 4 VBG hat der Dienstvertrag jedenfalls Bestimmungen darüber zu enthalten, ob das Dienstverhältnis auf Probe, auf bestimmte Zeit oder auf unbestimmte Zeit eingegangen wird, und bei Dienstverhältnissen auf bestimmte Zeit, wann das Dienstverhältnis endet.

Gemäß § 4 Abs 3 S 1 VBG gilt das Dienstverhältnis nur dann als auf bestimmte Zeit eingegangen, wenn es von vornherein auf die Besorgung einer bestimmten, zeitlich begrenzten Arbeit oder auf eine kalendermäßig bestimmte Zeit abgestellt ist.

Gemäß § 4 Abs 4 VBG kann ein Dienstverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen worden ist, ein Mal verlängert werden; diese Verlängerung darf drei Monate nicht überschreiten. Wird das Dienstverhältnis darüber hinaus fortgesetzt, so wird es von da ab so angesehen, wie wenn es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen worden wäre.

Die Beklagte bestreitet nicht, dass der Klägerin bis zum Ablauf des 30. September 2010 keine kalendermäßig bestimmte Zeit für eine neuerliche Befristung bekannt gegeben wurde. Eine wirksame zweite Befristung iSd § 4 Abs 3 VBG lag sohin nicht vor. Es liefe aber dem dargelegten Schutzzweck zuwider, dann, wenn der Dienstgeber grundsätzlich zur Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers bereit ist, weiterhin dessen Leistungen entgegennimmt und ihm keine konkrete Frist oder ein Enddatum seiner (Weiter )Beschäftigung bekannt gibt, nicht von einem unbefristeten Dienstverhältnis, sondern vom Fehlen eines jeglichen Vertrags auszugehen. Diese Wertung ist auch § 4 Abs 4 S 2 VBG zu entnehmen, wonach die Fortsetzung eines befristeten Dienstverhältnisses nach Fristablauf dazu führt, dass es als von Anfang an als auf unbestimmte Zeit eingegangen anzusehen ist. Zwar bezieht sich der Wortlaut der Bestimmung auf den in § 4 Abs 4 S 1 VBG angesprochenen Fall der befristeten Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses und seiner „darüber hinaus“ erfolgenden Fortsetzung. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum dies nicht ebenso zu gelten hätte, wenn das ursprünglich befristete Dienstverhältnis ohne Bekanntgabe eines neuen Enddatums fortgesetzt wird.

In der Literatur geht auch Ziehensack davon aus, dass eine unwirksame Befristung ein unbefristetes Vertragsverhältnis zur Folge hat (Vertragsbedienstetengesetz, § 4 Rz 12b) und dass die Weiterbeschäftigung eines Dienstnehmers, mit dem keine Einigung über die weitere Befristung seines Dienstvertrags erzielt wurde, mangels Zustandekommen einer Befristungsvereinbarung im Rahmen eines unbefristeten Dienstverhältnisses erfolgt (aaO Rz 13a). Auf seine Einschränkung für den Fall, dass der Dienstgeber gegenüber dem Vertragsbediensteten klarstellt, dass eine Weiterbeschäftigung nur im Rahmen der Befristung möglich sei und andernfalls an der ursprünglichen Befristung festgehalten werde, ist hier nicht näher einzugehen, weil der Klägerin bis zum Fristablauf am 30. September 2010 gerade keine bestimmte Befristung iSd § 4 Abs 3 VBG bekannt gegeben wurde.

Richtig ist, dass dadurch dem Bund bei mangelnder Vorsicht der Personalstelle das Risiko der Entstehung ungewollt unbefristeter Dienstverhältnisse zugewiesen wird. Es wurde vom Gesetzgeber aber offenbar geringer bewertet als die Sicherheit des Dienstnehmers, nach Maßgabe des § 4 VBG über sein Dienstverhältnis Bescheid zu wissen, um entsprechende Dispositionen treffen zu können (vgl Ziehensack aaO Rz 13b).

Eine Diskrepanz zur Entscheidung 8 ObA 1/08t (unzulässige Mehrfachbefristung bei Gastprofessor) wird dadurch nicht begründet. In jener Entscheidung wurde erwogen, dass bei Zulässigkeit des Abschlusses eines weiteren befristeten Dienstverhältnisses und bei mangelnder Einigung über die Befristung wegen Dissenses wohl kein wirksamer Arbeitsvertrag zustandegekommen wäre. Diese Erwägung erfolgte allerdings vor dem Hintergrund, dass die Dienstgeberin jenes Falls von Beginn an das von ihr gewollte, vom Dienstnehmer aber abgelehnte Fristende offengelegt hatte, während die Klägerin des vorliegenden Falls nicht fristgerecht von einem weiteren Enddatum in Kenntnis gesetzt wurde. Die Annahme eines unbefristeten Vertrags scheiterte in der genannten Entscheidung nur am Unterbleiben des universitären Berufungsverfahrens.

Insgesamt liegen somit keine ausreichenden Gründe vor, die einen Korrekturbedarf an der bekämpften Entscheidung des Berufungsgerichts erkennen ließen. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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