JudikaturJustiz9Ob37/15d

9Ob37/15d – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache des Antragstellers W***** R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin S***** S*****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. April 2015, GZ 22 R 107/15m 100, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid des Amts der Salzburger Landesregierung vom 2. 9. 2009, Zl *****, wurden zur Durchführung eines Straßenbauprojekts die Eigentümerin des Grundstücks ***** EZ ***** Grundbuch ***** und der Antragsteller als Eigentümer des auf dem Grundstück befindlichen Superädifikats (Imbissstand) gemäß den Enteignungs-bestimmungen des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 enteignet und ihnen Entschädigungen zugesprochen, davon dem Antragsteller 4.752 EUR. Der Antragsteller hatte das Grundstück von der Grundeigentümerin gemietet.

Im vorliegenden, auf die Überprüfung der Entschädigungssumme gerichteten Verfahren wurde dem Antragsteller vom Erstgericht der Bauzeitwert des Superädifikats samt Zubehör in Höhe von von 16.990 EUR zuzüglich einer sich für den Zeitraum August 2010 bis Jänner 2015 nach dem Baukostenindex 2010 ergebenden Werterhöhung zugesprochen. Das Mehrbegehren von 1.597.775 EUR sA (Verdienstentgang, Abtransport und Lagerkosten für das Superädifikat, Kosten für die Neuanmietung einer anderen Grundstücksfläche, Kosten für die Wiederaufstellung eines Containers, Inseratkosten für neues Personal, Warenverderb, Schaden wegen der Auflösung des mit seiner Ehefrau abgeschlossenen Pachtvertrags) und zwei Eventualbegehren wurden neben anderen Erwägungen - im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Antragsteller einen unmittelbaren Entschädigungsanspruch nur aus der Enteignung des Superädifikats habe und hinsichtlich jener Nachteile, die aus der Enteignung des Grundstücks resultierten, nicht aktivlegitimiert sei. Der vom Antragsteller dagegen erhobene Rekurs blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

In seinem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs, der sich gegen die Trennung des Schicksals von Superädifikat, Unternehmenspacht und Grundstück richtet, zeigt der Antragsteller keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf:

1. § 15 Abs 1 Salzburger LandesstraßenG 1972 verweist für die Festsetzung der Entschädigung auf die Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungs-gesetzes (EisbEG).

Bei Enteignung des Vermieters hat der Mieter als Nebenberechtigter iSd § 5 EisbEG Anspruch auf Ersatz aller durch die Enteignung entstehenden Nachteile und nicht nur derjenigen Nachteile, wie sie bei einer Kündigung durch den Vermieter entstünden. Alle Nachteile des Mieters sind zu berücksichtigen, ohne Rücksicht darauf, ob der Mieter gegen den (enteigneten) Vermieter Ansprüche hat (3 Ob 185/07p mwN). Der Bestandnehmer hat daher als Nebenberechtigter iSd § 5 EisbEG Anspruch auf volle Schadloshaltung iSd § 4 Abs 1 EisbEG (7 Ob 138/05b ua). Der Nebenberechtigte ist aber im Enteignungsverfahren nicht Partei, sondern kann sich nur an seinen Vertragspartner, den Enteigneten, halten, dem die Vergütung der Nachteile obliegt. Der Nebenberechtigte hat keinen unmittelbaren Entschädigungsanspruch gegen den Enteigner, sondern ist auf den unmittelbar enteigneten Eigentümer verwiesen (RIS Justiz RS0057994, zuletzt 8 Ob 139/08m; s auch 7 Ob 39/13f [Pkt 1.]; Feil , Enteignung und Enteignungsentschädigung § 5 EisbEG Rz 2, 2.1). Im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachten Positionen haben die Vorinstanzen daher zu Recht danach differenziert, ob sie auf den Entzug des Eigentums am Superädifikat oder auf den Verlust des über das Grundstück abgeschlossenen Mietvertrags zurückzuführen sind.

2. Dem Antragsteller kann zwar zugestanden werden, dass für den Betrieb des Imbissstands an jenem Ort sowohl die Anmietung der Fläche als auch die Baulichkeit (Superädifikat) erforderlich waren. Dies führt aber noch nicht zu der von ihm gewünschten einheitlichen Betrachtung, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber unmittelbar nur zur Entschädigung für das Sondereigentum am Superädifikat verpflichtet ist. Mit den Folgen aus dem Wegfall der Grundstücksmiete ist er nach der dargestellten Rechtsprechung vielmehr auf die Grundeigentümerin zu verweisen. Soweit der Wert des Unternehmensbetriebs vom konkreten Standort bestimmt wird, hat der Antragsteller als Flächenmieter daher keinen unmittelbaren Entschädigungsanspruch gegen die Antragsgegnerin. Soweit der Wert von der Baulichkeit abhängt, ist er aber mit der zuerkannten Entschädigungssumme, die dem Antragsteller festgestelltermaßen die Errichtung eines gleichwertigen Superädifikats an einem anderen Standort ermöglicht hätte, abgegolten. Darauf, dass die nur befristet erteilte Baubewilligung für das Superädifikat längst abgelaufen und auch nicht verlängerbar war, kommt es daneben nicht mehr an.

3. Den geltend gemachten Verdienstentgang von 300.000 EUR kann der Antragsteller auch nicht auf eine Anstellung bei seiner Ehefrau als vermeintlicher Pächterin des Imbissstands stützen, weil dies kein Nachteil ist, den ihm die Antragsgegnerin in seiner Eigenschaft als Enteigneter des Superädifikats zu entschädigen hätte. Das behauptete Pachtverhältnis, aus dessen Auflösung er ebenfalls einen Schaden von 300.000 EUR ableiten will, hat auch keine Grundlage im festgestellten Sachverhalt. Das Erstgericht stellte vielmehr fest, dass zwischen den Ehegatten keine vertragliche Vereinbarung bestand, aufgrund welcher der Ehegattin das Superädifikat und das Grundstück überlassen wurde. Schon deshalb geht auch das Vorbringen, dass der Antragsteller wegen der Auflösung des Pachtverhältnisses die gegenüber seinen Gläubigern bestehenden Verbindlichkeiten von 890.000 EUR sofort abdecken hätte müssen und ihm die Antragsgegnerin für einen Schaden in dieser Höhe haftbar sei, ins Leere. Schäden aus einer vorzeitigen Fälligkeit wurden von ihm auch nicht beziffert.

4. Ein Zuspruch der begehrten Lagerungskosten für das Superädifikat (180.000 EUR) würde zu einer nicht begründbaren Bereicherung des Antragstellers führen, weil der Imbissstand zwischenzeitig geräumt, abgebrochen und entsorgt wurde und mit dem zugesprochenen Entschädigungsbetrag die Neuerrichtung eines gleichwertigen Superädifikats möglich gewesen wäre.

5. Der mit dem Imbissstand baulich nicht verbundene Container (Zeitwert: 160 EUR) war von der Enteignung nicht erfasst, sodass dafür auch keine enteignungsbedingte Entschädigung in Betracht kommt. Nichts anderes kann für die darin gelagerten verderblichen Warenvorräte (450 EUR) gelten.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers daher zurückzuweisen.