JudikaturJustiz9Ob109/22b

9Ob109/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei R* eGen, *, vertreten durch Kopp – Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Z*, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 6.340,96 EUR sA (Revisionsstreitwert: 6.175,14 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14. September 2022, GZ 53 R 143/22v 48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 27. Mai 2022, GZ 26 C 592/20t 44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 4.165,82 EUR samt 12,75 % Zinsen aus 165,82 EUR seit 16. 6. 2020 sowie 4,25 % Zinsen und 4,5 % Verzugszinsen (jeweils kontokorrentmäßig berechnet und vierteljährlich im Nachhinein kapitalisiert) aus 4.000 EUR seit 5. 6. 2019 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 2.175,14 EUR sA zu bezahlen sowie das Zinsenmehrbegehren, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 871,65 EUR (darin 83,36 EUR USt und 371,50 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die anteiligen Sachverständigengebühren von 1.569,49 EUR binnen 14 Tagen zu zahlen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 273,74 EUR (darin 45,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 187,96 EUR (darin 31,33 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die anteiligen Pauschalgebühren von 213,15 EUR für das Berufungsverfahren und von 266,70 EUR für das Revisionsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Am 12. 1. 2011 eröffneten der Beklagte und seine damalige Lebensgefährtin beim klagenden Kreditinstitut ein gemeinsames Girokonto („Oder-Konto“) mit der Nr. 91.113.597. Am 10. 6. 2016 gewährte die Beklagte auf dieses Konto einen revolvierend auslösbaren Kontokorrentkredit von 4.000 EUR. Per 15. 6. 2020 haftet auf diesem Girokonto ein Betrag von 165,82 EUR an Spesen aus. Ob dieser Kreditvertrag auch vom Beklagten unterfertigt wurde, konnte nicht festgestellt werden.

[2] Bereits am 9. 8. 2013 hatte die Klägerin dem Beklagten und seiner Lebensgefährtin einen einmal ausnützbaren Abstattungskredit in Höhe von 14.000 EUR gewährt. Beide Kreditnehmer hatten diesen Kreditvertrag unterfertigt. Der Kreditbetrag war den Kreditnehmern über das gemeinsame Kreditkonto mit der Nr. 91.387.803 zur Verfügung gestellt worden.

[3] Dieser Kredit wurde in der Folge über das Kreditkonto Nr. 91.387.803 dreimal aufgestockt. Die Klägerin stellte am 13. 8. 2014 einen zusätzlichen Abstattungskredit in Höhe von 8.000 EUR und am 23. 8. 2018 einen weiteren Abstattungskredit in Höhe von 2.000 EUR zur Verfügung. Im letztgenannten Kreditvertrag wurde der nunmehrige Gesamtkreditbetrag mit 7.730,51 EUR angegeben. Diese beiden Kreditverträge wurden von der damaligen Lebensgefährtin des Beklagten unterfertigt. Ob sie auch vom Beklagen selbst unterzeichnet wurden, konnte nicht festgestellt werden.

[4] Mit Kreditvertrag vom 5. 6. 2019 gewährte die Klägerin dem Beklagten und seiner Lebensgefährtin, die beide auch den Vertrag unterfertigten, über das Kreditkonto Nr. 91.387.803 einen weiteren einmal ausnützbaren Abstattungskredit in Höhe von 4.000 EUR mit einem Sollzinssatz von 4,25 % und Verzugszinsen von 4,5 % (jeweils kontokorrentmäßig; Verrechnung vierteljährlich im Nachhinein). Darin wurde ua vermerkt: „Nunmehriger Gesamtkreditbetrag 9.588,52 EUR“. Vereinbart wurde, dass mit den Raten vorerst der ursprünglich eingeräumte Kredit rückgeführt wird und sodann der zusätzliche Kredit.

[5] Auf dem Kreditkonto Nr. 91.387.803 haftete unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen per   15. 6. 2020 ein Saldo in Höhe von 8.788,16 EUR aus. Durch eine Gutschrift von 2.613,02 EUR aufgrund des lukrierten Rückkaufswerts einer Versicherung reduzierte sich der Saldo auf diesem Konto per 6. 11. 2020 auf 6.175,14 EUR.

[6] Die Klägerin begehrt vom Beklagten als Kreditnehmer aller abgeschlossenen Kreditverträge die offenen Saldi von 165,82 EUR und 6.175,14 EUR, gesamt daher den Betrag von 6.340,96 EUR sA. Der Beklagte habe sämtliche Kreditverträge unterzeichnet. Durch die Unterfertigung des Kreditvertrags vom 5. 6. 2019 habe er den zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Saldo zumindest konkludent anerkannt. Durch die geleisteten Zahlungen ab Juli 2019 habe sich vereinbarungsgemäß nur der alte Saldo reduziert, der Kreditbetrag von 4.000 EUR sei aber jedenfalls noch zur Gänze offen.

[7] Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zu dem von der Klägerin begehrten Betrag von 6.175,14 EUR ein, dass er mangels Unterzeichnung der Kreditverträge vom 13. 8. 2014 und 23. 8. 2018 für die dem Kreditkonto zugezählten Kreditbeträge von insgesamt 10.000 EUR nicht hafte. Hinsichtlich des Kreditvertrags vom 5. 6. 2019 sei er von der Klägerin nicht ausreichend aufgeklärt worden.

[8] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Beklagte hafte als Kontoinhaber für den offenen Saldo aus dem Girokonto. Auch wenn der Beklagte die Kreditverträge vom 13. 8. 2014 und 23. 8. 2018 nicht unterfertigt habe, so habe er den weiteren Kreditvertrag vom 5. 6. 2019 unterzeichnet, der einen aktuellen Gesamtkreditbetrag von 9.588,52 EUR ausgewiesen und alle wesentlichen Informationen enthalten habe. Jeder Punkt des Kreditvertrags sei von der Klägerin mit ihm durchgegangen worden. Von einem Beratungs oder Aufklärungsfehler durch die Klägerin sei nicht auszugehen. Die vom Beklagten nicht unterfertigten Kreditverträge seien durch die erfolgte Aufstockung des ursprünglichen Kreditvertrags vom 9. 8. 2013 im Kreditvertrag vom 5. 6. 2019 eingedenk des aktuellen Gesamtkreditbetrags aufgegangen. Daraus resultiere die (Solidar-)Haftung des Beklagten.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Haftung des Klägers für die offenen Spesen aus dem Girokonto. Zum Saldo auf dem Kreditkonto führte es aus, dass nach der Rechtsprechung mehrere Inhaber eines Oder-Kontos zwar als Solidarschuldner hafteten, die Einzelverfügungsberechtigung eines Kontoinhabers aber nicht die Aufnahme eines zusätzlichen Kredits umfasse. Daher könne auch der einzelne Kontoinhaber nicht mit Wirksamkeit für die Übrigen einen – auf dem Gemeinschaftskonto bereitzustellenden – Kredit mit der Bank vereinbaren. Für die Rückzahlung einer solchen Kreditsumme hafte nur der handelnde Kontoinhaber. Allerdings sei hier von einer Mithaftung des Beklagten für den genannten Gesamtsaldo aufgrund einer Genehmigung durch das Unterbleiben einer Reklamation auszugehen. Auch die beiden vorangegangenen Kreditverträge würden nicht nur die Unterschrift der Lebensgefährtin des Beklagten tragen. Vielmehr habe es für die Klägerin keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die weiteren Unterschriften für den Beklagten als Mitinhaber des Kreditkontos nicht von diesem stammten. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gehe es daher zu Lasten des Beklagten, wenn er sich um seine finanziellen Agenden nicht ausreichend selbst gekümmert habe.

[10] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision hinsichtlich des Betrags von 165,82 EUR (Spesen Girokonto) jedenfalls unzulässig sei. Hinsichtlich des Betrags von 6.175,14 EUR (Abstattungskredite zum Kreditkonto) erklärte es die Revision für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit einer vergleichbaren Konstellation der mehrmaligen Aufstockung eines Abstattungskredits durch jeweils abgeschlossene (selbständige) Kreditverträge im Lichte des Bestehens eines „Oder-Kontos“ bislang noch nicht befasst habe. Insbesondere stelle sich die Frage, ob es genügt, wenn anlässlich der letzten Aufstockung des Kredits auf einem bestimmten Kreditkonto im auch vom Beklagten unterfertigten Kreditvertrag auf den nunmehr aushaftenden Gesamtkreditbetrag hingewiesen werde, um eine Mithaftung für zwei dazwischen liegende Kreditaufstockungen zu bewirken.

[11] In seiner gegen den Zuspruch eines Betrags von 6.175,14 EUR sA gerichteten Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision des Beklagten ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.

[14] Vorweg ist festzuhalten, dass die Klägerin ihren Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung des offenen Kreditbetrags – auch in ihrer Revisionsbeantwortung – primär auf dessen Stellung als Kreditnehmer gründet. Auch wenn er zwei Kreditverträge nicht unterzeichnet habe, so habe er – nach Ansicht der Klägerin – jedenfalls durch die Unterfertigung des Kreditvertrags vom 5. 6. 2019 einen Gesamtkreditvertrag mit der in diesem Kreditvertrag angegebenen (Gesamt )Kreditvertragssumme von 9.588,52 EUR abschließen wollen. Zumindest habe der Beklagte aber durch die neuerliche Kreditaufnahme den bestehenden Saldo aus den davor abgeschlossenen Kreditverträgen konkludent anerkannt. Jedenfalls sei der Beklagte zur Rückzahlung des noch offenen Kreditbetrags von 4.000 EUR aus dem von ihm und seiner Lebensgefährtin abgeschlossenen Kreditvertrag vom 5. 6. 2019 verpflichtet.

Dazu ist auszuführen:

[15] 1. Der Klägerin gelang es als diesbezüglich beweispflichtiger Partei im Verfahren nicht, die Echtheit der Unterschrift des Beklagten auf den Kreditverträgen vom 13. 8. 2014 und 23. 8. 2018 zu beweisen. Der Beklagte ist daher insofern nicht Vertragspartei und Kreditnehmer, weshalb er der Klägerin aus diesen von ihm nicht abgeschlossenen Kreditverträgen auch nichts schuldet. Die – zutreffende – Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass der einzelne Kontoinhaber grundsätzlich nicht mit Wirksamkeit für die übrigen einen – auf dem Gemeinschaftskonto (hier das Kreditkonto) bereitzustellenden – Kredit mit der Bank vereinbaren kann, weshalb für die Rückzahlung einer solchen Kreditsumme nur der handelnde Kontoinhaber (hier die damalige Lebensgefährtin des Beklagten) haftet (RS0017339 [T5]), wird in der Revisionsbeantwortung auch nicht in Frage gestellt.

[16] 2. Aber auch mit dem von den Parteien am 5. 6. 2019 abgeschlossenen Kreditvertrag lässt sich ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten für die offenen Kreditschulden aus den vom Kläger nicht unterzeichneten Kreditverträgen nicht begründen. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte hafte für den in diesem Kreditvertrag genannten Gesamtsaldo „aufgrund einer Genehmigung durch das Unterbleiben einer Reklamation“ ist unzutreffend. Weshalb der Beklagte als Kreditnehmer (§ 2 Abs 2 VKrG) verpflichtet gewesen sein sollte, den von der Klägerin in den Kreditvertrag vom 5. 6. 2019 aufgenommenen Hinweis „Nunmehriger Gesamtkreditbetrag 9.588,52 EUR“ zu „reklamieren“, wird nicht näher begründet und ist auch nicht ersichtlich. Auch unter dem Gesichtspunkt eines „Vertrauensschutzes“ kann es nicht zu Lasten des Beklagten gehen, „wenn er sich nicht ausreichend um seine finanziellen Agenden gekümmert habe“ und daher den Kreditvertrag vom 5. 6. 2019 mit dem erwähnten Hinweis unterzeichnet hat. Ein Verpflichtungswille des Beklagten, mit Abschluss des Kreditvertrags vom 5. 6. 2019 über 4.000 EUR auch für weitere offene Kreditverbindlichkeiten einzustehen, die alleine seine damalige Lebensgefährtin betreffen, lässt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableiten. Gerade auch bei Annahme eines schlüssigen Verhaltens ist im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen ein strenger Maßstab anzulegen (RS0014150 [T12]). Darf doch kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (RS0014150 [T2]). Mangels eines derartigen Rechtsfolgewillens bleibt es dabei, dass der Beklagte für die (vormaligen) Kreditaufnahmen seiner damaligen Lebensgefährtin nicht haftet.

[17] 3. Die Klägerin macht aber zu Recht geltend, dass der Beklagte die Rückzahlung des (auch) von ihm am 5. 6. 2019 aufgenommenen Kredits über 4.000 EUR samt Zinsen schuldet. Der Beklagte hat das Vorbringen der Klägerin, hinsichtlich des Kredits vom 5. 6. 2019 sei noch kein Betrag rückgeführt worden, weshalb er noch zur Gänze samt Zinsen offen aushafte, nicht substantiiert bestritten (einen gegenteiligen Standpunkt nimmt der Beklagte auch in seiner Revision nicht ein). Der Beklagte schuldet der Klägerin daher die gesamte (offene) Kreditsumme von 4.000 EUR samt vereinbarter Zinsen und Verzugszinsen.

[18] Insgesamt ist die Revision des Beklagten daher teilweise berechtigt. D em Klagebegehren war in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen (neben dem rechtskräftigen Zuspruch von 165,82 EUR sA) lediglich im Umfang von 4.000 EUR sA stattzugeben. Im Übrigen war das Klagebegehren abzuweisen.

[19] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 ZPO. Im ersten Verfahrensabschnitt obsiegte die Klägerin mit rund 50 %, was eine Kostenaufhebung zur Folge hat. Die Klägerin erhält jedoch vom Beklagten die Hälfte der von ihr entrichteten Pauschalgebühr. Nach Einschränkung des Klagebegehrens in der Tagsatzung vom 2. 12. 2020 auf den Betrag von 6.340 EUR obsiegte die Klägerin mit rund 65 %, weshalb sie Anspruch auf 30 % ihrer in diesem Verfahrensabschnitt aufgelaufenen Kosten auf Basis der Bemessungsgrundlage von 6.340 EUR hat. Der Beklagte hat – entsprechend seiner Obsiegensquote – Anspruch auf 35 % der von ihm entrichteten Sachverständigengebühren. Nicht zu honorieren waren die verzeichneten Kosten für den Schriftsatz vom 21. 12. 2020, die Mitteilung vom 13. 9. 2021 und die Kommission vom 20. 9. 2021, weil diese Leistungen, wie das Erstgericht (von der Klägerin unbekämpft) bereits begründet hat, nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.

[20] Im Berufungs- und Revisionsverfahren obsiegte die Klägerin ebenfalls mit rund 65 %. Sie hat daher Anspruch auf 30 % ihrer in den Rechtsmittelverfahren aufgelaufenen Kosten, der Beklagte erhält 35 % seiner entrichteten Pauschalgebühren.

Rechtssätze
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