JudikaturJustiz9Bs113/23w

9Bs113/23w – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
05. April 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser (Vorsitz) sowie die Richterinnen Mag a . Schadenbauer-Pichler und Mag a . Berzkovics in der Maßnahmenvollzugssache des D* wegen Kostenübernahme nach § 179a StVG über die Beschwerde der A* B* GmbH gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 28. Februar 2023, AZ 2 BE 320/12t (zu K212 und K213), in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und ausgesprochen, dass in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die vom Bund zu übernehmenden Kosten für die medikamentöse Behandlung des Betroffenen

- für Oktober 2022 mit EUR 558,26 (Rechnung Nr. 2938)

- für November 2022 mit EUR 1.063,24 (Rechnung Nr. 2994)

- für Dezember 2022 mit EUR 539,12 (Rechnung Nr. 17)

bestimmt werden.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 18.Juni 2013, GZ 2 BE 320/12t-15, wurde D* anlässlich der bedingten Entlassung aus der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB die Weisung erteilt, im „B*“ Wohnsitz zu nehmen und sich einer regelmäßigen psychiatrischen und medikamentösen Behandlung zu unterziehen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die Kosten für die Unterbringung sowie für die medikamentöse, psychiatrische und ärztliche Betreuung des Betroffenen gemäß § 179a Abs 2 StVG vom Bund übernommen werden (ON 14 und ON 15). Seit 1. Juli 2013 ist der Betroffene im „B*“, das von der A* B* GmbH betrieben wird, aufhältig.

Mit Eingaben vom 31. Dezember 2022 (K212) und vom 31. Jänner 2023 (K213) stellte die A* B* GmbH dem Vollzugsgericht unter Anschluss von Rechnungen der Apotheke „**“ in ** Aufwendungen für die Medikamente des Betroffenen im Gesamtbetrag von EUR 2.160,62 in Rechnung, und zwar EUR 558,26 für Oktober 2022 (Rechnung Nr. 2938), EUR 1.063,24 für November 2022 (Rechnung Nr. 2994) und EUR 539,12 für Dezember 2022 (Rechnung Nr. 17). Das Vollzugsgericht holte Auskünfte der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) ein, bis zu welchem Betrag diese für die Kosten aufkommen könnte, wenn der Betroffene in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre. Ausgehend von den von der C* für E* in ihren Schreiben vom 21. und 28. Februar 2023 (Anhang zu K212 und K213) errechneten Beträgen bestimmte das Vollzugsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die vom Bund zu ersetzenden Kosten der medikamentösen Behandlung für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2022 mit insgesamt EUR 1.539,31.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der A* B* GmbH, die auf die Übernahme der gesamten verzeichneten Kosten abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zulässigkeit der Beschwerde ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung überwiegend davon ausgeht, dass gegen den Beschluss, mit dem Kosten im Zusammenhang mit der Therapie oder dem Aufenthalt in einer Einrichtung zugesprochen werden, neben dem Betroffenen und der Staatsanwaltschaft auch der Einrichtung die Beschwerde zusteht, wenn ihr bereits Kosten erwachsen sind ( Pieber , WK² § 179 StVG Rz 9 mwN). Den gegenteiligen Standpunkt vertrat zuletzt das Oberlandesgericht Graz mit der Begründung, dass derartige Entscheidungen ausschließlich das Verhältnis zwischen dem Bund und dem bedingt Entlassenen betreffen würden, sodass dritte Personen, wie etwa therapeutische Einrichtungen, hievon nicht unmittelbar betroffen seien (OLG Graz 10 Bs 263/13x, RIS-Justiz RG0000094). Diese Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall nicht aufrechterhalten werden: Da das Gericht bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung eine Kostenübernahme durch den Bund ausgesprochen und den Bund sohin verpflichtet hat, die Kosten des Aufenthalts und der Behandlung des Betroffenen in der Einrichtung der Beschwerdeführerin, die diese Kosten unmittelbar mit dem Gericht verrechnet, zur Gänze zu übernehmen, betrifft der angefochtene Beschluss nicht nur das Verhältnis zwischen Betroffenem und Bund. Vielmehr werden der Einrichtung durch den Beschluss, mit dem die Behandlungskosten nicht in der von ihr geltend gemachten Höhe bestimmt werden, unmittelbar Rechte verweigert. Sie ist daher gemäß § 180 Abs 1 StVG iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG und § 87 Abs 1 StPO beschwerdelegitimiert.

Die Beschwerde ist sohin zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Die Höhe der vom Bund zu übernehmenden Kosten ist – sofern es keine Pauschalvereinbarung gemäß § 179a Abs 3 StVG gibt – mit dem Ausmaß begrenzt, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkommen könnte, wenn der Entlassene bei ihr versichert wäre (§ 179a Abs 2 zweiter Satz StVG).

Aus den Schreiben der BVAEB C* E* vom 21. und 28. Februar 2023 ergibt sich diesbezüglich, dass Medikamente, deren Kassenpreis unter der Rezeptgebühr liegt, vom Versicherten selbst zu bezahlen wären. Für die übrigen Medikamente hätte der Versicherte die Rezeptgebühr von EUR 6,65 zu entrichten. Für die darüber hinausgehenden Kosten würde die Versicherungsanstalt aufkommen. Davon ausgehend errechnete die BVAEB C* für E* die vom Vollzugsgericht letztlich zuerkannten Beträge, wobei der Vollständigkeit halber anzumerken ist, dass sie bei ihren vom Vollzugsgericht kritiklos übernommenen Berechnungen übersah, dass im November 2022 (Rechnung Nr 2994) zweimal das Medikament Xeplion verabreicht wurde.

Aus der (unjournalisierten) im ERV eingebrachten Eingabe der BVAEB Hauptstelle vom 28. Februar 2023 ergibt sich ferner, dass im Fall einer Rezeptgebührenbefreiung für den Versicherten keine Kosten für die verrechneten Arzneimittel anfallen würden.

Das Vollzugsgericht hat, wie schon eingangs erwähnt, aus Anlass der bedingten Entlassung beschlossen, dass die Kosten (auch) für die medikamentöse Behandlung des Betroffenen nicht bloß teilweise, sondern zur Gänze vom Bund übernommen werden. Daraus folgt, dass dieser für seine Medikamente keinen Selbstbehalt – etwa in Höhe der Rezeptgebühr – zu entrichten hat. Er ist daher einem von der Rezeptgebühr befreiten Versicherten gleichzuhalten, dessen Kosten für Medikamente die BVAEB in vollem Umfang übernehmen würde. Damit gebührt der Beschwerdeführerin aber der vollständige Ersatz der von ihr verzeichneten Kosten für Medikamente.

In Stattgebung der Beschwerde sind die Kosten daher antragsgemäß zu bestimmen.

Die Auszahlungsanordnung wird das Vollzugsgericht zu erlassen haben.