JudikaturJustiz8ObS4/08h

8ObS4/08h – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Gerhard M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen die beklagte Partei IAF Service GmbH, *****, wegen Insolvenzausfallgeld (53.439 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2008, GZ 8 Rs 7/08w-13, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Seit Inkrafttreten der IESG-Novelle, BGBl I 142/2000, judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass regelmäßig allein aus der zeitlichen Komponente des „Stehenlassens" von Entgeltansprüchen nicht darauf geschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenzausfallgeld-Fonds überwälzen will (8 ObS 2/06f; 8 ObS 20/04f mwN; 8 ObS 22/04z; 8 ObS 14/06a; uva). Allerdings wird auch für den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen ausgesprochen, dass im Einzelfall dann, wenn zu dem „Stehenlassen" der Entgeltansprüche weitere Umstände hinzutreffen, die konkret auf den Vorsatz des Arbeitnehmers schließen lassen, das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenzausfall-Fonds zu überwälzen, trotzdem die Geltendmachung von Ansprüchen auf Insolvenz-Ausfallgeld missbräuchlich sein kann (8 ObS 195/02p; 8 ObS 11/04g mwN; 8 ObS 14/06a; 8 ObS 18/06i uva). Die Beurteilung steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des EuGH vom 11. 9. 2003, C-201/01 (Walcher): In dieser Entscheidung wurde ausdrücklich ausgesprochen, dass Missbrauchsfälle im Sinn des Art 10 der Insolvenz-Richtlinie 80/987/EWG (geändert durch die Richtlinie 2002/74/EG) vom Schutz der Richtlinie ausgenommen werden können (8 ObS 3/05g; 8 ObS 22/05a; 8 ObS 16/06w).

Das Berufungsgericht hat ungeachtet des Bestehens des Dienstverhältnisses des Klägers seit 1986 aufgrund des Umstands, dass der Kläger der Sohn des handelsrechtlichen Geschäftsführers der (späteren) Gemeinschuldnerin ist, dem Kläger sowohl die Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens als auch der Umstand klar war, dass er mit Nichtforderung seines Lohns die Fortführung des Betriebs in einer finanziell schwierigen Situation mitermöglichte, dass über mehrere Jahre hindurch nur sporadische, in den letzten 1 ½ Jahren überhaupt keine Lohnzahlungen mehr erfolgten und der Kläger keinen ernstlichen Versuch zur Einbringlichmachung unternahm, einen solchen „Missbrauchsfall" angenommen. In dieser Beurteilung kann eine (wesentliche) Verkennung der Rechtslage, die das korrigierende Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erforderlich machen würde, nicht erblickt werden. Dem Einwand des Rechtsmittelwerbers, dass sich die europarechtlichen Grundlagen durch die Richtlinie 2002/74/EG wesentlich geändert hätten, ist entgegen zu halten, dass Art 10 lit a und b der Richtlinie 80/987/EWG unverändert übernommen wurden und lediglich eine (hier nicht relevante) lit c hinzugefügt wurde. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zeigt das Rechtsmittel daher nicht auf.