JudikaturJustiz8ObS3/19b

8ObS3/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. November 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei N***** A*****, vertreten durch Sauerzopf Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, Geschäftsstelle Wien, 1150 Wien, Linke Wienzeile 246, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 4.868 EUR sA (Insolvenz-Entgelt), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 2019, GZ 8 Rs 1/19d 20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision zeigt mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Es entspricht der ständigen, vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung, dass § 7 Abs 6a IESG die bestehenden Möglichkeiten der Vorfinanzierung von laufendem Entgelt zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds nicht erweitert, sondern einschränkt.

Sofern ein Dritter dem Arbeitgeber Mittel zur Zahlung von offenen Entgeltforderungen zur Verfügung stellt, ohne dass eine Rückzahlungspflicht der Arbeitnehmer im Sinne einer bloßen Kreditierung vereinbart wurde (vgl 8 ObS 19/06m = JBl 2008, 121), erwirbt er nur eine Konkursforderung gegen die Gemeinschuldnerin (8 ObS 314/99f; 8 ObS 269/00t; 8 ObS 3/09p).

Wesentlich ist, ob der Arbeitnehmer durch die erhaltene Zahlung endgültig lohnbefriedigt wurde (8 ObS 19/06m; 8 ObS 3/09p). Dies ist der Fall, wenn die getroffene Vereinbarung dahin auszulegen ist, dass das Risiko der Einbringlichkeit damit zur Gänze auf den Dritten übergegangen ist und der Arbeitnehmer nicht mehr zur Rückzahlung des auf seine offene Entgeltforderung erhaltenen Betrags verpflichtet ist (8 ObS 3/09p). In diesem Umfang besteht dann kein aufrechter Anspruch im Sinne des § 1 Abs 2 IESG mehr. Eine zusätzliche Leistungspflicht der Beklagten hätte in diesem Fall eine doppelte Befriedigung zum Ergebnis.

Schon aus diesem Grund besteht keine Sicherung solcher Ansprüche. Es kommt unter diesen Umständen nicht darauf an, ob die Drittfinanzierung allenfalls in sittenwidriger Weise als Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf die Beklagte durch Hinausschieben der Insolvenzeröffnung anzusehen war, oder – wie die Revision hier darlegt – nicht. Diese Frage wäre nur dann zu prüfen, wenn die Entgeltansprüche des Arbeitnehmers lediglich kreditiert wurden und im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 IESG aufrecht sind, mögen sie auch gepfändet, verpfändet oder übertragen worden sein.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger die Löhne für Juli, August und September 2017 von einem Dritten, der Interesse an der Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin hatte, jeweils nach Fälligkeit bezahlt erhalten. Der Septemberlohn wurde erst nach der Insolvenzeröffnung am 2. 10. 2017 bezahlt. Alle Zahlungen erfolgten vor der Antragstellung auf Insolvenz-Entgelt und jeweils aufgrund von schriftlichen Anboten. In diesen erklärt die Dritte, sie sei aufgrund der Abtretung der Lohnforderungen an sie berechtigt, diese Ansprüche gegen die Dienstgeberin geltend zu machen, im Insolvenzverfahren anzumelden „sowie gegenüber dem Insolvenzentgeltsicherungsfond in dem durch das IESG gedeckten Umfang“ geltend zu machen. Die schriftlichen Annahmeerklärungen vom 29. 8. 2017, 13. 9. 2017 und 12. 10. 2017 (Beilagen ./C, ./E und ./G) wurden vom Kläger und von der Arbeitgeberin unterfertigt. Sie enthalten einen ausdrücklichen Verweis auf § 1422 ABGB. Von irgendeiner Rückzahlungspflicht des Klägers ist nicht die Rede. Die Annahmeerklärungen wurden auch mit Stempel und Unterschrift der Arbeitgeberin („zur Kenntnis genommen und vollinhaltlich einverstanden“) gezeichnet.

Nach § 1422 ABGB kann, wer die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet, bezahlt, vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung als Einlösung der Forderung. Die Einlösung wird im Unterschied zur rechtsgeschäftlichen Zession grundsätzlich durch ein einseitiges Zahlungsverlangen bewirkt, sie kann jedoch auch einvernehmlich erfolgen, wobei dann die der Einlösung zugrundeliegende Vereinbarung auch einer (ergänzenden) Vertragsauslegung zugänglich ist (1 Ob 269/06z). Der Einlösende übernimmt die Forderung so, wie sie dem Altgläubiger zustand ( Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1422 Rz 8).

Die streitgegenständlichen Lohnforderungen des Klägers sind durch die Einlösung auf den finanzierenden Dritten übergegangen. Die Sachlage stellt sich im Großen und Ganzen nicht anders dar als in dem Verfahren, das den bereits zitierten Entscheidungen 8 ObS 269/00t, 8 ObS 3/09p zugrundelag. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Kläger durch die zwar nicht unmittelbar durch den Arbeitgeber, aber mit seiner schriftlichen Zustimmung vorbehaltslos erfolgte Zahlung und Einlösung lohnbefriedigt wurde und bei der Antragstellung keinen eigenen aufrechten Anspruch mehr hatte, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang.

Es kommt nach der dargestellten Rechtslage nicht darauf an, dass die Löhne der letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung unter anderen Umständen, nämlich wenn sie offen geblieben oder nur bevorschusst worden wären, gesicherte Forderungen dargestellt hätten, oder dass die letzte Zahlung mit Einverständnis des Insolvenzverwalters bereits nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens erfolgt ist.