JudikaturJustiz8ObS120/97y

8ObS120/97y – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Brigitte Augustin und Alfred Klair als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef B*****, Betonhilfsarbeiter, ***** vertreten durch Dr.Günther Nagele, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen für Oberösterreich, Außenstelle Ried im Innkreis, Ried i.I., Bahnhofstraße 43, vertreten durch die Finanzprokuratur Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld S 93,--; (Revisionsinteresse der klagenden Partei S 81,--; Revisionsinteresse der beklagten Partei S 12,--), infolge Revision beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.Februar 1997, GZ 12 Rs 281/96x-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 17.September 1996, GZ 14 Cgs 147/96v-5, geändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Berufungsurteil dahin abgeändert, daß das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Der Revision des Klägers hingegen wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat seine Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war (und ist weiterhin) Arbeitnehmer eines Arbeitgebers, über dessen Vermögen am 1.4.1996 das Ausgleichsverfahren (17 Sa 11/96s des Landesgerichtes Ried im Innkreis) eröffnet wurde. Mit Antrag vom 6.5.1996 machte der Kläger Insolvenzausfallgeld von S 1.212,-- netto geltend und zwar Lohn vom 28.3. bis 31.3.1996 von S 1.057,-- und anteilige Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuß für diesen Zeitraum von S 81,-- bzw S 74,--. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 3.7.1996 wurde aus diesem Titel Insolvenzausfallgeld von S 1.119,-- zuerkannt; mit weiterem Bescheid vom selben Tag ein Mehrbegehren von S 93,-- abgelehnt. Diesen Betrag begehrte der Kläger mit dem Vorbringen, bei Errechnung des ihm zustehenden Insolvenzausfallgeldes für laufendes Entgelt und anteiligen Sonderzahlungen sei der Betrag zu Unrecht um den sogenannten Belastungsprozentsatz vermindert worden. Richtigerweise hätte das Bundessozialamt bei Berechnung der Ansprüche die Abzüge, die bei der Berechnung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber angefallen wären, berücksichtigen müssen. Dabei hätte es für die Position Lohn einen um S 81,-- erhöhten Betrag zuerkennen müssen und für die Position anteilige Sonderzahlungen einen zusätzlichen Betrag von S 12,--, zusammen also S 93,--.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte aus, daß auch in einem Ausgleichsverfahren der Belastungsprozentsatz gemäß § 67 Abs 8 EStG anzuwenden sei.

Das Erstgericht wies aufgrund des eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhaltes das Klagebegehren ab und führte aus, der Belastungsprozentsatz sei auch für Nachzahlungen im Ausgleichsverfahren anzuwenden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Urteil dahin ab, daß es dem Kläger einen zusätzlichen Betrag von S 12,-- und Kosten zusprach. Richtig sei zwar die Anwendung des sogenannten Belastungsprozentsatzes für den nachgezahlten laufenden Lohn, hingegen seien die Sonderzahlungsanteile nach § 67 Abs 1 und 2 EStG zu versteuern (dh diese verblieben unter Berücksichtigung des noch nicht ausgeschöpften Steuerfreibetrages von S 8.500,-- steuerfrei). Die Revision sei mangels einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Frage zulässig.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Streitteile jeweils aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, die des Klägers gegen die Abweisung des Teilbetrages von S 81,-- mit dem Antrag, seinem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; die der beklagten Partei gegen die Stattgebung von S 12,-- mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben. Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind aus den vom Berufungsgericht genannten Erwägungen zulässig, die Revision der beklagten Partei ist berechtigt, nicht aber die des Klägers.

Gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG sind mit dem Steuersatz, der tarifmäßig dem Arbeitslohn des letzten vollen Kalenderjahres entspricht (sogenannter "Belastungsprozentsatz" im Gegensatz zum Steuersatz nach dem Tarif gemäß § 33 Abs 1 EStG) zu versteuern,

Soweit die Nachzahlungen oder nachträglichen Zahlungen laufenden Arbeitslohn für das laufende Kalenderjahr betreffen, ist die Lohnsteuer durch Aufrollen der in Betracht kommenden Lohnzahlungszeiträume zu berechnen. Die Ermittlung der Lohnsteuer durch Aufrollen unterbleibt bei Nachzahlungen und nachträglichen Zahlungen in einem Konkursverfahren.

Obwohl im Hinblick auf das Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG im öffentlichen Recht im Vergleich zum Privatrecht Analogie erheblich zurückhaltender angewendet wird (vgl SSV-NF 4/131 mwH; VwSlg 12491 (A); Werndl, Zur Analogie im Steuerrecht, ÖJZ 1997, 298 ff), ist die strukturelle Verwandtschaft zwischen dem in § 67 Abs 8 lit a zweiter Unterabsatz EStG ausdrücklich angeführten Konkursverfahren und einem Ausgleichsverfahren (vgl die Annahmeerfordernisse für den Zwangsausgleich gemäß § 147 KO bzw für einen gerichtlichen Ausgleich § 42 AO) so beschaffen, daß im Ausgleich und Zwangsausgleich lediglich das Zustimmungserfordernis der betroffenen Gläubiger gegenüber einem Vergleich gemäß § 1380 ABGB - im Hinblick auf das Mehrparteienverfahren - vermindert ist, sodaß unter diesem Gesichtspunkt Nachzahlungen in einem gerichtlichen Ausgleichsverfahren unter den im dritten Unterabsatz dieser Gesetzesstelle fallenden Begriff "Vergleichssummen" zu subsumieren sind. Diese Auslegungshypothese wir überdies dadurch bestätigt, daß das Gesetz "gerichtliche oder außergerichtliche Vergleiche" gleichstellt und es somit keinem begründeten Zweifel unterliegen kann, daß die Wirkungen des Ausgleiches (§ 53 AO) der Bereinigungswirkung des Vergleiches (dazu Ertl in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 1308) gleichzuhalten sind. Die Befürchtungen, es könnte durch Nachzahlungen zu einem Verstoß gegen das Zuflußprinzip (§ 19 Abs 1 EStG) kommen (vgl die Erwähnung der willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes im zweiten Unterabsatz), sind daher bei Nachzahlungen in einem gerichtlichen Ausgleichsverfahren unbegründet. Daher ist für Nachzahlungen auch im Falle eines gerichtlichen Ausgleiches der sogenannte Belastungsprozentsatz anzuwenden (vgl auch Farny/Zsifkovits, Die lohnsteuerrechtliche Behandlung von Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit im Insolvenzverfahren, ZIK 1996, 159 ff [163]). Ein Aufrollen der Sonderzahlungen bei Nachzahlungen und nachträglichen Zahlungen hat in den Fällen des zweiten Unterabsatzes (Konkursverfahren) und des dritten Unterabsatzes (Vergleichssummen) zu unterbleiben. Die Begünstigung der Sonderzahlungen tritt ohnedies dadurch ein, daß diese Begünstigung in den "Belastungsprozentsatz" des letzten Kalenderjahres einfließt; hingegen würde es bei den laufenden Sonderzahlungen desselben Kalenderjahres andernfalls durch die Anwendung des Steuerfreibetrages von S 8.500,-- sowie der Begünstigung im Rahmen des Jahressechstels zu einer ungerechtfertigten steuerlichen Begünstigung kommen (mit anderen Worten: auch bei einer nicht durch das Ausgleichsverfahren veränderten Zahlungsweise der Sonderzahlungen wäre für den Kläger insoweit keine Steuerbefreiung der anteiligen Sonderzahlungen eingetreten).

Somit ist für Nachzahlungen nach IESG der sogenannte Belastungsprozentsatz anzuwenden (so schon E 9 ObS 20/91 = WBl 1992, 125), wobei eine unterschiedliche Behandlung von anteiligen Sonderzahlungen und laufendem Entgelt zu unterbleiben hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; besondere Billigkeitsgründe sind nicht gegeben, zumal sich der Kläger lediglich gegen eine Abweisung von 7,61 % seiner zu 92,39 % anerkannten Forderung gewandt hat. Sonstige Billigkeitsgründe wurden weder bescheinigt, noch können solche dem Akt entnommen werden.