JudikaturJustiz8ObS11/05h

8ObS11/05h – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Robert Maggale als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der Kläger 1. Gerhard E*****, 2. Karl Z*****, vertreten durch Lansky Ganzger Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei IAF Service GmbH, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenz Ausfallgeld (jeweils 78 EUR sA), über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 17. Februar 2005, GZ 10 Rs 180/04w 13, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichtes Wien vom 27. April 2004, GZ 4 Cgs 32/04f 7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Kläger waren bei einer GmbH in Wien beschäftigt. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 19. 6. 2002 wurde die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Dienstgeberin der Kläger mangels Kostendeckung abgelehnt.

Im Rahmen ihres Antrages auf Insolvenz Ausfallgeld stellten die Kläger ua auch das Begehren auf Zuspruch von jeweils 78 EUR für die Durchführung der Nettoberechnung gemäß der besonderen Besteuerung von Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gemäß § 67 Abs 8 lit g IESG durch einen Steuerberater. Diese Teile der Anträge der Kläger wurden abgewiesen.

Mit den vorliegenden Klagen begehren die Kläger jeweils 78 EUR für die Durchführung der Nettoberechnung. Die Ablehnung der Beklagten sei zu Unrecht erfolgt. Die Kläger hätten mangels einer Lohnabrechnung die ihnen zustehenden Nettobeträge nicht berechnen können. Die geltend gemachten Kosten seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Jedenfalls sei der Zuspruch aber auch aus dem Titel des Schadenersatzes gerechtfertigt. Es stelle eine Obliegenheit des Arbeitgebers dar, den Klägern entsprechende Nettoabrechnungen auszuhändigen.

Die Beklagte wendet ein, dass die Kläger ihre offenen Ansprüche gegenüber dem insolventen Dienstgeber mit den jeweiligen Bruttobeträgen klageweise geltend gemacht hätten. Die Klagen hätten nicht zugestellt werden können. Den Klägern seien bereits Nettoabrechnungen des Dienstgebers für die Monate ihrer Dienstverhältnisse unter Berücksichtigung der laufenden Lohnsteuer vorgelegen. Diese Abrechnungen seien von ihnen selbst im Verwaltungsverfahren vorgelegt werden. Die nunmehr geltend gemachten Kosten der Nettolohnberechnung seien für die Antragstellung auf Insolvenz Ausfallgeld angefallen. Diese Kosten stellten Kosten des Verwaltungsverfahrens dar, die gemäß § 74 Abs 1 AVG jeder Beteiligte selbst zu bestreiten habe.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Bei den geltend gemachten Umrechnungskosten handle es sich um Auslagen, die als Voraussetzung für eine Antragstellung gemäß IESG erforderlich seien.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung der Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof bisher mit der hier zu lösenden Frage noch nicht auseinandergesetzt habe.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei den von den Klägern geltend gemachten Kosten von jeweils 78 EUR nicht um Kosten im Sinne des § 1 Abs 2 Z 4 IESG handle, sondern um Kosten, die im Verwaltungsverfahren entstanden seien. Diese Kosten habe jede Partei gemäß § 74 Abs 1 AVG selbst zu tragen. Der Entscheidung 9 ObS 19/91 sei ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Dort habe nämlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Kollektivvertrag bestanden, eine Nettolohnabrechnung auszuhändigen. Der Zuspruch sei daher aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Verletzung einer Vertragsverpflichtung des Arbeitgebers erfolgt. Da jedoch im hier zu beurteilenden Fall keine Nettolohnvereinbarung bestanden habe, könne der Anspruch auf Insolvenz Auusfallgeld im Umfang der geltend gemachten Umrechnungskosten auch nicht auf § 1 Abs 2 Z 2 IESG gestützt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Klägern erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig ; die Revision ist jedoch nicht berechtigt .

Es entspricht der ständigen von den Klägern auch gar nicht in Frage gestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass Kosten, die dem Arbeitnehmer bei Stellung seines Antrages auf Insolvenz Ausfallgeld im Verwaltungsverfahren entstehen, nach IESG nicht ersatzfähig sind, weil im Verwaltungsverfahren jeder Beteiligte nach der Grundregel des § 74 Abs 1 AVG die in diesem Verfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat. Ein Ersatz der notwendigen Kosten käme nur dann in Betracht, wenn eine von der allgemeinen Regel abweichende Anordnung vom Gesetzgeber getroffen werde. Das ist beim IESG nicht der Fall (9 ObS 17/90; 8 ObS 77/01h; 8 ObS 310/01y). Auch der VwGH (ZfVB 1988/1954) hat ausdrücklich ausgesprochen, dass jene Kosten, die dem Beschwerdeführer aus der Umrechnung der von ihm im Verfahren nach dem IESG geltend gemachten Bruttobeträge in Nettobeträge erwachsen sind, nicht in Verfolgung von Ansprüchen gegen den ehemaligen Arbeitgeber entstanden. Es handelt sich dabei um von ihm selbst als Partei im Verwaltungsverfahren zu bestreitende Kosten im Sinne des § 74 Abs 1 AVG.

Das Berufungsgericht ist aber auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger ihren Anspruch nicht auf § 1 Abs 2 Z 2 IESG stützen können: Die Entscheidung 9 ObS 19/91, auf welche sich die Kläger berufen, ist deshalb nicht einschlägig , weil bei dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aushändigung einer Nettolohnabrechnung bestand. Abgesehen davon, dass hier unstrittig ist, dass den Klägern ohnedies eine Nettolohnabrechnung von ihrem ehemaligen Arbeitgeber ausgehändigt wurde (die hier geltend gemachten Kosten erwuchsen aus der Sonderbesteuerungsregel des § 67 Abs 8 lit g EStG vgl dazu 8 ObS 4/03a), wurde im hier zu beurteilenden Fall weder eine Nettolohnvereinbarung getroffen noch besteht eine kollektivvertragliche Pflicht des Arbeitgebers zur Aushändigung einer Nettolohnabrechnung. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Berechnung der nachzuzahlenden Beträge im Sinne des § 67 Abs 8 lit g EStG resultierte vielmehr ausschließlich aus der Notwendigkeit, Ansprüche gegen die Beklagte (und somit nicht gegen den ehemaligen Arbeitgeber) im Verwaltungsverfahren mit dem Nettobetrag geltend zu machen. Es handelt sich daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, um im Verwaltungsverfahren entstandene Kosten, die gemäß § 74 Abs 1 AVG die Kläger selbst zu tragen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG: Besondere Billigkeitsgründe, die einen Kostenersatzzuspruch trotz Unterliegens der Kläger rechtfertigen könnten, wurden weder bescheinigt noch sind sie der Aktenlage zu entnehmen.