JudikaturJustiz8ObS10/10v

8ObS10/10v – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofräte Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helwig Aubauer und Peter Schleinbach als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G***** H*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, Geschäftsstelle Graz, 8020 Graz, Europaplatz 12, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, wegen 24.577,54 EUR sA (Insolvenz Entgelt), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 7. Juli 2010, GZ 8 Rs 40/10d 12, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom 16. März 2010, GZ 38 Cgs 18/10w 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.400,04 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 233,34 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit einer am 5. 8. 2004 eingebrachten Klage hatte die Klägerin von ihrem vormaligen Arbeitgeber, einem Verein, die Zahlung von Entgelt- und Beendigungsansprüchen aus ihrem Arbeitsverhältnis begehrt, welches am 14. 7. 2004 durch ungerechtfertigte Entlassung geendet habe. Im Zuge des arbeitsgerichtlichen Verfahrens geriet der Verein in Vermögenslosigkeit und löste sich freiwillig auf. Infolge dessen wurde die Klage vom zuständigen Gericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 2. 7. 2008 zurückgewiesen und das Verfahren ab dem 6. 3. 2007 infolge mangelnder Parteifähigkeit des Beklagten als nichtig aufgehoben. Die Prozesskosten wurden gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufgehoben.

Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Arbeitgeberin der Klägerin wurde gemäß § 68 KO zurückgewiesen.

Die Beklagte sprach der Klägerin mit Teilbescheid vom 12. 10. 2009 Insolvenz Entgelt in Höhe von 44.735 EUR zu. Die Zahlung von Verfahrenskosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens lehnte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid ab.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Insolvenz Entgelt für die im arbeitsgerichtlichen Verfahren entstandenen Verfahrenskosten.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass sie an die im arbeitsgerichtlichen Verfahren ergangene Kostenentscheidung gemäß § 7 Abs 1 IESG gebunden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. § 1 Abs 2 IESG zähle die gesicherten Prozesskosten in seinen lit a) bis g) nur demonstrativ auf, sodass auch die hier geltend gemachten Kosten, die unbestritten zur Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, jedenfalls gesichert seien. Eine gemäß § 7 Abs 1 IESG bindende Entscheidung über die im Vorverfahren geltend gemachten Ansprüche sei nicht erfolgt. An die auf § 51 Abs 2 ZPO beruhende Kostenentscheidung sei die Beklagte nicht gebunden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil nicht Folge. Nach § 1 Abs 2 Z 4 IESG gehörten zu den gesicherten Ansprüchen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Die folgende Aufzählung von gesicherten Kosten sei lediglich demonstrativ. Dass die Prozessführung der Klägerin ex ante betrachtet der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient habe, sei unstrittig. Dass die Geschäftsstelle bei der Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Anspruchs gemäß § 7 Abs 1 erster Satz IESG an die hierüber ergangenen gerichtlichen Entscheidungen gebunden sei, treffe zu. Dies gelte grundsätzlich auch für abweisende gerichtliche Entscheidungen, allerdings nur, sofern sich aus diesen das Nichtvorliegen eines gesicherten Anspruchs ergebe. Mit dem Zurückweisungs und Nichtigerklärungsbeschluss vom 2. 7. 2008 sei aber nicht über den Bestand oder Nichtbestand von Ansprüchen der Klägerin entschieden worden; ebenso wenig sei mit der Entscheidung über die Prozesskosten oder über die Notwendigkeit der aufgewendeten Kosten abgesprochen worden. Die Beklagte sei daher an die Kostenentscheidung des Vorprozesses nicht gebunden. Ihr Standpunkt, die Klägerin hätte diese Entscheidung bekämpfen müssen, sei verfehlt. Zum einen entspreche sie der Sach und Rechtslage; zum anderen könne der Klägerin nicht zugemutet werden, weitere kostenverursachende Schritte zu setzen, obwohl bereits feststehe, dass bei ihrem Dienstgeber wegen Vermögenslosigkeit nichts mehr zu holen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten, die von der Klägerin beantwortet wurde, ist nicht berechtigt.

Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts sind zutreffend. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin wie folgt entgegen zu treten.

Ohne auf die dazu vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen einzugehen beharrt die Revisionswerberin auf ihrem Standpunkt, dass sie an die Kostenentscheidung des Vorprozesses gebunden sei, weil dort bereits über die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit der Kosten entschieden worden sei.

Dieser Einwand ist aber verfehlt. Das Prozessgericht des Vorprozesses ist mit seinem das Verfahren beendenden Beschluss der Entscheidung des verstärkten Senats 8 ObA 2344/96f (= SZ 71/175) gefolgt und hat daher wegen des nachträglichen Verlusts der Prozessfähigkeit des beklagten Arbeitgebers die Klage ohne Prüfung des geltend gemachten Anspruchs zurückgewiesen, das von der Nichtigkeit betroffene Verfahren aufgehoben und die Kosten gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegeneinander aufgehoben. Die Kostenentscheidung war daher eine notwendige Folge der Entscheidung über die Zurückweisung der Klage. Sie enthält aber keinerlei Ausführungen darüber, ob die von der Klägerin im Verfahren gegen den zunächst ja noch existierenden Dienstgeber aufgewendeten Kosten aus damaliger Sicht zur Rechtsverfolgung notwendig waren. Für eine Bindung dieser Entscheidung für die Frage, ob die betroffenen Kosten zur Rechtsverfolgung notwendig waren, besteht daher keine Grundlage. Mit der Rechtslage im Falle eines Vergleichs hat die hier zu beurteilende Konstellation nichts zu tun.

Dass die von der Klägerin im Vorprozess aufgewendeten Kosten aus der damaligen Sicht zur Rechtsverfolgung notwendig waren, wird von der Beklagten auch in der Revision nicht bestritten.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.