JudikaturJustiz8ObS1/07s

8ObS1/07s – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Thomas Neumann und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter K*****, vertreten durch Dr. Brigitte Weiser, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei IAF Service GmbH, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 7.448,91 EUR netto an Insolvenz Ausfallgeld, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 6.261,23 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 9. November 2006, GZ 7 Rs 116/06t 16, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom 4. April 2006, GZ 37 Cgs 257/05b 10, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung eines Mehrbegehrens von 1.187,68 EUR als unbekämpft unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 7.448,91 EUR zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Kläger hat seine Verfahrenskosten selbst zu tragen."

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 7. 2004 bis 30. 5. 2005 bei der K***** GmbH als „gewerberechtlicher Geschäftsführer" beschäftig. Über das Vermögen der GmbH wurde mit Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz am 21. 6. 2005 das Konkursverfahren eröffnet.

Ein schriftlicher Dienstvertrag wurde nicht errichtet. Es wurde ein Beschäftigungsausmaß von 20 Stunden pro Woche vereinbart. Der Kläger arbeitete ein oder zwei Tage pro Woche, wobei er in der Nähe des Firmensitzes auch übernachtete. Er reiste mit dem PKW oder mit dem Zug an. Kam er mit dem Zug, wurde er vom Geschäftsführer vom Zug abgeholt. Der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin besuchte dann gemeinsam mit dem Kläger Baustellen. Der Kläger kontrollierte auf den Baustellen die Sicherheitseinrichtungen, zeichnete auf Plänen ein, wie die Armierungen verlegt werden sollten und gab den Arbeitern diesbezüglich Anweisungen. Er kontrollierte auch auf der Baustelle, bevor betoniert wurde. Der Kläger bearbeitete die vom Geschäftsführer ausgearbeiteten Ausschreibungen und machte Kostenvoranschläge und Änderungsvorschläge bezüglich Plänen, die ihm vom Geschäftsführer vorgelegt wurden. Er verfasste auch Baubeschreibungen.

Die Gehaltszahlung war mit Ende des Monats im Nachhinein vereinbart.

Am 30. 5. 2005 beendete der Kläger das Vertragsverhältnis durch vorzeitigen Austritt aufgrund der ausständigen Zahlungen.

Der Kläger ist seit 1. 7. 2004 bei einer anderen GmbH ebenfalls als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig.

Nach rechtskräftiger Abweisung eines Teilbegehrens (Gehaltszahlung November 2004) bereits durch das Erstgericht ist Gegenstand des Revisionsverfahrens das Begehren des Klägers auf Zahlung von 6.261,23 EUR netto an Insolvenz Ausfallgeld (offene Gehälter Dezember 2004 bis Mai 2005). Der Kläger bringt dazu vor, er sei bei der späteren Gemeinschuldnerin zu einem Bruttolohn von 1.359 EUR für 20 Wochenstunden beschäftigt gewesen. Seine Aufgabe habe darin bestanden, laufende Baustellen zu überwachen, Planentwürfe zu verfassen und Besprechungen mit Kunden durchzuführen. Er sei dem handelsrechtlichen Geschäftsführer auch hinsichtlich seiner Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer berichtspflichtig gewesen. Er habe für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften Sorge tragen müssen. Allerdings sei die Arbeitszeit durch die Firmenleitung vorgegeben gewesen und er sei weisungsgebunden gewesen. Er sei daher als Arbeitnehmer anzusehen, weshalb ihm Insolvenz Ausfallgeld gebühre.

Die Beklagte wendet ein, dass sich die Tätigkeit des Klägers ausschließlich auf die gewerberechtliche Geschäftsführung beschränkt habe. Der von ihm beschriebene Aufgabenbereich umfasse typischerweise die mit der gewerberechtlichen Geschäftsführung verbundenen Tätigkeiten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 6.261,23 EUR netto statt. Es erachtete rechtlich, dass der Kläger der späteren Gemeinschuldnerin nicht nur seine Gewerbeberechtigung zur Verfügung gestellt habe, sondern darüber hinaus Leistungen erbracht habe, die die Beurteilung rechtfertigten, dass es sich bei dem Kläger um einen Arbeitnehmer handle. Der Anspruch des Klägers sei daher gesichert.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung in der Hauptsache nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Der Kläger habe nicht nur Kontrolltätigkeiten ausgeführt, sondern auch Kostenvoranschläge erstellt und kaufmännische Arbeiten verrichtet. Dass der Kläger keine fixen Dienstzeiten einzuhalten gehabt habe, schade nicht. Die Position des Klägers habe gerade eine Flexibilität und freie Arbeitszeiteinteilung erfordert. Der Kläger habe nicht nur Kontrolltätigkeiten durchgeführt.

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft des weisungsungebunden und zeitungebunden tätigen „gewerberechtlichen Geschäftsführers" abwich. Die Revision ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung entspricht die festgestellte Tätigkeit des Klägers als „gewerberechtlicher Geschäftsführer" der späteren Gemeinschuldnerin grundsätzlich jenen Tätigkeiten, die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dahin qualifiziert wurden, dass ein abhängiger Arbeitsvertrag nicht vorliege: Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ist weder ableitbar, dass der Kläger an Weisungen noch an Arbeitszeiten gebunden war. Die festgestellten Tätigkeiten des Klägers erstrecken sich im Wesentlichen auf die Überwachung der Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften. So kontrollierte der Kläger auf den Baustellen Sicherheitseinrichtungen, zeichnete ein, wie Armierungen verlegt werden sollten und gab den Arbeitern entsprechende Anweisungen. Die darüber hinaus festgestellten Tätigkeiten des Klägers (Ausschreibungsbearbeitung, Erstellung von Kostenvoranschlägen und Änderungsvorschläge bezüglich Plänen) können an der Beurteilung nichts ändern, dass der Kläger nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes für die spätere Gemeinschuldnerin tätig war. Der Arbeitsvertrag ist vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers gekennzeichnet, welche sich in organisatorischer Gebundenheit insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle nicht notwendig auch an Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit äußert (RIS Justiz RS0021306). Für den Arbeitsvertrag wesentlich ist daher eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, welcher hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenem Verhalten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist, oder, wenn dieses Verhalten schon im Arbeitsvertrag vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist, zumindest dessen laufender Kontrolle unterliegt. Dabei müssen die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit nicht alle gemeinsam vorliegen, sondern können durchaus in unterschiedlicher Ausprägung gegeben sein, wenn sie nur insgesamt überwiegen (zB 8 ObA 163/01f uva). Entscheidend ist, ob Merkmale der persönlichen Abhängigkeit nach der tatsächlichen Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen überwiegen.

Das ist hier zu verneinen: Eine organisatorische Einbindung des Klägers in den Betrieb der Gemeinschuldnerin wurde weder festgestellt noch vom Kläger in erster Instanz behauptet. Es fehlt auch ein Vorbringen des Klägers, dass er mit Betriebsmitteln der Gemeinschuldnerin zu arbeiten hatte. Die in erster Instanz aufgestellte Behauptung des Klägers, er habe sich an Weisungen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin halten müssen und sei in seiner Zeiteinteilung nicht frei gewesen, ist durch die Feststellungen ebenfalls nicht belegt. Es ist somit insgesamt davon auszugehen, dass es dem behauptungs und beweispflichtigen Kläger (8 ObS 206/01d) nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Vielmehr stand die Zurverfügungstellung der Gewerbeberechtigung im Vordergrund, nicht aber ein zeit und weisungsgebundenes Verhalten des Klägers für die spätere Gemeinschuldnerin (vgl zur Feststellung des eigenverantwortlich und ungebunden tätigen „gewerberechtlichen Geschäftsführers" 8 ObS 50/01p; 8 ObS 206/01d; 8 ObS 8/05t). Die Auffassung der Vorinstanzen, das festgestellte Aufgabengebiet des Klägers unterscheide sich von den zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, in welchen jeweils die Arbeitnehmereigenschaft des gewerberechtlichen Geschäftsführers verneint wurde, ist nicht zu teilen.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger nicht unter den Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechtes fällt und ihm daher Insolvenz Ausfallgeld nicht gebührt (RIS Justiz RS0076462).

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 77 ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht hervorgekommen.