JudikaturJustiz8ObA69/99a

8ObA69/99a – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Edith Söllner und Norbert Nischkauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Hopmeier, Sauerzopf Partner Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K***** HandelsGmbH, ***** vertreten durch Dr. Walter Panzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 36.983,42 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. November 1998, GZ 7 Ra 307/98p-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. März 1998, GZ 17 Cga 193/97v-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden - mit Ausnahme der Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Kosten des Verfahrens erster Instanz (Punkt 2.) - aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte als betreibende Gläubigerin des Klagsbetrag von der beklagten Partei als Drittschuldnerin des bei ihr als Geschäftsführer beschäftigten Verpflichteten Ronald K*****. Die beklagte Partei habe weder eine Drittschuldnererklärung abgegeben, noch pfändbare Beträge überwiesen. Jedenfalls schulde die beklagte Partei ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit des Verpflichteten.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Drittschuldnererklärung sei abgegeben worden. Das Entgelt des Verpflichteten übersteige nicht den pfändbaren Betrag; überdies sei der Verpflichtete für zwei Kinder sorgepflichtig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1. 7. 1996, AZ 71 E 4001/96f, wurde der klagenden Partei gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 26.090,-- an Kapital und S 30.069,45 an Kosten samt 4 % Zinsen seit 31. 8. 1993 aufgrund des vollstreckbaren Urteils des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 31. 8. 1993, AZ 8 C 1332/93b, sowie zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsantrages die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung bis zur Höhe dieser Forderung des dem Verpflichteten als Anspruchsberechtigten gegen den Drittschuldner, hier die beklagte Partei, angeblich zustehenden Arbeitseinkommens oder der angeblich zustehenden sonstigen Bezüge gemäß § 290a EO ohne Rücksicht auf ihre Benennung und Berechnungsart bewilligt.

Der klagenden Partei als Drittschuldnerin wurde am 4. 7. 1996 obiger Beschluß sowie der Auftrag zur Abgabe der Drittschuldnererklärung zugestellt. Die beklagte Partei hat jedoch weder an das Gericht noch an die klagende Partei als betreibenden Gläubiger eine Drittschuldnererklärung übermittelt.

Der Verpflichtete ist etwa seit Herbst 1991 Geschäftsführer der beklagten Partei, deren Alleingesellschafter sein Vater ist. Bei der beklagten Partei handelt es sich um ein Musikhaus. Im Jahr 1996 bezog der Verpflichtete etwas über S 8.000,-- netto monatlich, seit 1998 nur noch ca S 5.500,-- netto monatlich. Er nimmt lediglich die rechtlichen Belange der beklagten Partei wahr und führt gelegentliche Telefonate. Er ist nur einige wenige Stunden tätig, zur Zeit rund 4 Wochenstunden. Neben seinen Einkünften als Geschäftsführer der beklagten Partei hat er kein weiteres Einkommen. Er bewohnt mietfrei die Wohnung seiner geschiedenen Frau und ißt bei seinem Vater. Der Verpflichtete ist sorgepflichtig für zwei Kinder (18 und 19 Jahre alt) mit einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung von insgesamt S 4.000,--. Es besteht überdies zumindest eine Vorpfändung.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, § 292e EO sei nicht anwendbar. Zufolge des geringen Einkommens seien beim Beklagten keine pfändbaren Beträge gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei in der Hauptsache nicht Folge, wohl aber im Kostenpunkt. Die klagende Partei rügte das Fehlen der Feststellung, daß der Verpflichtete beim Drittschuldner als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig sei, wobei das Unternehmen einen Jahresumsatz von 10 bis 12 Mio S tätige und fünf Mitarbeiter beschäftige. § 292e EO sei daher anwendbar und es sei von einem fingierten Einkommen des Verpflichteten von zumindest S 21.000,-- netto monatlich auszugehen.

Das Berufungsgericht erachtete diesen Feststellungsmangel als unerheblich. In der Entscheidung vom 17. 1. 1996, 9 ObA 1/96 habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, daß es beim fingierten mittelbaren Einkommen im Sinne des § 10 Abs 2 Lohnpfändungsgesetz (nunmehr § 292e EO) nicht allein auf die Tätigkeit des Verpflichteten als Geschäftsführer der beklagten Partei ankomme, sondern auch auf den Wert der Kontrolltätigkeit und die Übernahme der Verantwortung für einen Betrieb in der Größenordnung der beklagten Partei, in dem vier Personen teilzeitbeschäftigt gewesen seien. Dieser Entscheidung könne jedoch nicht eindeutig entnommen werden, ob der Oberste Gerichtshof auf die tatsächliche Kontrolltätigkeit und die tatsächliche Übernahme der Verantwortung abgestellt habe oder ganz allgemein davon ausgehe, daß jeder Geschäftsführer eine Kontrolltätigkeit ausübe und eine Verantwortung trage und hiefür ein angemessenes Entgelt festzusetzen sei. Gemäß § 292e EO sei auch bei der Pfändung eines "fingierten Entgelts" nur auf tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen Bedacht zu nehmen und nicht auf solche, zu denen der Verpflichtete allenfalls in der Lage bzw nach dem Gesetz verpflichtet wäre. Es gehe nämlich dabei um den Eingriff in die Vermögensrechte des Drittschuldners, der nur insoweit gerechtfertigt werden könne, als er vom Verpflichteten auch tatsächlich Arbeitsleistungen erhalte. Wegen des geringen Beschäftigungsausmaßes des Verpflichteten bestehe hier kein Mißverhältnis. Mit dem vom Verpflichteten bezogenen Entgelts sei nach Ansicht des Berufungsgerichtes die beim gewerberechtlichen und handelsrechtlichen Geschäftsführer bestehende Haftung und Verantwortung abgedeckt, ebenso wie bei einem vollzeitbeschäftigten Geschäftsführer, der ein entsprechendes Entgelt verdiene. Auch bei diesem werde nicht für die Verantwortung und die Haftung ein bestimmter Betrag angesetzt. Das Einkommen des Verpflichteten wäre nur dann höher anzusetzen, wenn sein Entgelt für seine Arbeitsleistung im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Geschäftsführern unangemessen gering wäre. Dies könne aber keinesfalls behauptet werden, wenn man von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von S 20.000,-- bis S 30.000,-- pro Monat für einen ganztagsbeschäftigten Geschäftsführer ausgehe. Es sei von der klagenden Partei nicht behauptet worden, daß der Verpflichtete mehr als vier Stunden wöchentlich arbeite oder darüber hinaus noch sonstige Tätigkeiten für die beklagte Partei verrichte. Auch das Beweisverfahren habe diesbezüglich nichts ergeben.

Die ordentliche Revision sei zulässig; es liege eine Frage von erheblicher Bedeutung vor, da sich aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 9 ObA 1/96 nicht eindeutig ergebe, wie die Verantwortung und Haftung von Geschäftsführern bei der Anwendung des § 292e EO zu berücksichtigen sei.

Die Berufung im Kostenpunkt sei aber berechtigt, weil die beklagte Partei nur eine unvollständige Drittschuldnererklärung abgegeben habe. Daher seien ihr die gesamten Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens zuzusprechen.

Gegen dieses Berufungsurteil - mit Ausnahme der Entscheidung im Kostenpunkte - richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei der Anwendung des § 292e EO in der Bemessung des angemessenen Entgelts von der Entscheidung 9 ObA 1/96 insoweit abgewichen sind, als nur auf den Umstand der Teilzeitbeschäftigung des Verpflichteten Bedacht genommen wurde, nicht aber auf seine Funktion als Geschäftsführer der beklagten Partei.

Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Revisionswerberin ist zuzugeben, daß die Kontrolle und Verantwortung des Verpflichteten als Geschäftsführer der beklagten Partei nur unzureichend neben dem geringen Beschäftigungsausmaß berücksichtigt wurden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ist nämlich der Entscheidung 9 ObA 1/96 zu entnehmen, daß nicht allein das Ausmaß der vom Geschäftsführer verrichteten Tätigkeit, sondern daneben auch noch der Wert der Kontrolltätigkeit und der Übernahme der Verantwortung für den Betrieb unter Berücksichtigung des Umfanges dieses Betriebes (Größenordnung) maßgeblich ist. Das Erstgericht hat diese gerade bei nicht vollzeitbeschäftigten Geschäftsführern wesentliche Komponente überhaupt nicht berücksichtigt. Auch das Berufungsgericht verkennt die Rechtslage, wenn es davon ausgeht, daß auch beim vollzeitbeschäftigten Geschäftsführer kein bestimmter Betrag (gesondert?) für die Verantwortung und die Haftung angesetzt werde. Tatsächlich wird die Betrauung eines Angestellten mit der Geschäftsführung auch dann, wenn sich an seinem Tätigkeitsbereich dadurch nichts Wesentliches ändert, üblicherweise mit einer seine erhöhte Verantwortung und Bedeutung für das Unternehmen berücksichtigenden Anhebung seines bisherigen Entgelts verbunden. Dies kann als geradezu notorisch angesehen werden, insbesondere wenn auch noch die mit der Funktion des Geschäftsführers verbundenen Nachteile, etwa sein Ausscheiden aus dem Schutzbereich des IESG, bedacht werden.

Im fortzusetzenden Verfahren wird daher der schon in der Berufung gerügte Feststellungsmangel zu beheben sein, indem nämlich nicht nur das (geringe) zeitliche Ausmaß der Beschäftigung des Verpflichteten zu berücksichtigen sein wird, sondern zusätzlich das aus den Gründen der Kontrolle und Haftung eher zu veranschlagende angemessene Entgelt des Verpflichteten. Neben dem Beschäftigungsausmaß werden dabei mit den Prozeßparteien die wesentlichen Unternehmensdaten (Umsatz, Cash-flow usw) gemäß § 182 Abs 1 ZPO zu erörtern und diesbezüglich angebotene Beweise aufzunehmen sein. Im Falle der Entscheidung 9 ObA 1/96 war das Beschäftigungsausmaß der Geschäftsführerin zwar ebenfalls äußerst gering (nur zwei bis drei Arbeitsstunden monatlich), jedoch der Umsatz des Unternehmens von ca S 800.000,-- jährlich, wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen des gemäß § 48 ASGG bestätigten Berufungsurteiles ergibt, um ein Vielfaches geringer als der von der klagenden Partei behauptete Umsatz der beklagten Partei.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO. Die Entscheidung über die Berufung im Kostenpunkt - nur auf diese nicht akzessorische Kostenentscheidung ist die Einschränkung der Anfechtungserklärung in der Revision zu beziehen - bleibt von der Aufhebung der Sachentscheidung unberührt, was im Spruch zur Verdeutlichung klarzustellen war.