JudikaturJustiz8ObA236/00i

8ObA236/00i – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Felix Joklik und o. Univ. Prof. Dr. Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei V***** GmbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Manfred H*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Zustimmung zur Entlassung, in eventu Zustimmung zur Kündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2000, GZ 9 Ra 97/00a-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Dezember 1999, GZ 28 Cga 76/99x-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.375,-- (darin S 3.562,65 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist im Betrieb der klagenden Partei als Elektriker im Schichtdienst tätig, seit Dezember 1998 ist er Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats. Der Kontakt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gestaltete sich von Beginn an schwierig und erfolgte ausschließlich schriftlich.

Der Beklagte verrichtete seine Aufgaben als Betriebsrat soweit möglich in seiner Freizeit, doch nahm er auch während der Arbeitszeit, wenn er keine konkreten Arbeiten zu verrichten hatte, Betriebsratsaufgaben wahr. Als Betriebsrat wurde der Beklagte durch die anderen Arbeitnehmer des Betriebes auch während seiner Arbeitszeit stark in Anspruch genommen und auch zu mehreren Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien, die zwischen der klagenden Partei und anderen Arbeitnehmern des Betriebes geführt wurden, beigezogen.

Dem Beklagten wurde (Anfang Mai 1999) von der Geschäftsleitung mitgeteilt, dass er sich, wenn er während der Arbeitszeit seinen Betriebsratsaufgaben nachgehen müsse, bei seinem Vorgesetzen abzumelden habe. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nach.

Durch die Betriebsratstätigkeit des Beklagten während der Arbeitszeit entstanden der klagenden Partei keine wie immer gearteten Schäden.

Unstrittig, wenn auch nicht festgestellt, ist, dass die klagende Partei den Umstand, dass der Beklagte erst am Verhandlungstag, dem 25. 6. 1999, seinem Vorgesetzten mitteilte, dass er an diesem Tag wegen einer Verhandlung zwischen der klagenden Partei und einem ihrer Dienstnehmer, zu der die klagende Partei und der Beklagte bereits zwei Monate zuvor eine Ladung erhalten hatten, nicht arbeiten werde, zum Anlass nahm, den Beklagten am 28. 6. 1999 anzuweisen, zumindestens einen Tag vorher anzukündigen, dass er nicht arbeiten werde, bei längeren Terminen auch schon früher.

Zwischen 9. 7. und 17. 9. 1999 ereigneten sich folgende Vorfälle, die dieser Anweisung vom 28. 6. 1999 nicht entsprachen:

Am 9. 7. 1999 teilte der Beklagte der klagenden Partei mit, dass er - unter anderem wegen Literaturstudium - sofort seine Arbeit beende.

Am 15. 9. 1999 teilte er am Vormittag mit, dass er seine Arbeit wegen Betriebsratstätigkeiten beende.

Am 17. 9. 1999 teilte der Beklagte frühmorgens mit, dass er an diesem Tag wegen zweier Verhandlungen bei Gericht nicht zur Arbeit erscheinen werde.

Die klagende Partei begehrte die Zustimmung zur Entlassung in eventu zur Kündigung des Beklagten, mit dem Vorbringen diversester Entlassungs- und Kündigungsgründe, die nicht erwiesen wurden und auf die diese in der Revision auch nicht mehr zu sprechen kommt. Im Revisionsverfahren wird nur noch der Vorwurf aufrecht erhalten, der Beklagte habe, entgegen der am 28. 6. 1999 erteilten Weisung, sich nicht zumindest einen Tag vorher bei seinem Vorgesetzten abgemeldet, wenn er während der Arbeitszeit einer Betriebsratstätigkeit nachging.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt die vorgebrachten Entlassungs- und Kündigungsgründe detailliert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ohne über das seitens der klagenden Partei gestellte Eventualbegehren zu entscheiden.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, dass es auch das Eventualbegehren abwies.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass ihrem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei bringt unter der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vor, die Vorinstanzen hätten es auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung trotz ihres detaillierten Vorbringens unterlassen, entscheidungswesentliche Feststellungen darüber zu treffen, dass der Beklagte in beachtlichem Ausmaß während seiner Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten verrichte, ohne sie einigermaßen zeitgerecht vorher zu verständigen; dies obwohl es keinen ersichtlichen Grund dafür gebe, es sich also nur um reine Schikane handeln könne. Hiefür führte sie die oben wiedergegebenen Vorfälle zwischen dem 9. 7. und 17. 9. 1999 an.

Es trifft zwar zu, dass es die beiden Vorinstanzen unterlassen haben, zum ergänzenden Vorbringen der klagenden Partei, der Beklagte habe sie nicht zeitgerecht über seine Betriebsratsaktivitäten verständigt, entsprechende Festststellungen zu treffen.

Dass sich diese Vorfälle ereigneten, ist unstrittig; es fehlen lediglich Feststellungen darüber, aus welchem Grund sich der Beklagte erst so spät abmeldete, sodass an sich nicht beurteilt werden kann, ob dies dem Beklagten nicht früher möglich gewesen wäre.

Zum Vorfall am 17. 9. 1999 ist zu bemerken, dass der klagenden Partei diese Verhandlungstermine - ebenso wie der vom 26. 6. 1999, der zur Weisung rechtzeitiger Verständigung führte - ohnedies bekannt sein musste, sodass dem behaupteten Verstoß gegen die Weisung zur rechtzeitigen Verständigung, sofern man sie überhaupt auch auf ohnedies bekannte Termine bezieht (der Beklagte hätte danach die klagende Partei rechtzeitig an ohnedies bekannte Termine zu erinnern gehabt), jedenfalls kein besonderes Gewicht beigemessen werden kann.

Dennoch kann eine Aufhebung und Rückverweisung zur ergänzenden Tatsachenfeststellung und neuerlichen Entscheidung auch hinsichtlich der Vorfälle vom 9. 7. und 15. 9. 1999 vermieden und die berufungsgerichtliche Entscheidung aus folgenden Gründen bestätigt werden:

Auszugehen ist davon, dass es grundsätzlich Sache des Beklagten ist, darzulegen, wieso er seiner Verpflichtung, die Inanspruchnahme von Freizeit angemessene - Dispositionen des Arbeitgebers ermöglichende - Zeit vorher bekanntzugeben, ausnahmsweise nicht nachkommen konnte. Hiezu hat der Beklagte auch Entsprechendes vorgebracht (ON 4 F 7 f); es wurden aber, wie bereits erwähnt, von den Vorinstanzen hiezu keine Feststellungen getroffen.

Selbst wenn man von der Zulässigkeit einer derartigen generellen Weisung des Arbeitgebers ausginge, müssen diese Feststellungen nicht nachgeholt werden, weil es sich bei den Verstößen gegen eine mögliche zeitgerechte Verständigung um bloße Ordnungswidrigkeiten handelte - dass betriebliche Interessen durch die erst kurz vorher erfolgten Verständigungen gefährdet worden wären, wurde von der hiefür beweispflichtigen klagenden Partei nicht behauptet - und die für das Vorliegen einer beharrlichen Pflichtverletzung iSd § 121 Z 3 ArbVG beweispflichtige klagende Partei eine Abmahnung (zum Erfordernis der Abmahnung siehe Floretta in Floretta/Strasser, HdKomm ArbVG 848 und

850) wegen Verstoßes gegen die Weisung nicht einmal behauptet hat.

Die berufungsgerichtliche Entscheidung ist daher im Ergebnis zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.