JudikaturJustiz8ObA18/23i

8ObA18/23i – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Anja Pokorny (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M* H*, vertreten durch Hawel Eypeltauer Gigleitner Huber Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei S* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen 30.300 EUR brutto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 8. Februar 2023, GZ 12 Ra 72/22b 15, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin war bei der beklagten Bank Vorstandssekretärin. Sie wurde entlassen, weil sie versucht hatte, durch Liegenlassen ihres Mobiltelefons neben ihrem Bildschirm bei aktivierter Tonaufnahmefunktion ein allfälliges Gespräch zwischen dem Mitglied des Vorstands, in dessen Sekretariat sie arbeitete, und der Leiterin des Sekretariats, ihrer Vorgesetzten, in ihrer Abwesenheit aufzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

[2] Nach ständiger Rechtsprechung begründet die heimliche Aufnahme eines Gesprächs mit dem Arbeitgeber durch einen in einer Vertrauensposition beschäftigten Angestellten Vertrauensunwürdigkeit (RIS Justiz RS0031784). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin begründete selbst das Fehlen von Rechtsprechung zur hier vorliegenden Konstellation, in dem eine Angestellte ein für sie fremdes Gespräch zwischen dem Arbeitgeber (repräsentiert hier durch das Mitglied des Vorstands) und einer anderen Person (hier: vorgesetzte Angestellte) aufzunehmen versuchte, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0102181). An der Vertretbarkeit der Beurteilung der Vorinstanzen, die Klägerin habe den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 letzter Fall AngG) gesetzt, ist bereits deshalb nicht zu zweifeln, weil das heimliche Aufzeichnen eines fremden Gesprächs im Unterschied zum solchen eines eigenen Gesprächs (dazu Fabrizy/Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 120 Rz 5) sogar gerichtlich strafbar ist (§ 120 Abs 1 StGB). Dass auch das heimliche Aufzeichnen eines fremden, zwischen Arbeitskollegen geführten Gesprächs als Entlassungsgrund in Betracht kommt, geht im Übrigen aus der Entscheidung 8 ObA 2/21h hervor.

[3] Für die Frage, ob eine Entlassung unverzüglich ausgesprochen wurde, wird als wesentlich angesehen, ob das Verhalten des Dienstgebers für den Angestellten gerechtfertigten Grund zur Annahme gegeben hat, dieser habe auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe verzichtet (RS0031799 [T27]). Auch in dieser Frage vermag die außerordentliche Revision keine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen aufzuzeigen:

[4] Nach Entdeckung des Vorgangs gestand die Klägerin, das Telefon im Aufnahmemodus hinterlassen zu haben, um zu erfahren, was das Vorstandsmitglied mit der Leiterin des Vorstandssekretariats in ihrer Abwesenheit über sie redeten. Hierauf erklärte das Vorstandsmitglied gegenüber der Klägerin, dies sei ein massiver Vertrauensbruch und er müsse sich am Wochenende Gedanken darüber machen. Selbst wenn feststünde, dass in der anschließend durchgeführten, schon länger für diesen Freitag geplanten Besprechung der Neuorganisation des Vorstandssekretariats das Vorstandsmitglied die Klägerin fragte, ob sie sich die Neuorganisation vorstellen könne, ist es aufgrund der besagten Ankündigung, sich am Wochenende Gedanken über das Geschehene zu machen, jedenfalls vertretbar, im Stellen der genannten Frage keinen Verzicht auf das Entlassungsrecht zu erblicken. Dass das Vorstandsmitglied der Klägerin später zu Mittag ein schönes Wochenende wünschte, gibt für die Annahme eines Verzichts auf die Entlassung ebensowenig Anlass, handelt es sich dabei doch bloß um eine übliche Höflichkeitsfloskel.