JudikaturJustiz8ObA110/04s

8ObA110/04s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner und Günther Degold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manfred D*****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Konradsheim, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei R***** GmbH, ***** wegen Ausstellung eines Lohnzettels, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 24. August 2004, GZ 11 Ra 78/04a 5, womit über Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits und Sozialgericht vom 25. Juni 2004, GZ 20 Cga 106/04x 2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Unter der Bezeichnung der Rechtssache als "Lohnzettel gemäß § 84 Abs 2 EStG" begehrt der Kläger von der beklagten Partei die Ausstellung der "den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden" berichtigten Jahreslohnzettel (L 16) für die Jahre 1998, 1999 und 2000. Er sei vom 15. 6. 1998 bis 31. 10. 2000 Dienstnehmer der beklagten Partei gewesen. Im Zuge eines vor dem Landesgericht Salzburg als Arbeits und Sozialgericht durchgeführten Verfahrens habe sich herausgestellt, dass der Kläger während des Dienstverhältnisses "falsch eingestuft" gewesen sei. Die beklagte Partei habe nicht nur die Arbeitgeber , sondern auch alle Arbeitnehmeranteile einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Zur "Aufrollung" benötige der Kläger die berichtigten Lohnzettel. Der Geschäftsführer der beklagten Partei weigere sich jedoch, dem Kläger die berichtigten Lohnzettel zu übermitteln bzw der Steuerberatungskanzlei der beklagten Partei die Übermittlung der berichtigten Lohnzettel aufzutragen.

Das Erstgericht wies diese Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Gemäß § 84 Abs 2 EStG habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder über dessen Verlangen für Zwecke der Einkommensteuerveranlagung einen Lohnzettel nach dem amtlichen Vordruck auszustellen. Dabei handle es sich um einen im öffentlichen Recht begründeten Anspruch des Arbeitnehmers, der im Verwaltungsweg durchzusetzen sei. Der Anspruch auf Ausstellung eines Lohnzettels könne nur dann mit Klage durchgesetzt werden, wenn er sich auf einen privatrechtlichen Rechtsgrund (etwa eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber) stütze. Ein derartiger Rechtsgrund werde vom Kläger nicht behauptet.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges für eine Klage auf Ausstellung eines Lohnzettels gemäß § 84 Abs 2 EStG oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Das Rekursgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Die Zulässigkeit des Rechtsweges sei vom Gericht aufgrund der Klagebehauptungen zu prüfen. Die Einwendungen des Beklagten seien ohne Belang. Der Kläger habe seinen Herausgabeanspruch darauf gestützt, dass er die Lohnzettel zu einer entsprechenden Aufrollung beim Finanzamt benötige, weil er während des Dienstverhältnisses falsch eingestuft worden sei. Ein privatrechtlicher Rechtsgrund, aus welchem sich die Zuständigkeit des Gerichtes ergeben könne, sei daraus nicht ersichtlich. Gemäß § 84 Abs 2 EStG habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder über dessen Verlangen für Zwecke der Einkommensteuerveranlagung einen Lohnzettel nach dem amtlichen Vordruck auszustellen. Die Beischaffung eines nicht freiwilligen ausgestellten bzw ausgefolgten Lohnzettels sei von der zuständigen Abgabenbehörde zu verfügen. Auch § 61 Abs 1 Z 3 ASGG schaffe keinen materiellrechtlich im Klageweg durchsetzbaren Herausgabeanspruch, sondern setze einen solchen voraus. Ob das Finanzamt von sich aus tätig werde, sei für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ohne Bedeutung. Der Oberste Gerichtshof habe im durchaus vergleichbaren Fall der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausstellung einer Bestätigung nach § 46 Abs 4 AlVG ausgesprochen, dass es sich um einen im öffentlichen Recht begründeten Anspruch handle, für den der Rechtsweg unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Im Revisionsrekurs beharrt der Kläger auf seinem Standpunkt, dass aus § 84 Abs 2 EStG ein im Rechtsweg durchsetzbarer Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf Ausstellung korrekter Lohnzettel abzuleiten sei.

Dieser Auffassung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen: Gemäß § 84 Abs 1 Z 3 lit a EStG hat der Arbeitgeber dem Finanzamt der Betriebsstätte bei Beendigung des Dienstverhältnisses den Lohnzettel bis Ende des folgenden Monats zu übermitteln. Gemäß § 84 Abs 2 EStG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in den Fällen des § 84 Abs 1 Z 3 EStG oder über dessen Verlangen für Zwecke der Einkommensteuerveranlagung einen Lohnzettel nach dem amtlichen Vordruck auszustellen. Erkennbar nur auf diese Bestimmung gründet der Kläger sein Klagebegehren. Da der Lohnzettel im Zuge eines Abgabenverfahrens von Belang ist, gemäß § 1 lit a BAO aber in allen Angelegenheiten der bundesrechtlich geregelten öffentlich rechtlichen Angelegenheiten die in der BAO genannten Behörden zu entscheiden haben, ist daraus zu schließen, dass auch die Beischaffung eines nicht freiwillig ausgestellten bzw ausgefolgten Lohnzettels von der zuständigen Abgabenbehörde zu verfügen ist und eine gerichtliche Klagbarkeit nicht vorliegt (vgl Pirker, Die Herausgabe von Arbeitspapieren, RZ 1990, 106 [114f]). Insoweit ist wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat der hier zu behandelnde Fall mit dem bereits mehrfach vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fall des Anspruches des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Bestätigung nach § 46 Abs 4 AlVG zu vergleichen (vgl dazu SZ 61/214; 9 ObA 112/90; 8 ObA 74/03w). Im konkreten Fall ist nun zwar nicht eindeutig nachvollziehbar, inwiefern der Kläger die berichtigten Lohnzettel benötigt (Wiederaufnahme?; Erstattungsantrag gemäß 240 Abs 3 BAO?). Jedenfalls aber sind die Lohnzettel von der Abgabenbehörde im Zuge eines allenfalls vom Kläger eingeleiteten Verfahrens beim Arbeitgeber einzuholen, wenn dieser die entsprechenden Urkunden dem Arbeitnehmer nicht ausfolgt oder vorenthält (Pirker aaO; siehe auch Ritz, BAO² § 111 Rz 4 mit Hinweis auf die Judikatur des VwGH, wonach die Abgabenbehörde gegen den Arbeitgeber mit Zwangsstrafe vorgehen kann, um die Übermittlung von Lohnzetteln zu erzwingen).

Diesem Ergebnis steht auch § 61 Abs 1 Z 3 ASGG nicht entgegen, weil diese Bestimmung keinen neuen materiellrechtlichen Herausgabeanspruch schafft, sondern diesen vielmehr voraussetzt (Kuderna, ASGG 331; SZ 61/214). Der im öffentlichen Recht begründete Anspruch auf Ausstellung eines Lohnzettels wird durch § 61 Abs 1 Z 3 ASGG nicht betroffen. Der Anspruch auf Ausstellung eines Lohnzettels könnte nur dann im Klageweg durchgesetzt werden, wenn er sich auf einen privatrechtlichen Rechtsgrund (Anerkenntnis, Vergleich, vertragliche Vereinbarung) stützt. Eine solche privatrechtliche Rechtsgrundlage hat der Kläger jedoch nicht behauptet.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.