JudikaturJustiz8Ob643/87

8Ob643/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sabine S***, geboren am 13. Jänner 1969, vertreten durch die Mutter Monika S***, 8330 Feldbach, Gartenstadt 44, infolge Rekurses des Vaters Helmut S***, Werkmeister, 8129 Peggau 230, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 3. August 1987, GZ 1 R 257/87-48, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Feldbach vom 11. März 1987, GZ P 129/83-38, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die aus der geschiedenen Ehe von Helmut S*** und Monika S***, geborene M***, stammende Sabine, die im Haushalt ihrer Mutter betreut wird, ist in Bad Gleichenberg als Fotolehrling gegen eine Lehrlingsentschädigung von monatlich durchschnittlich S 2.600,-- beschäftigt. Ihre sie vertretende Mutter (§§ 144, 177 ABGB) beantragte am 25. November 1986, den Vater zusätzlich zu seiner monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.500,-- zur Tragung der Anschaffungskosten für eine Fotoausrüstung, die Sabine für ihre Ausbildung benötige, zu verhalten. Die Anschaffungskosten von S 16.961,-- beglich am 3. Dezember 1986 die Mutter und schränkte nach der Stellungnahme des Vaters vom 23. Dezember 1986 den von diesem zu tragenden Anschaffungsbetrag auf S 12.000,-- ein. Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

Das Gericht zweiter Instanz wies den vom Vater erhobenen Rekurs und dessen Ergänzung zurück. Das Rekursgericht führte aus, die für den Vater bestimmte Beschlußausfertigung sei nach dem Zustellversuch vom 24. März 1987 beim Postamt 8120 Peggau hinterlegt und die schriftliche Verständigung über die Hinterlegung in den für die Abgabestelle bestimmten Briefeinwurf eingelegt worden. Der am 29. Mai 1987 beim Erstgericht erschienene Vater habe gegen diesen Beschluß Rekurs mit dem Abänderungsantrag erhoben, ihn lediglich zur Leistung eines Betrages von S 4.000,-- zu verpflichten. Am 2. Juni 1987 habe er diesen Rekurs dahin ergänzt, daß er die gänzliche Abweisung des begehrten Sonderbedarfsbetrages verlangt habe. Zur Rechtzeitigkeit seines Rekurses habe er angegeben, er habe die Annahme des Rückscheinbriefes (enthaltend die Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses) des Erstgerichtes am 24. März 1987 deshalb verweigert, weil auf diesem seine Adresse mit "Peggau 32" statt richtig mit "Peggau 230" angegeben gewesen sei. Da es in Peggau noch einen zweiten Helmut S*** gebe, habe er Grund zur Annahme gehabt, daß auch ohne weiteres dieser gemeint sein könnte. Der Rekurs sei als verspätet zurückgewiesen, weil er nicht innerhalb der 14-tägigen Rekursfrist, die am 7. April 1987 endete, erhoben worden sei. Dabei sei zunächst von der Bestimmung des § 20 ZustellG auszugehen, wonach der Empfänger die Annahme der Sendung nur verweigern dürfe, wenn ein gesetzlicher Grund vorliege, andernfalls träten die Zustellungswirkungen ein. Eine unvollständige oder unrichtige Anschrift berechtige nur dann zur Annahmeverweigerung, wenn diese Fehler die Identifizierung des Empfängers sehr erschwerten oder vollständig ausschlössen. Die Gefahr der Verwechslung des Rekurswerbers mit einem ("meistens") als Unternehmer Tätigen des gleichen Namens habe nicht bestanden, weil die Anschrift auch die richtige Berufsbezeichnung des Rekurswerbers "Werkmeister" enthalten habe. Im übrigen habe es für den Rekurswerber auch nicht zweifelhaft sein können, daß die Sendung für ihn bestimmt sei, weil sie das Bezirksgericht Feldbach als Absender und die Geschäftszahl P 129/83 enthalten habe, also solche Angaben, die dem Rekurswerber wohl bekannt gewesen seien. Im übrigen habe er auch mit einer Entscheidung dieses Pflegschaftsgerichtes über den ihm bekannten Auftrag, zu dem er auch schon am 23. Dezember 1986 vernommen worden sei, rechnen müssen. Der Umstand, daß der Zusteller nicht primär das Schriftstück an der Abgabestelle zurückgelassen, sondern es hinterlegt habe, sei für die Wirksamkeit des Zustellvorganges bedeutungslos. Ob die Zurücklassung möglich sei, habe der Zusteller im Einzelfalle zu beurteilen. Eine Fehlentscheidung des Zustellers mache den Zustellvorgang nicht unwirksam, da der Empfänger mit der Verweigerung der Übernahme bereits in Möglichkeite, niemals in den Besitz des Schriftstückes zu gelangen, in Kauf nehme. Insbesondere sei eine sofortige Hinterlegung - obwohl die Möglichkeit der Zurücklassung gegeben wäre - nicht unwirksam. Die Rechtswirkungen träten mit der Zurücklassung oder Hinterlegung ein. Der Zeitpunkt, in dem der Empfänger das Schriftstück tatsächlich übernehme, sei bedeutungslos. Im Anlaßfall sei das Schriftstück am 24. März 1987 hinterlegt worden, sodaß es mit diesem Tag als zugestellt gegolten und die 14-tägige Rechtsmittelfrist ausgelöst habe, die somit am 7. April 1987 geendet habe. Der erst am 29. Mai 1987 erhobene Rekurs sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen. Auf ihn habe auch gemäß § 11 Abs 2 AußStrG nicht Bedacht genommen werden können, weil die mj. Sabine als dritte Person durch den angefochtenen Beschluß das Recht erlangt habe, vom Vater die Zahlung von S 12.000,-- zu verlangen. Die Rekursergänzung vom 2. Juni 1987 sei als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels seien nämlich Nachträge und Ergänzungen jeder Art zu Rechtsmitteln grundsätzlich unzulässig, und zwar auch dann, wenn sie innerhalb der Rechtsmittelfrist angebracht werden.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Rekurs des Vaters aus dem Anfechtungsgrund der "offenbaren Gesetzwidrigkeit" mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs, der weder auf die Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG beschränkt ist, noch durch die Vorschrift des § 14 Abs 2 AußStrG berührt wird, weil es sich bei der Frage der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels um eine Verfahrensfrage handelt, ist somit zwar zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber vertritt die Auffassung, es stelle einen gesetzlichen Grund für die Verweigerung der Annahme einer Postsendung dar, wenn auf dem zuzustellenden Schriftstück eine unrichtige Anschrift angegeben sei. Er wohne seit Jahren in Peggau Nr. 230, während der namensgleiche Helmut S***, mit dem er oft verwechselt werde, ebenfalls in Peggau wohne. Das zuzustellende Schriftstück habe die Anschrift Peggau Nr. 32 aufgewiesen. Er habe wegen der Namensgleichheit schon größere Unannehmlichkeiten gehabt, einmal sei gegen ihn eine Drittschuldnerexekution bewilligt worden, die den namensgleichen Helmut S*** betroffen habe.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 20 Abs 1 ZustG ist, wenn der Empfänger oder ein mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebender Ersatzempfänger die Annahme ohne Vorliegen des im § 13 Abs 5 genannten oder eines anderen gesetzlichen Grundes verweigert, die Sendung an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen. Im vorliegenden Fall hat der Rekurswerber die Annahme verweigert, weil das gerichtliche Schriftstück die Anschrift Peggau Nr. 32 anstelle der richtigen Anschrift Peggau Nr. 230 trug. Der Name und der Beruf des Vaters (Werkmeister) waren richtig angegeben, ebenso das Bezirksgericht Feldbach als Absender sowie Datum und Geschäftszahl des erstgerichtlichen Beschlusses. Eine unvollständige und unrichtige Anschrift berechtigt aber nur dann zur Verweigerung der Annahme, wenn diese Fehler die Identifizierung des Empfängers sehr erschweren oder vollständig ausschließen, insbesondere, weil die Gefahr einer Personenverwechslung besteht (Fasching, Komm. II, 600 f, Anm. 3 zu § 109 ZPO sowie ZPR Rz540). Daß die Voraussetzungen des § 13 Abs 5 ZustG (Zustellung außerhalb der Abgabestelle) im vorliegenden Fall gegeben gewesen wären, wurde weder behauptet, noch ergeben sich hiefür aus dem Akteninhalt irgendwelche Anhaltspunkte. Die bloße unrichtige Angabe der Hausnummer ("32" statt "richtig 230") kann aber unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles - richtige Angabe des Namens und der Berufsbezeichnung des Rekurswerbers, der nichteinmal behauptet hat, daß die namensgleiche Person etwa in Peggau Nr. 32 wohnt - nicht als "anderer gesetzlicher Grund" im Sinn des § 20 Abs 2 ZustG gewertet werden, der die Verweigerung der Annahme gerechtfertigt hätte.

In der Auffassung, daß daher im vorliegenden Fall die Verweigerung der Annahme des Schriftstückes durch den Rekurswerber nicht gerechtfertigt war und die daraufhin vorgenommene postamltiche Hinterlegung die Rechtsmittelfrist in Lauf setzte, die bei Erhebung des Rekurses bereits seit langem verstrichen war, kann somit ebensowenig eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes erblickt werden, wie in der Verneinung der Anwendbarkeit des § 11 Abs 2 AußStrG. Bezüglich der Zurückweisung der Ergänzung des Rekurses durch das Gericht zweiter Instanz enthält das Rechtsmittel keine Ausführungen, sodaß auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichtes verwiesen werden kann. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.