JudikaturJustiz8Ob63/99v

8Ob63/99v – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Ernst B*****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz L*****, wegen S 80.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien als Rekursgericht vom 21. August 1998, GZ 1 R 411/98g-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 2. Juni 1998, GZ 7 C 1353/98s-2, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger beantragte in seiner am 28. 5. 1998 überreichten Wechselklage die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages gegen den Beklagten über S 80.000,-- sA. Dieser Wechselklage lag der am 17. 10. 1997 vom Kläger in Wien ausgestellte Wechsel bei. Dieser enthält auf der Vorderseite eine - schwer leserliche bzw unleserliche - Unterschrift des Ausstellers (ohne Adresse); auf der Rückseite des Wechsels scheint der gleiche Schriftzug auf. Zwischen dem Vermerk über die Entrichtung der Wechselgebühr, der am oberen Rand der Wechselrückseite, wie üblich parallel zur Schmalseite des Wechsels angebracht wurde, und der parallel zur Wechsellängsseite gesetzten Unterschrift liegt ein Zwischenraum von rund 5 cm. Ferner besteht zwischen der Unterschrift und dem darüber befindlichen längsseitigen Rand des Wechsels ein noch größerer Zwischenraum. Der Name dessen, an den oder an dessen Order gezahlt werden soll, fehlt.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages ab und die Klage zurück. In der Begründung führte es hiezu aus, daß der geltend gemachte Anspruch aus dem vorgelegten Wechsel nicht abgeleitet werden könne, da der Wechselurkunde kein Remittent zu entnehmen sei. Da die vorgelegte Urkunde ungültig sei, eigne sich die Klage auch nicht zur Einleitung des ordentlichen Verfahrens.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Ein Wechselzahlungsauftrag könne nach § 557 ZPO nur aufgrund eines gültigen Wechsels erlassen werden. Gemäß Art 1 Z 6 WG gehöre der Name dessen, an den oder an dessen Order gezahlt werden soll, zu den Grundbestandteilen des Wechsels. Im vorgelegten Wechsel fehle jedoch die Angabe dessen, an den zu zahlen sei. Die Unterschrift des Klägers scheine lediglich als Aussteller und auf der Wechselrückseite auf. Ein Wechsel ohne Angabe des Remittenten sei auch dann ungültig, wenn allen Beteiligten klar gewesen sei, an wen die Wechselsumme gezahlt werden solle. Der fehlende Remittentenvermerk könne auch nicht aus dem (ersten) Indossament ergänzt werden. Dem Erfordernis der Deutlichkeit müsse unbedingt Rechnung getragen werden, wenn die Angabe des Wechselnehmers von der üblichen Form abweiche, dh es müsse bei der von der üblichen Form (Angabe im Wechseltext auf der Vorderseite) abweichenden Angabe des Wechselnehmers in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck gebracht werden, daß damit die Angabe des Wechselnehmers bezweckt und derjenige bezeichnet werde, an den der Bezogene zu zahlen habe. Den beiden Unterschriften des Klägers auf dem Wechsel sei jedoch keineswegs in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu entnehmen, daß damit die Angabe des Wechselnehmers bezweckt werde. Der Wechsel entspreche daher nicht den Erfordernissen des Art 1 WG. Gemäß Art 2 WG handle es sich nicht um einen gültigen Wechsel und könne daher auch gemäß § 557 ZPO aufgrund dieser Urkunde ein Wechselzahlungsauftrag nicht erlassen werden. Sei schon der Wechselanspruch, sei es mangels Gültigkeit des Wechsels, sei es mangels Legitimation des Klägers oder des Beklagten, zu verneinen, dann sei nach ständiger Gerichtsübung auch die Wechselmandatsklage zurückzuweisen. In diesem Sinne führe auch Bukovics (RZ 1965, 153) aus, daß das Wechselverfahren einzuleiten sei, wenn der Wechsel zwar nicht den Formalvorschriften des § 557 ZPO entspreche, im übrigen aber die Gültigkeit des Wechsels ebenso wie die Ableitbarkeit des geltend gemachten Wechselanspruches daraus gegeben sei. Wenn auch Fasching (LB2 Rz 2130) die gegenteilige Auffassung vertrete, so führe er im Kommentar (IV, 603) ausdrücklich aus, daß bei fehlender Vorlage der in den Fällen der §§ 557 Abs 2 und 558 ZPO geforderten Urkunden die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages zu verweigern und die Wechselmandatsklage zurückzuweisen sei, weil der Anspruch aus dem Wechsel nicht abgeleitet werden könne und andere Anspruchsgründe weder geltend gemacht noch geprüft werden könnten. Dieser Auffassung folge auch die Rechtsprechung (JBl 1987, 256).

Den weiteren Ausspruch, der Revisionsrekurs sei jedenfalls unzulässig, änderte das Rekursgericht über Antrag des Klägers ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Die Revision sei zur Wahrung der Rechtssicherheit im Einzelfall zulässig, zumal die auf der Vorder- und Rückseite des Wechsels befindliche Unterschrift des Klägers eine Auslegung gestatte, der Wechsel sei als Wechsel an eigene Order zu verstehen (wie sich auf dem Zitat Baumbach/Hefermehl, WechselG20 Rz 11 zu Art 1 ergebe); überdies sei die österreichische Rechtsprechung älteren Datums.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens über die Wechselklage aufzutragen (der Rechtsmittelantrag umfaßt - anders als noch im Rekurs - nicht mehr die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages).

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann der fehlende Remittentenvermerk auch dann nicht im Sinne eines Wechsels an eigene Order ergänzt werden, wenn das erste Indossament vom Ausstellter stammt (SZ 48/142; 1 Ob 694, 695/78; RdW 1986, 176; 1 Ob 532/87). Die vom Rekursgericht ins Treffen geführte deutsche Lehre und Judikatur, wonach in einem derartigen Fall der Wechsel doch als solcher an eigene Order zu verstehen sei, würde, selbst wenn der Oberste Gerichtshof ihr folgen würde, im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Gestaltung der Rückseite des Wechsels nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Sowohl die deutsche Judikatur (BGH vom 20. 10. 1977, NJW 1978, 267) als auch die deutsche Lehre (Richardi, Wertpapierrecht, Heidelberg 1987, 119; Bülow, Wechselgesetz, Scheckgesetz2, Heidelberg 1995, Art 1 WG Rz 31; Baumbach/Hefermehl21 Art 1 WG Rz 11) fordern in einem solchen Fall, daß die urkundliche Erklärung nach Wortlaut und Form nicht verschiedene Auslegungen zuläßt. Dies ist dann der Fall, wenn oberhalb der Unterschrift des Ausstellers auf der Rückseite des Wechsels nicht ausreichend Raum für ein allfälliges Giro eines (nicht benannten) Wechselnehmers freigelassen wurde, etwa, wenn sich die Unterschrift des Ausstellers auf der Rückseite unmittelbar unter der Stempelmarke befindet. Diese Voraussetzungen erfüllt die auf die Rückseite des vorliegenden Wechsels gesetzte Unterschrift des Ausstellers - selbst wenn man von der für ein Indossament unüblichen Situierung (parallel zur Längsseite des Wechsels und damit in rechtem Winkel zu dem parallel zur Schmalseite gesetzten Vermerk über die Gebührenentrichtung) absieht - nicht, weil zwischen dieser Unterschrift und im Vermerk über die Gebührenentrichtung sowie dem oberhalb der Unterschrift gelegenen längsseitigen Rand des Wechsels ausreichend Raum für die Setzung weiterer Vermerke freigeblieben ist. Auch bei Zugrundelegung der vom Berufungsgericht angeführten deutschen Rechtsprechung und Lehre könnte daher die fehlende Remittentenangabe im vorliegenden Wechsel nicht durch Auslegung dahin ergänzt werden, daß es sich um einen Wechsel an eigene Order handelt.

Ist der Wechsel aber wegen des Fehlens eines in Art 1 WG angeführten notwendigen Bestandteiles ungültig, dann ist nicht nur der Antrag auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages abzuweisen, sondern trotz der Bestimmung des § 554 ZPO auch nicht das ordentliche Wechselverfahren einzuleiten und die Wechselklage vielmehr als zur Anberaumung einer mündlichen Streitverhandlung ungeeignet zurückzuweisen, weil Gegenstand der Wechselklage gleichfalls nur ein abstrakter wechselmäßiger Anspruch sein kann und es aufgrund eines formungültigen Wechsels niemals zu einem klagsstattgebenden Urteil kommen könnte (siehe Heil, Rechtslexikon, Wechselverfahren B I und F I; Bukovics, Die Überleitung des Wechselmandatsverfahrens in das ordentliche Verfahren, RZ 1965, 151, insb 152 f; Fasching, Komm IV 603; EvBl 1978/149; 2 Ob 590/79; SZ 55/164; vgl JBl 1987, 256). Lediglich dann, wenn ein alle wesentlichen Bestandteile aufweisender gültiger Wechsel vorgelegt wird, der etwa Streichungen und Verbesserungen aufweist, die ihn zwar nicht ungültig machen, aber Bedenken gegen die Echtheit erwecken, ist zwar der Antrag auf Erlassung des Wechselzahlungsauftrages mangels Vorliegens einer § 557 ZPO entsprechenden unbedenklichen Urkunde abzuweisen, die Klage aber nicht zurückzuweisen, sondern darüber gemäß § 554 ZPO das ordentliche Verfahren einzuleiten (siehe Bukovics aaO 153).

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes und des Revisionsrekurswerbers war daher das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zu verneinen.