JudikaturJustiz8Ob40/95

8Ob40/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Norbert S*****, Rechtsanwalt, ***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*****gesellschaft mbH, 25 S 59/91 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz, wider die beklagte Partei Sieglinde G*****, ohne Berufsbezeichnung, ***** vertreten durch Dr.Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 250.000,- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 26.September 1995, GZ 2 R 144/95-26, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 14.März 1995, GZ 22 Cg 32/94v-18, Folge gegeben und das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung aufgetragen wird.

Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.195,-

bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 2.032,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Rechtsanwalt Dr. Norbert S***** als am 28.10.1991 bestellter Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*****gesellschaft mbH, begehrte mit der vorliegenden Klage von der Beklagten die Zahlung eines Betrages von S 250.000,- sA. Die Gemeinschuldnerin habe als in Anspruch genommene Bürgin einen Rückgriffsanspruch gegen die Beklagte in der Höhe von S 287.927,- und für Bau-, Hausverwaltungs- und Beratungsleistungen einschließlich "Ausmietungskosten" einen Anspruch in der Höhe von "mehr als 7 Millionen". Aus Gründen der prozessualen Vorsicht werde vorerst bloß ein Betrag von S 250.000,-

sA geltend gemacht. Eine Aufschlüsselung dieses Betrages unterblieb.

Die Beklagte bestritt in ihrer Klagebeantwortung das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht ordnete die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 14.3.1995 an und lud hiezu den Masseverwalter und den Beklagtenvertreter.

Mit Schriftsatz vom 7.3.1995, bei Gericht eingelangt am 8.3.1995 (ON 17), teilte der Masseverwalter dem Gericht mit, daß die der Klage zugrundeliegende Forderung mit Beschluß vom 16.1.1995 (25 S 59/91) der Gemeinschuldnerin zur freien Verfügung überlassen worden sei (§ 119 Abs 5 KO). Der Kläger als Masseverwalter sei daher nicht mehr aktiv legitimiert.

In der Tagsatzung vom 14.3.1995 trug der Richter den Schriftsatz vom 7.3.1995 vor und hielt fest, daß für die klagende Partei niemand erschienen sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mangels Aktivlegitimation und legte Kostennote. Der Richter schloß hierauf die Verhandlung und verkündete ein das Klagebegehren abweisendes Urteil, in dem als Kläger der Masseverwalter bezeichnet, die Ausscheidung der Forderung aus der Konkursmasse und die Überlassung der Forderung zur freien Verfügung der Gemeinschuldnerin festgestellt und daraus abgeleitet wird, der Kläger sei als Masseverwalter nicht mehr legitimiert, sodaß das Klagebegehren abzuweisen sei.

Eine Ausfertigung des Urteils wurde dem Masseverwalter am 5.4.1995 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7.4.1995, bei Gericht eingelangt am 10.4.1995, verwies der Masseverwalter auf die mit Schriftsatz vom 7.3.1995 bekanntgegebene Ausscheidung der Forderung nach § 119 Abs 5 KO. Aus diesem Grund sei die Zustellung der - mit dem Schriftsatz retournierten - Urteilsausfertigung an den Masseverwalter unzulässig. Das Urteil sei nichtig, weil die Gemeinschuldnerin zu der Tagsatzung vom 14.3.1995 hätte geladen werden müssen.

Das Erstgericht verfügte nunmehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung an die (unvertretene) Gemeinschuldnerin, welche am 14.4.1995 vorgenommen wurde.

Mit Beschluß vom 21.4.1995 eröffnete das Erstgericht dem Masseverwalter die Möglichkeit der Verbesserung des ihm zurückgestellten Schriftsatzes vom 7.4.1995 durch Klarstellung, ob dieser als Berufung anzusehen sei. Nur eine Berufung könne das als unrichtig bezeichnete Urteil beseitigen.

Innerhalb der in diesem Beschluß gesetzten Frist erstattete der Masseverwalter eine als Ergänzung seines Schriftsatzes vom 5.4.1995 bezeichnete Berufung mit dem Bemerken, daß eine Urteilsausfertigung "offenbar nicht der Gemeinschuldnerin zugestellt wurde".

Der Berufungswerber machte als Anfechtungsgründe Nichtigkeit des Urteiles gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Das Berufungsgericht gab der Berufung wegen Nichtigkeit Folge. Es verwies darauf, daß durch die Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner die Verfügung über die Konkursmasse entzogen werde und ein in einem Masseprozeß ergehendes Urteil unmittelbar und ausschließlich für und auch gegen den Gemeinschuldner wirke, der als Träger des konkursverfangenen Vermögens die vom Masseverwalter vertretene Partei sei. Konkursmasse und Gemeinschuldner seien daher nicht verschiedene Rechtssubjekte. Anhängige Aktivprozesse würden durch die Konkursaufhebung nicht unterbrochen, es erlösche lediglich die Vertretungsbefugnis des Masseverwalters und die Prozeßführungsbefugnis gehe wieder auf den Gemeinschuldner über. Die gleichen Grundsätze müßten auch dann gelten, wenn eine strittige, bereits im Prozeß verfangene Forderung dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen werde. Dieser sei berechtigt anstelle des Masseverwalters den Prozeß selbst weiterzuführen. Durch den rechtskräftigen Beschluß des Konkursgerichtes vom 16.1.1995 sei die klagsgegenständliche Forderung aus der Konkursmasse ausgeschieden worden (§ 119 Abs 5 KO) und die Prozeßführungsbefugnis sei auf die Gemeinschuldnerin übergegangen, die aber wegen der absoluten Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO) den Prozeß nicht selbst habe weiterführen können. Mangels Bestellung eines Rechtsanwaltes und Aufnahme des Verfahrens sei dessen Unterbrechung analog zu § 160 Abs 1 ZPO anzunehmen. Das Erstgericht hätte die für den 14.3.1995 anberaumte Tagsatzung daher abberufen müssen. Erst nach Anzeige der Bestellung eines Rechtsanwaltes durch die Gemeinschuldnerin oder nach Durchführung der im § 160 Abs 2 ZPO beschriebenen Maßnahmen hätte eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anberaumt werden dürfen.

Demgemäß sei aber der Masseverwalter mangels Vertretungsbefugnis zu Recht zur Tagsatzung vom 14.3.1995 nicht erschienen. Erst durch die Zustellung einer Ausfertigung des Urteiles vom 14.3.1995 habe er die Fehler des Gerichtes erkennen müssen. Die Einbringung des Schriftsatzes ON 19 könne daher nicht als mißbräuchliche Rechtsausübung qualifiziert werden.

Ebensowenig rechtsmißbräuchlich sei die Verbesserung dieses Schriftsatzes durch die Einbringung der Berufung ON 22, weil sich erst nunmehr ergeben habe, daß die Gemeinschuldnerin selbst untätig geblieben sei. Dem Masseverwalter sei die Rechtsmittellegitimation zuzubilligen, denn er sei ungeachtet der ex-lege-Wirkung der Unterbrechung in den Rechtsstreit einbezogen worden. Der in der Berufung behauptete Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO liege somit vor, da das Erstgericht trotz eingetretener Unterbrechung des Verfahrens eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung durchgeführt und ein Urteil gefällt habe.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, da seit der in ZBl 1929/99 veröffentlichten Entscheidung keine Rechtsprechung des Höchstgerichtes "zur Frage der Wirkung eines rechtskräftigen Ausscheidungsbeschlusses nach § 119 Abs 5 KO auf das Verfahren mit absoluter Anwaltspflicht ergangen" sei.

Gegen den berufungsgerichtlichen Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten aus den Gründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, diesen Beschluß aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses wird damit begründet, das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht habe meritorisch über ein Rechtsmittel des Dr.S***** entschieden, welches bei richtiger Rechtsanwendung zurückzuweisen gewesen wäre.

In der Rechtsrüge führt die Rekurswerberin aus, daß im gegenständlichen Verfahren gemäß § 27 ZPO die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten gewesen sei, wobei der Masseverwalter, weil Rechtsanwalt, als Vertreter zu behandeln sei. Ebenso sei es durch das Vorgehen nach § 119 Abs 5 KO zu keiner Änderung der klagenden Partei gekommen. Das Geschehen sei mit einem Zivilprozeß vergleichbar, in welchem der gesetzliche Vertreter eines zunächst Minderjährigen Rechtsanwalt sei und, wenn dieser Minderjährige volljährig wird, gemäß § 36 Abs 1 ZPO die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses erst nach Anzeige wirksam werde. Die Stellung des Rechtsanwaltes Dr.S***** sei eine doppelfunktionale gewesen, weswegen er in der Tagsatzung vom 14.3.1995 für die Gemeinschuldnerin vertretungsbefugt gewesen sei. Die Gemeinschuldnerin sei zur Tagsatzung vom 14.3.1995 ungerechtfertigt nicht erschienen.

Der Kläger beantragt, den Rekurs der Beklagten nicht zuzulassen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Sinne des § 519 Abs 1 Z 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin war der Masseverwalter im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Erhebung der Berufung legitimiert, da er im erstgerichtlichen Urteil weiterhin - obschon die Gemeinschuldnerin zufolge der Ausscheidung der klagsgegenständlichen Forderung aus dem Konkursverfahren insoweit nunmehr wiederum selbst und allein prozeßführungsbefugt war - als Kläger angeführt und damit als Prozeßpartei behandelt wurde. Er war, da in den nicht mehr von ihm geführten Prozeß solcherart dennoch hineingezogen, geradezu gezwungen, das gesetzwidrig gegen ihn gerichtete, auch seine Kostenersatzpflicht aussprechende Urteil anzufechten. Im Hinblick auf das vom Erstgericht diesbezüglich durchgeführte Verbesserungsverfahren erschien seine Berufung auch formell gesetzesgemäß und rechtzeitig und wurde demgemäß vom Gericht zweiter Instanz hierüber sachlich entschieden.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, daß vom Masseverwalter geführte Aktivprozesse durch eine Konkursaufhebung - wodurch der bisherige Gemeinschuldner wieder selbst prozeßführungsbefugt wird - nicht unterbrochen werden. Die in der Entscheidung ZBl 1929/99 (vgl auch Riel, Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht, 139) vertretene Ansicht, bei Konkursaufhebung sei im Verfahren mit absoluter Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO) mangels anwaltlicher Vertretung des nun selbst prozeßführungsbefugten früheren Gemeinschuldners ausnahmsweise doch eine Unterbrechung des Rechtsstreites anzunehmen, kann auf sich beruhen. Es ist kein Grund erkennbar, warum auch hinsichtlich einer zur Konkursmasse gehörigen und vom Masseverwalter eingeklagten, sodann aber an den Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassenen Forderung (§ 119 Abs 5 KO) eine Prozeßunterbrechung eintreten sollte. Der Unterbrechungsgrund der mangelnden Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des § 158 Abs 1 ZPO liegt nicht vor, weil der Gemeinschuldner mit dem durch die Forderungsüberlassung eingetretenen Erlöschen der Vertretungsbefugnis des Masseverwalters nun für dieses Verfahren selbst prozeßführungsbefugt, also prozeßfähig geworden ist, die vorgenannte Gesetzesstelle aber voraussetzt, daß die Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters aufhört ohne daß die Partei prozeßfähig geworden ist. Der frühere Gemeinschuldner ist demgemäß lediglich nach § 27 Abs 1 ZPO verpflichtet, einen Rechtsanwalt als seinen Vertreter im Verfahren zu bestellen. Für eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 160 ZPO betreffend den Wechsel in der Person des Rechtsanwaltes besteht kein Anlaß. Vielmehr ist je nach der Lage des Rechtsstreites gemäß § 37 Abs 2 ZPO (Klage oder Klagebeantwortungsschrift ohne Nachweis der Bestellung eines Rechtsanwaltes) oder gemäß § 133 Abs 3 ZPO (vgl Fasching Lehrbuch2 Rz 438) vorzugehen. Die letztgenannte Gesetzesstelle ordnet an, daß eine Tagsatzung als versäumt gilt, wenn die Partei bei derjenigen Prozeßhandlung, für welche die Beiziehung eines Rechtsanwaltes im Gesetz vorgeschrieben ist, ohne Rechtsanwalt erscheint.

Im vorliegenden Falle hätte das Erstgericht daher nach Einlangen des Schriftsatzes des Masseverwalters vom 7.3.1995 den früheren Gemeinschuldner selbst zur Tagsatzung vom 14.3.1995 - wegen der kurzen Zeitspanne allenfalls nach deren Verlegung auf einen späteren Termin - und zwar mit dem Hinweis auf die absolute Anwaltspflicht und die Säumnisfolgen des § 133 Abs 3 ZPO laden oder die Tagsatzung vom 14.3.1995 zu diesem Zweck jedenfalls erstrecken müssen. Der Masseverwalter wäre in dieser Tagsatzung entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin mangels Bevollmächtigung durch die frühere Gemeinschuldnerin zu deren Vertretung keinesfalls mehr befugt gewesen; sein Vertretungsrecht war auch nicht gemäß § 36 Abs 1 ZPO wegen Widerruf oder Kündigung einer Vollmacht sondern kraft Gesetzes erloschen.

Im Sinne der dargestellten Rechtslage wurde das erstgerichtliche Urteil somit auf Grund der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Masseverwalters vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend aufgehoben. Das Erstgericht wird die frühere Gemeinschuldnerin nach Berichtigung der Parteienbezeichnung unter Hinweis auf § 27 Abs 1 ZPO zur neuerlich anzuberaumenden Tagsatzung als klagende Partei zu laden und sodann nötigenfalls gemäß § 133 Abs 3 ZPO vorzugehen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.