JudikaturJustiz7Ob7/88

7Ob7/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** S*** Modell- und Flugsportverband, Elixhausen 135, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Michael Wonisch, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Z*** K*** Versicherungen Aktiengesellschaft, Wien 1., Schwarzenbergplatz 15, vertreten durch Dr. Herbert Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 361.896,23 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. November 1987, GZ 2 R 78/87-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 20. Jänner 1987, GZ 12 Cg 3/86-21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei hatte für ihren Motorsegler G 109, Werknummer 6031, bei der beklagten Partei eine Kaskoversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Luftfahrzeugen (ABKL 1974) zugrundegelegt wurden. Nach Art. 3 der ABKL, der die Überschrift "Ausschlüsse" trägt, bietet der Versicherer unter anderem keinen Versicherungsschutz für Schäden, wenn die gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften über das Halten, den Betrieb oder die Wartung von Luftfahrzeugen nicht eingehalten worden sind (Z 13). Am 7. Mai 1983 verursachte der Pilot Reinhard P*** beim Anflug auf die Piste durch einen Flugfehler einen Unfall, bei dem der Motorsegler erheblich beschädigt wurde. Die klagende Partei begehrt die Versicherungsleistung.

Die beklagte Partei beruft sich unter anderem auf die Ausschlußklausel des Art. 3 Z 13 ABKL. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei der Motorsegler behördlich nicht zugelassen gewesen. Die Zulassung sei am 3. Mai 1983 abgelaufen. Das zeitlich begrenzte Lufttüchtigkeitszeugnis verhindere die Ausnützung einer formellen Zulassung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Motorsegler nach dem Bescheid des Bundesamtes für Zivilluftfahrt vom 27. August 1981 am 7. Mai 1983 gemäß § 13 LFG zugelassen war (Beilage K). Das Lufttüchtigkeitszeugnis (Beilage A) war mit 3. Mai 1983 befristet. Nach dem Inhalt dieses Zeugnisses war der Weiterbestand der Lufttüchtigkeit bis zu diesem Zeitpunkt überprüfen. Rechtlich führte das Erstgericht aus, Art. 3 Z 13 ABKL bedeute in bezug auf die für den Betrieb des versicherten Luftfahrzeuges geforderten Bordpapiere, daß diese im jeweiligen Betriebszeitpunkt nicht abgelaufen sein dürften. Im vorliegenden Fall sei der Motorsegler im Unfallszeitpunkt zwar zugelassen, das Lufttüchtigkeitszeugnis aber bereits abgelaufen gewesen. Der Flug hätte daher nicht stattfinden dürfen, sodaß der Tatbestand des Art. 3 Z 13 ABKL verwirklicht sei. Es sei nicht der technische Begriff der Lufttüchtigkeit, deren Vorliegen im Unfallszeitpunkt nicht sicher sei, sondern deren Feststellung durch die Luftfahrtbehörde maßgeblich. Bei Art. 3 Z 13 ABKL handle es sich nicht um eine verhüllte Obliegenheit. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre die beklagte Partei leistungsfrei, weil die klagende Partei nicht einmal den Beweis dafür angetreten habe, daß sie an der Verletzung der Obliegenheit kein Verschulden treffe. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes sei die im Lufttüchtigkeitszeugnis enthaltene "Anordnung" der Überprüfung des Weiterbestandes der Lufttüchtigkeit bis zum 3. Mai 1983 als behördliche Vorschrift über den Betrieb im Sinne des Art. 3 Z 13 ABKL anzusehen. Gegen diese Vorschrift habe die klagende Partei dadurch verstoßen, daß sie die Weiterverwendung des Luftfahrzeuges über den 3. Mai 1983 hinaus gestattet habe, obwohl die Nachprüfung unterblieben sei. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, daß es sich bei Art. 3 Z 13 ABKL nicht um einen Risikoausschluß, sondern um eine verhüllte Obliegenheit handle, die eine Verminderung der Gefahr bzw. die Verhütung einer Gefahrerhöhung bezwecke. Der Versicherer könne sich demnach nicht auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, wenn die Verletzung der Obliegenheit keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt habe. Hier stehe außer Streit, daß der Absturz beim Landeanflug auf einen Flugfehler des Piloten, demnach also nicht auf einen Mangel der Lufttüchtigkeit des Motorseglers zurückzuführen sei. Mangels Kausalität der Obliegenheitsverletzung sei es der beklagten Partei daher verwehrt, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen. Das Erstgericht werde sich daher mit den weiteren Einwendungen der beklagten Partei zu befassen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Für den Eintritt des Versicherungsfalles im Rahmen der allgemeinen Risikoumschreibung ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig, während die Beweislast für das Vorliegen eines Risikoausschlusses den Versicherer trifft (vgl. Prölss-Martin VVG23 267 und 269). Die Beurteilung, ob ein vereinbarter Risikoausschluß vorliegt, hat nur im Rahmen der vom Versicherer vorgetragenen Tatumstände zu erfolgen. Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei lediglich vorgebracht, daß die Zulassung des versicherten Motorseglers mit 3. Mai 1983 befristet und demnach im Unfallszeitpunkt bereits abgelaufen gewesen sei (AS 8, ON 3). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war jedoch die Zulassung unbefristet erteilt worden. Unbestritten ist, daß nach dem Lufttüchtigkeitszeugnis vom 27. August 1981 der Weiterbestand der Lufttüchtigkeit des Motorseglers zuletzt zum 3. Mai 1983 zu überprüfen gewesen wäre. Die beklagte Partei hat dazu unter Berufung auf die Bestimmungen der §§ 12, 13 und 17 LFG den Standpunkt vertreten, daß das zeitlich begrenzte Lufttüchtigkeitszeugnis die Ausnützung der formellen Zulassung verhindert habe und der Motorsegler daher am 7. Mai 1983 nicht mehr in Betrieb hätte genommen werden dürfen (AS 24, ON 9). Diesem Standpunkt kann nicht gefolgt werden. Soweit in den (im vorliegenden Fall unmaßgeblichen) §§ 7 und 20 LFG nichts anderes bestimmt ist, darf ein Zivilluftfahrzeug im Fluge nur verwendet werden, wenn es vom Bundesamt für Zivilluftfahrt durch Bescheid gemäß § 13 LFG zugelassen ist (§ 12 Abs. 1 lit.a LFG; den weiteren Zulassungstatbeständen nach lit.b und c kommt hier keine Bedeutung zu). Militärluftfahrzeuge dürfen dagegen im Flug nur verwendet werden, wenn und solange ihre Lufttüchtigkeit gegeben ist (§ 12 Abs. 2 LFG). Diese Bestimmung ist eine Folge des Umstandes, daß für Militärluftfahrzeuge kein Zulassungsverfahren vorgesehen ist. Zivilluftfahrzeuge unterliegen dagegen einem Zulassungsverfahren. Sie sind gemäß § 13 LFG zuzulassen, wenn die Voraussetzungen nach § 14 gegeben sind. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem die Lufttüchtigkeit im Sinne des § 17. Die Lufttüchtigkeit ist bei einer Musterprüfung, einer Stückprüfung und einer Prüfung der Ausrüstung sowie bei Nachprüfungen nach der aufgrund des § 21 LFG noch zu erlassenden Verordnung für bestimmte Zeiträume festzustellen. Eine solche Verordnung ist jedoch bisher nicht ergangen (vgl. Halbmayer-Wiesenwasser, Das österreichische Luftfahrtrecht S. 42 Anm. 8 und S 47 Anm. 7). Eine Zulassung (gemäß § 12 lit.a) ist zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß das Zivilluftfahrzeug nicht mehr lufttüchtig ist (§ 19). Der Widerruf hat vom Amts wegen zu erfolgen. Der Beurteilung der Voraussetzungen eines allfälligen Widerrufes dienen die vorgesehenen, periodischen Nachprüfungen, die gemäß § 21 Abs. 1 lit.c LFG durch die noch ausständige Verordnung zu regeln sind. Daß § 12 Abs. 1 LFG eine gesetzliche Vorschrift über den Betrieb eines Luftfahrzeuges im Sinne des Art. 3 Z 13 ABKL darstellt, kann nicht zweifelhaft sein. Diese Bestimmung wurde hier jedoch eingehalten, was auch von der beklagten Partei nicht verkannt wird. Der Motorsegler war vom Bundesamt für Zivilluftfahrt zugelassen. Diese Zulassung war im Unfallszeitpunkt nicht widerrufen worden. Der Motorsegler durfte daher nach dem klaren Wortlaut des § 12 Abs. 1 LFG auch im Fluge verwendet werden. Seine Luftuntüchtigkeit wurde von der beklagten Partei nicht behauptet. Die Meinung der beklagten Partei, daß die Befristung im Lufttüchtigkeitszeugnis der Verwendung jedenfalls entgegenstand, läßt sich mit den klaren Bestimmungen der §§ 12 Abs. 1 und 19 LFG nicht in Einklang bringen. Ob unter einer behördlichen Vorschrift im Sinne des Art. 3 Z 13 ABKL nur eine generelle Norm oder auch eine individuelle Anordnung zu verstehen ist, braucht nicht erörtert zu werden. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes enthält nämlich das Lufttüchtigkeitszeugnis, Beilage A, keine Anordnung an den Halter des Luftfahrzeuges. Der Punkt 6 der Beilage A verweist nur auf das Erfordernis einer Nachprüfung - die jedoch der Behörde obliegt - zu den jeweils auf der nächsten Seite bezeichneten Zeitpunkten, schreibt dem Halter des Luftfahrzeuges jedoch kein bestimmtes Verhalten vor.

Daraus ergibt sich, daß die beklagte Partei die Nichteinhaltung einer gesetzlichen oder behördlichen Vorschrift über den Betrieb des Luftfahrzeuges durch die klagende Partei gar nicht dargetan hat. Es erübrigt sich daher auch eine Erörterung der Frage, ob und inwieweit Art. 3 Z 13 ABKL verhüllte Obliegenheiten enthält. Im Ergebnis ist dem Berufungsgericht jedenfalls darin beizupflichten, daß die Deckungspflicht der beklagten Partei nicht gemäß Art. 3 Z 13 ausgeschlossen ist, sodaß im fortgesetzten Verfahren auf die übrigen Einwendungen der beklagten Partei einzugehen sein wird. Demgemäß ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.